After-Sales-Umfrage : ETT-Report: Wie es um das Geschäft mit Ersatzteilen steht

Sven Olof Schacht

Im Mai 2022 ging die bereits 7. Ersatzteiltagung von FACTORY und Fraunhofer Austria über die Bühne. Eine Umfrage unter den TeilnehmerInnen wirft nun mehr Licht auf die Branche. Hier im Bild: Sven Olof Schacht, After-Sales-Manager bei Claas Regional Center Central Europe, spricht über Remote Services.

- © WEKA/Matthias Heschl

Der After-Sales-Bereich ist gebeutelt von unsicheren Lieferketten - so weit, so nachvollziehbar. Umso wichtiger ist es, den Menschen hinter dem Ersatzteilgeschäft zuzuhören. Wer sie sind, wo sie stehen, wie sie die zukünftigen Entwicklungen einschätzen und auf welche Strategien sie setzen, hat eine Umfrage von FACTORY und Fraunhofer Austria eruiert. Dazu wurden die TeilnehmerInnen der Ersatzteiltagung (ETT) befragt, die als das Jahrestreffen der After Sales und Ersatzteil-LogistikexpertInnen der DACH-Region gilt. Die Ergebnisse zeigen: gerade bei den neuen Technologien liegen Wille und Realität - noch - weit auseinander.

Wer sind die TeilnehmerInnen?

An der Umfrage haben 49 Personen teilgenommen. Davon machen mit fast 50 Prozent die Maschinenbauer den größten Anteil aus, gefolgt von den Anlagenbauern, die zu etwa 15 Prozent vertreten sind. Die übrigen TeilnehmerInnen kommen überwiegend aus den Branchen Automobil bzw. Automobilzulieferer (acht Prozent), Transport- bzw. Logistikdienstleister (sechs Prozent), Softwaretechnik und Datenverarbeitung (sechs Prozent). Dabei fällt auf, dass große Unternehmen im KMU-Land Österreich überproportional vertreten sind: beinahe 80 Prozent der TeilnehmerInnen gehören Unternehmen an, die mehr als 50 Millionen Jahresumsatz zu verzeichnen haben, mehr als ein Viertel davon erwirtschaften sogar über 500 Millionen. Die Betriebe mit weniger als 50 Millionen Umsatz machen nur etwas mehr als 20 Prozent der TeilnehmerInnen aus. Ähnliches zeigt sich bei den MitarbeiterInnen: mehr als die Hälfte der TeilnehmerInnen arbeitet an einem Standort mit über 250 Beschäftigten.

Das war die Eratzteiltagung 2022

Big Data, Künstliche Intelligenz und Open Source – auf der Ersatzteiltagung waren das mehr als leere Stichworte.

In einer Zeit der gestörten Lieferketten und fehlenden Arbeitskräfte sind Digitalisierungsmaßnahmen nicht nur „nice to have“. Vielmehr werden Maschinenbauer, Logistikdienstleister und After Sales-Verantwortliche fast dazu gezwungen, sich digitale Lösungen zu suchen, bzw. diese selbst zu entwickeln. Beispiele aus der Praxis gab es dafür auf der 7. ETT, die das Team von FACTORY gemeinsam mit Fraunhofer Austria am 19. Mai veranstaltet hat. Mehr 100 BesucherInnen waren vor Ort und pflegten ihr Netzwerk. Und das in der eindrucksvollen Motohall von KTM.

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Mann scannt QR Code einer Umfrage
© WEKA Industrie Medien / Matthias Heschl

Umsatzanteil und Lieferservicegrad

Die Bedeutung des After Sales zeigt sich am deutlichsten an dessen Umsatzanteil am Gesamtumsatz eines Unternehmens. Bei der Hälfte der TeilnehmerInnen belief sich dieser Wert im letzten Geschäftsjahr auf 10-30 Prozent. Bei einem Fünftel der TeilnehmerInnen ist der Umsatzanteil niedriger als 10 Prozent, bei gut einem Sechstel von ihnen ist er höher als 30 Prozent. Der Lieferservicegrad zeigt die Lieferbereitschaft von Unternehmen an, die im besten Fall so hoch wie möglich ist. Hier haben die Coronakrise und die dadurch ausgelösten Lieferengpässe eine Zäsur ausgelöst. Weisten Anfang 2020 noch 34 Prozent der teilnehmenden Unternehmen einen Lieferservicegrad von mehr als 96 Prozent auf, schafften es Mitte 2022 nur noch 15 Prozent auf diesen Wert. Vor Corona wiesen nur fünf Prozent der teilnehmenden Unternehmen einen Lieferservicegrad von 80-84 Prozent auf. Zwei Jahre später geben 23 Prozent der Unternehmen einen solchen, wenig erfreulichen, Wert an.

