Kollaborative Robotik : Cobots: Gut vermarktet, schlecht verwendet?
Kennen Sie das? Sie gehen an einer Imbissbude vorbei, auf deren Fensterscheiben Bilder von köstlich aussehenden Pizzen prangern. Mit frischem Mozzarella und Basilikum, wie direkt aus Italien. Obwohl Sie gar nicht wirklich hungrig sind, bekommen Sie Appetit, holen sich ein Stück Pizza – und bekommen ein labbriges Stück geschmacklosen Teiges mit Analogkäse. Was in diesem Fall ärgerlich ist, kann bei kollaborativen Robotern mit hohen unnötigen Kosten verbunden sein. Auch zulasten der Arbeitssicherheit. Ulrich Möller, der für Kassow Robots den Sales-Bereich in der DACH-Region managt, hat das Thema in seiner Robotik-Bubble angesprochen. Und löste damit eine Debatte über fehlgeleitetes Marketing aus.
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Cobot-Programmierung als vermeintliches Kinderspiel
Eigentlich sollen kollaborative Roboter das Unfallrisiko im Produktionsalltag reduzieren, erfüllen sie doch Aufgaben, die für Menschen riskant sein können. Etwa das sichere Führen von scharfen, spitzen oder heißen Werkstücken oder gefährlichen Schraubarbeiten. Dadurch geschehen, so der Grundgedanke, weniger Unfälle. Jedoch sollten deren Intelligenz und die Einfachheit ihrer Handhabung nicht überschätzt werden. „Ich sehe immer wieder Marketingmaterial, bei dem gezeigt wird, wie Kinder Roboter oder Cobots programmieren. Oder wo Roboter vor Anlagen stehen - ohne jegliche Sicherheitstechnik“, kritisiert Möller sogenanntes Hochglanz-Marketing, das übers Ziel hinausschießt. Dabei verteufelt er als Vertriebsmanager verkaufsfördernde Mittel nicht an sich. „Zu zeigen, dass zum Beispiel Cobots einfach zu programmieren sind, ist an sich ok. Aber im Gegensatz zum Food Bereich erwarten gerade auch Unternehmen, die neu einsteigen in die Robotiknutzung, dass die gesamte Realität dargestellt wird. Also Hinweise, dass man immer alles auf Sicherheit prüfen muss, dass Schnittstellen wichtig sind, wie die Materialzu- oder Abfuhr geregelt werden, dass die Dokumentation wichtig ist etc.“, so Möller weiter.
Wer die Leidtragenden sind
Natürlich, werden nun manche LeserInnen denken, haben Marketingmenschen andere Interessen als die KäuferInnen von Robotern. Doch zu dieser Diskrepanz gesellt sich noch eine weitere: Diejenigen, die die Geräte anschaffen, also etwa Produktionsleiter, sind meist nicht diejenigen, die sie verwenden. Bart Verhees ist technischer Trainer beim Münchner Schulungsunternehmen Grollmus und meint dazu: „Generell ist zu sagen, dass "man" gerne versucht den Bereich Safety zu umgehen“. Mit den Auswirkungen leben müssen allerdings die MitarbeiterInnen, die den Roboter in der täglichen Arbeit bedienen sollen. „Damit sind es dann die, die keine laute Stimme haben, die gezwungen werden die Sicherheit zu umgehen“, so Verhees weiter. „Der Chef bekommt etwas gezeigt, das zwar real aussieht, aber so nicht eingesetzt werden kann. Der Verkäufer hat sein Ziel erreicht und die Kunden sind nachher unzufrieden. Dementsprechend werden solche Anlagen dann oft schnell wieder demontiert“. Jascha Rohmann, CEO der Rohmann Automation GmbH, pflichtet Verhees bei: „Das ist der Grund warum in fast jeder Firma Cobots rumstehen, die keiner braucht. Nach und nach fliegen die überall wieder raus. Insbesondere kleine und mittelständige Unternehmen geraten oft in die Cobot-Falle“.
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Marketing per se nicht das Problem
„Es ist nun mal so, dass wir lieber kaufen, wenn es schöner und appetitlicher aussieht“, springt Markus Rimmele, Gründer des Digitalisierungsanbieters DigitalituM fürs Marketing in die Bresche. „Es darf ruhig ein bisschen provokativ oder überspitzt sein. Das darf man alles nicht so ernst sehen“, meint er. Zudem weiß Rimmele aus seiner aktuellen Tätigkeit in den USA, dass Marketing auch eine Kulurfrage ist. „Ich muss die Message an mein Zielpublikum und deren Kultur richten. Ein Vergleich: Der Deutsche oder Österreicher will es genau und präzise haben und jedes Einzelteil technisch beschrieben haben, während der Amerikaner denkt: Was redet der so viel, was ist drin für mich? Was bringt mir das Ding, wieso soll ich das kaufen?“. Aus zwei Perspektiven kann Deborah Lidauer auf die Thematik blicken. Sie ist Produkt Manager Automation bei ENGEL und hat zuvor drei Jahre beim Robotik-Spezialisten KUKA im Marketing gearbeitet. Sie bescheinigt dem Marketing im B2B-Bereich einen zu Unrecht schlechten Ruf: „Ich denke, das Marketing dürfte im B2B durchaus noch einen besseren Stellenwert bekommen. Vor allem durch die Brille einer Produktmanagerin kann ich sagen, dass Marketing oft unterschätzt wird. Es ist eine unglaublich wichtige Schnittstelle, die viel zur Wertschöpfung eines Produkterfolgs beiträgt.“
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"Der Chef bekommt etwas gezeigt, das zwar real aussieht, aber so nicht eingesetzt werden kann. Der Verkäufer hat sein Ziel erreicht und die Kunden sind nachher unzufrieden."
Bart Verhees, Grollmus
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"Marketing darf ruhig ein bisschen provokativ oder überspitzt sein. Das darf man alles nicht so ernst sehen."
Markus Rimmele, DigitalituM
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in fast jeder Firma Cobots rumstehen, die keiner braucht. Insbesondere kleine und mittelständige Unternehmen geraten oft in die Cobot-Falle."
Jascha Rohmann, Rohmann Automation
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"Marketing dürfte im B2B durchaus noch einen besseren Stellenwert bekommen."
Deborah Lidauer, ENGEL
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"Ich habe oft kollaborative Roboterprojekte angetroffen, die durch Industrieroboter ersetzt wurden."
Torben Specht, Geek+
Verantwortung von KäuferInnen und VerkäuferInnen
Zum Schluss schaltet sich noch Torben Specht in die Debatte ein, der als Europe Service Director beim AMR-Spezialisten Geek+ tätig ist. Seine Erfahrung in Anwenderbetrieben lässt Schlimmes erahnen: „In meiner Kawasaki-Zeit habe ich oft kollaborative Roboterprojekte angetroffen, die durch Industrieroboter ersetzt wurden, da das Thema reduzierte Taktung in der Marketingstrategie nie genauer thematisiert wurde“. Was aus der Diskussion zu lernen ist? Auch im B2B-Bereich gibt es Anbieter, die mehr Appetit machen als sie an Mehrwert für ein Unternehmen liefern können. Doch auch die Käuferseite darf sich nicht ihrer Verantwortung entziehen, zusätzliche Informationen einzuholen, wie Möller betont: „Der Kunde soll nicht Komponenten einfach kaufen und am Ende landen diese in der Ecke oder im Keller. Er soll vielmehr wissen: Ja, es kann alles einfach sein – aber es braucht auch Einarbeitungszeit und geht nicht auf einen Knopfdruck.“
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