OPC UA : Umati wird drei Jahre - wie steht es um die Standards?

Artificial Intelligence. Technical background with a silhouette of a man. Big data concept. Machine cyber mind.

OPC UA wird gerne als "Weltsprache der Kommunikation" bezeichnet.

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Für offene Schnittstellenstandards auf Basis von OPC UA und deren breite Nutzung setzt sich die Gemeinschaft von Umati ein. Der Begriff Umati ist die Abkürzung für „universal machine technology interface“. Um zu dessen Ursprung zu gelangen, begeben wir uns ins Jahr 2019. Es ist Mitte September und in Hannover treffen 117 000 MessebesucherInnen unter dem Motto „Smart technologies driving tomorrow’s production!“ zusammen. Neben den Fokusthemen KI-Anwendungen und additive Fertigung fegt mit dem Begriff Umati ein neuer Geist durch die Hallen. Laut Heinz-Jürgen Prokop, dem damaligen Vorsitzenden des VDW, sollte damit ein „neues Kapitel der Produktion“ aufgeschlagen werden. Um dies zu demonstrieren, haben auf der Messe 70 Unternehmen aus zehn verschiedenen Ländern 110 Maschinen und 28 Dienste über die Standardschnittstelle miteinander vernetzt. Bis dahin war dies der größte Showcase, der je zu OPC UA gezeigt wurde. 2021 wurde Umati durch die Kooperation von VDW (Verein DeutscherWerkzeugmaschinenfabriken) und VDMA (Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau) zur Marke für den gesamten Maschinen- und Anlagenbau – und damit zur vielzitierten "Weltsprache der Produktion".

Von Anfang an mit dabei war TRUMPF. „Aus dem Projekt Konnektivität für Industrie 4.0 des VDW sollte die Companion Specification für die Kommunikation von Werkzeugmaschinen mit externen Applikationen wie zum Beispiel MES entstehen“, erinnert sich Andreas Wohlfeld, der bei TRUMPF für vernetzte Maschinenprodukte zuständig ist.

(Lesen Sie auch: OPC UA auf Bestellung - so kommen AnwenderInnen zur Schnittstelle)

Wenn sich der Standard weltweit etabliert hat, wird man der "Plug&Play"-Maschine einen großen Schritt nähergekommen sein.
Andreas Wohlfeld, TRUMPF

Die Versprechen von Umati für die Industrie 4.0

Umati und die darunterfallenden Standards - insbesondere der Querschnittsstandard "OPC UA für Machinery", den viele auch als OPCUA4M kennen – gelten als wesentliche Enabler für die Digitalisierung der Fertigung. „Sie reduzieren ganz erheblich den Aufwand für die Integration der Produktionsmittel in die Fertigung und die dazugehörige Fertigungs-IT“, ist Wohlfeld überzeugt. Was Bluetooth bei Mobiltelefonen ist, sei Umati für die Digitalisierung der Maschinen im Maschinenbau. Der Systemarchitekt von TRUMPF ist sich sicher: „Wenn sich der Standard weltweit etabliert hat, wird man der "Plug&Play"-Maschine einen großen Schritt nähergekommen sein“.

DMG MORI
ist ebenfalls von Anfang an mit von der Umati-Partie – und zwar mit der „Gewissheit, dass in einer digitalisierten Welt die Connectivity hochwertiger Maschinen eine als selbstverständlich vorausgesetzte Eigenschaft sein wird“, wie es Dennis Do-Khac formuliert, der bei DMG MORI Digital in der Produktentwicklung tätig ist.

Auch Zeiss ist Teil der Umati-Community – und das, obwohl die Firma nicht direkt Werkzeugmaschinen herstellt. „Diese Gemeinschaft hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Anwendung von OPC UA besonders im Umfeld von Werkzeugmaschinen zu fördern, wo auch viele Systeme von ZEISS im Einsatz sind“, erklärt Tiberiu Dobai, Product Owner bei Zeiss Metrology, deren Teilnahme. Obgleich der Wandel zur Industrie 4.0 bereits ohnehin in vollem Gange sei, werde seiner Einschätzung nach „die Effizienz und die Geschwindigkeit dieses Wandels jedoch wesentlich von Schnittstellen beeinflusst“.

Andreas Wohlfeld, Lead Architect Smart Factory / Production Solutions bei TRUMPF.
für die Übertragung großer Datenmengen werden weiterhin andere etablierte Standards benötigt.
Tiberiu Dobai, Zeiss IMT

Wie weit Umati schon umgesetzt ist

Für viele HerstellerInnen ist die breite Verfügbarkeit der digitalen Standards nur noch eine Frage des Wann, wobei über die Schnelligkeit dieser Entwicklung nicht alle gleich optimistisch sind. Viele grundlegende Elemente seien laut Wohlfeld mit der Festlegung auf OPC UA und der Definition der ersten Companion Specifications bereits vorhanden. Nun gelte es, der Standardisierung auch ihre Umsetzung folgen zu lassen. Was das betrifft, beobachtet der TRUMPF-Ingenieur einen „positiven Trend mit einer zunehmenden Anzahl an Produkten, die die Standards unterstützen“.

Dobai weist aber auch auf die Aspekte hin, die gemeinsame Sprache noch nicht abdeckt: „Auch wenn es für den einen oder anderen ein konkretes Zielbild darstellt, sind wir von der Realisierung noch ein Stück entfernt. Beispielsweise für die Übertragung großer Datenmengen werden weiterhin andere etablierte Standards benötigt“. DMG MORI Digital sieht man den „Fortschritt im Vergleicht zur Situation vor Umati“ als „beachtlich“ an. Dennoch habe die gesamte Branche laut Do-Khac, hinsichtlich Wortschatz und Gesprächspartner noch eine Strecke zurückzulegen.