Umsatzanteil des After Sales Bereichs am Gesamtumsatz des Unternehmens.

Unsicherheit in den Lieferketten: Maßnahmen und Prognosen

Um die Unsicherheiten in der Supply Chain auszugleichen, setzten die meisten (33) TeilnehmerInnen auf den Ausbau ihrer Lagerbestände. 26 von ihnen haben auch alternative Lieferanten erschlossen und zwölf investierten in Software zur besseren Planung. Weitere genannte Maßnahmen waren die Rückverlagerung von Fertigungs- bzw. Montageschritten und das Redesign von Produkten. Wann wird die Stabilität in den Lieferketten wieder mit der Zeit vor der Coronakrise vergleichbar sein? Die meisten UmfrageteilnehmerInnen (40 Prozent) rechnen mit einem Zeitraum von 2-3 Jahren. Knapp ein Viertel ist optimistischer und erwartet bereits in einem Jahr eine Stabilisierung. 18 Prozent schätzen, dass die Situation nachhaltig verändert bleibt und 13 Prozent nehmen an, dass wir noch mehr als fünf Jahre mit unsicheren Lieferketten leben müssen.

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Welchen Zeitraum, schätzen Sie, wird es in Anspruch nehmen, bis eine ähnliche Stabilität wie zu Beginn des Jahres 2020 in Ihren Lieferketten wiederhergestellt ist?

Der Wille zu mehr Automatisierung und KI

Um besser auf die Ersatzteilbedarfe von KundInnen eingehen zu können, gibt es mittlerweile Prognosetools, die mit künstlicher Intelligenz (KI) ausgestattet sind. Nur acht TeilnehmerInnen gaben aber an, bereits derartige Werkzeuge zu verwenden. Immerhin 30 Teilnehmende arbeiten laut eigenen Angaben mit Prognosetools, die auf Standardalgorithmen beruhen. 25 TeilnehmerInnen bauen noch immer auf Erfahrungswissen und 22 setzen auf manuelle Berechnungen. Doch die Tendenz zeigt klar in Richtung KI: 22 TeilnemerInnen möchten in den nächsten fünf Jahren ein KI-gestütztes Prognosetool einführen. Zugleich wollen sich in Zukunft weniger TeilnehmerInnen (7) auf einzelne ExpertInnen verlassen.

Um optimale Bestelllosgrößen zu ermitteln, können automatische statische oder dynamische Verfahren angewendet werden. Die meisten TeilnehmerInnen setzen aber auch hier auf die Erfahrungswerte von MitarbeiterInnen oder berechnen die Bestelllosgrößen manuell. Elf TeilnehmerInnen wenden gar keine Bestelllosgrößenverfahren an. Nur 20 TeilnehmerInnen berücksichtigen bei der Ermittlung von optimalen Bestelllosgrößen auch die Kosten, sofern sie überhaupt solche Verfahren anwenden.

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Welche Daten erfasst werden

Beim Stichwort Datenerfassung gestehen zwei UmfrageteilnehmerInnen, dass sie generell noch keine technischen Daten erfassen. Abgesehen davon sind das Gewicht, die Abmessungen, der Werkstoff, sowie technische Zeichnungen die am häufigsten erfassten Daten von fremdgefertigten Ersatzteilen in den ERP-System der teilnehmenden Firmen.

Letztere Umfrageergebnisse sind ein Signal, dass das Ersatzteilgeschäft in Sachen KI und Big Data noch viel Ausbaupotenzial birgt. Alexander Schmid von Fraunhofer Austria hatte dazu auf der ETT 2022 gemeinsam mit Volker Baier vom Landtechniker Pöttinger einen Vortrag geliefert. Dabei stellten sie mit dem „Shopping Trolley Eagle“ ein Tool vor, das mittels künstlicher Intelligenz Verkaufsdaten und Kundenbestellverhalten analysiert. Die Ergebnisse sprechen dafür, dass auf der nächsten Ersatzteiltagung solcherlei Maßnahmen wieder zum Thema werden.