Tiberiu Dobai, Product Owner bei Zeiss IMT.

Erschwerende Faktoren

Wie bei so vielen Dingen liegt auch bei der Standardisierung die mitunter größte Herausforderung nicht in der Technik, sondern in der Natur des Menschen. Wohlfeld weiß: „Die unterschiedlichen Sichtweisen in einem gemeinsamen Datenmodell abzubilden erfordert viel Diskussion und Beweglichkeit aller Beteiligten“. Dennoch gibt es auch technische Hürden zu überwinden. Dabei mache es einen wesentlichen Unterschied, ob man an der Standardisierung oder gar der Modellierung mitarbeitet, oder OPC UA und die fertigen Companion Spezifikationen in seine Produkte integrieren will.

„Die Herausforderungen beginnen bei der Bereitstellung von geeigneten Schnittstellen, die idealerweise auf Standards für die Übertragung von Daten in der geeigneten Semantik basieren, mit einer Syntax, die in der industriellen Produktion verbreitet ist. Und sie reichen bis zur Identifikation der Quelle für die benötigte Information“, führt Dobai an. Einen wesentlichen Unterschied für die Integration der Standards macht es außerdem, ob es sich um Greenfield oder Brownfield handelt – also ob die betreffenden Maschinen neu sind oder sich bereits im Feld befinden.

Die Auswahl an Softwaresystemen und deren funktionale Tauglichkeit für die Bedarfe sind für AnwenderInnen die ausschlaggebenden Faktoren.
Dennis Do-Khac, DMG MORI Digital

Was die Standards für AnwenderInnen bringen

Umati macht das Leben leichter, meint Wohlfeld: „Die MaschinenanwenderInnen werden sich darüber freuen können, dass Maschinen – unabhängig vom Hersteller und der Bearbeitungstechnologie – standardisierte Schnittstellen für die Digitalisierung mitbringen. Zudem lassen sich Anwendungsfälle für die Digitalisierung von Maschinen viel leichter oder überhaupt erst umsetzen. Zum Beispiel "Remote"-Arbeit in der Produktion oder die Arbeitszeitoptimierung“. Dobai fügt hinzu: „Die mittels OPC UA erfassten und bereitgestellten Daten können helfen, den Fertigungsprozess zu optimieren. Damit können nicht nur die optimale Auslastung einer Maschine ermittelt werden, der Standard bietet auch die Chance die Qualität der Fertigung zu verbessern und damit den Anteil an Nacharbeiten erheblich zu reduzieren“.

Umati und dessen Nutzen für MaschinenanwenderInnen

Dennis Do-Khac von DMG MORI Digital fast die Vorteile in drei Punkten zusammen:

  1. Der Maschinenbetreiber kann durch den Standard-Charakter von umati seine Ausrüstung und Lieferanten nahezu uneingeschränkt frei wählen und eine umati-taugliche Connectivity erhalten.
  2. Es ist heute schon absehbar, dass AnwenderInnen bald, zusätzlich zu ihren Maschinen, auch Roboter und weitere Anlagenteile mit umati-Tauglichkeit ergänzen werden können.
  3. Ein Daten- und Zugriffsstandard wie umati bietet langfristig Potenzial. Denn neue Softwareprodukte und neue Software-LieferantInnen können dadurch früher und mit weniger Aufwand auf die Daten bestehender Fabrikausstattung zugreifen.

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Dennis Do-Khac, Product Development CNC, DMG MORI Digital GmbH

Akzeptanz und Sicherheit

Wie sieht es mit der Akzeptanz auf KundInnenseite aus? Diese wächst laut Dobai stetig und zeitgleich mit dem steigenden Bekanntheitsgrad von OPC UA. Für Do-Khac ist die Akzeptanz weitgehend eine Frage der Funktionalität: „Die Auswahl an Softwaresystemen und deren funktionale Tauglichkeit für die Bedarfe des Anwenders sind natürlich die ausschlaggebenden Faktoren“. Wohlfeld merkt an: „Für KundInnen, die gerade erst mit der Digitalisierung beginnen, ist der Vorteil eines Standards häufig noch nicht klar. AnwenderInnen, die schon sehr stark digitalisiert sind, fordern diesen Standard hingegen regelrecht ein“.

Kritikpunkte und Sicherheitsbedenken tauchen in den Diskursen um OPC UA immer wieder auf. Diesen ist das deutsche Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) in seiner „Sicherheitsanalyse OPC UA“ Anfang 2022 auf den Grund gegangen. Und zwar mit dem Vorsatz, die sicherheitstechnischen Bedenken zu überprüfen und daraus Handlungsempfehlungen für die OPC Foundation abzuleiten. Ergebnis: hinsichtlich der Sicherheitsfunktionen fand man keine konzeptionellen Schwachstellen. Allerdings zeigt die Analyse auf, dass viele Sicherheitsfunktionen noch nicht vollständig in vorhandenen Produkten integriert sind. „Die Umsetzung in den Produkten hinkt hier dem Standard stark hinterher oder setzt diesen nur teilweise um“, so das Fazit des BSI. Es liege also in der Verantwortung der HerstellerInnen, sich stärker mit Security-relevanten Funktionalitäten auseinanderzusetzen, sie zu implementieren und die AnwenderInnen besser zu informieren. Damit bleibt die Standardisierung ein Work in Progress.

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