Interview : „Ich halte an internationalen Wertschöpfungsnetzwerken fest“

Michael Henke

Michael Henke ist unter anderem Institutsleiter am Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML. Auf der Ersatzteiltagung spricht er über zukünftige Trends in der Ersatzteillogistik.

- © Fraunhofer

***Michael Henke hält auf der Ersatzteiltagung (ETT) am 19. Mai den Vortrag "Smarte Ersatzlogistik und After Sales – Auswirkungen von Technologietrends und Open Source auf industrielle Dienstleistungen in Wertschöpfungsnetzwerken".

Wer ihn live erleben möchte, kann sich hier anmelden: ETT 2022.***

FACTORY: Wie schwer ist es, dieser Tage Prognosen zu treffen?


Michael Henke: Darauf habe ich zwei Antworten: Einerseits ist es natürlich wahnsinnig schwer, beispielsweise die Entwicklung der Corona-Pandemie oder des Ukraine-Kriegs vorherzusagen. Bei all den Möglichkeiten, die wir aus der Wissenschaft etwa durch Data Analytics haben, bleibt uns die Zukunft verschlossen. Die zweite Perspektive ist die, dass wir hier am Wissenschaftsstandort in Dortmund versuchen, die Zukunft aktiv zu gestalten. Durch unsere technologischen Entwicklungen im Supply Chain Management können wir ein Stückweit den Weg in die Zukunft aufzeigen.

Werden hohe Energie- und Rohstoffpreise „automatisch“ zu mehr Digitalisierung in der Logistik führen oder schrecken Unternehmen gerade vor weiteren Investitionen zurück?


Das ist eine noch nicht ganz geklärte Frage. Ich würde aber sagen: es ist, gerade in Wertschöpfungsnetzwerken, die mangelnde Transparent, die Unsicherheiten verstärkt. Und diese Transparenz kann durch Technologien, wie beispielsweise die Block Chain Technologie, geschaffen werden. Deshalb wird in den Krisen, wie wir sie gerade sehen, die Auseinandersetzung mit solchen Technologien weiter zunehmen.

Ist nicht die Block Chain Technologie ein großer Energiefresser?

Natürlich ist sie im Verruf, wahnsinnig viel Energie zu verbrauchen. Das stimmt allerdings nicht, wenn man sie in wesentlichen Kontexten einsetzt. Wenn die Energiekosten steigen, dann mag das ein Argument gegen die Nutzung dieser Technologie sein. Deswegen bin ich in dieser Sache noch unentschieden.

Sollen europäische Unternehmen ihre Ersatzteillager vergrößern?

Es könnte sein, dass Betriebe wieder mehr Ersatzteile auf Lager nehmen. Vielleicht werden sie sogar die Vorproduktion der Ersatzteile wieder näher an den Produktionsstandort verlagern, um die Lieferketten zu verkürzen. Ich persönlich muss gestehen, dass mich das nicht wirklich überzeugt. Ich glaube, dass die Vorteile von internationalen Wertschöpfungsnetzwerken und Arbeitsteilung im Moment noch auf jeden Fall die Nachteile überwiegen, die wir durch die Pandemie und den Ukraine-Krieg sehen. Aber das ist natürlich abhängig von der Dauer dieser Krisen. Für den Moment halte ich an internationalen Wertschöpfungsnetzwerken fest.

Ukrainekrieg verschärft Lieferproblematik

Würden Sie sich trauen, eine Zahl zu nennen? Also wie lange muss es dauern, bis die Nachteile überwiegen?

Schwierig zu sagen. Ich möchte aber daran erinnern, dass wir mit 3D-Druck-Technologie die Möglichkeit haben, Ersatzteile relativ schnell auszudrucken. Da muss ich mir die Ersatzteile nicht auf Lager nehmen, sondern druche sie einfach aus. Und die Gütekriterien von 3D-Druck sind ja in letzter Zeit immer besser geworden. Daher glaube ich nicht, dass wir in sechs Monaten schon das Ende der Fahnenstange erreicht haben.

Gibt es außer der Lieferproblematik und den Folgen der Ukraine-Krise noch weitere Themen, die Firmen beachten sollten?

Für ein wichtiges Thema halte ich zum Beispiel die Plattform-Ökonomie. Insbesondere auch kleinere Unternehmen, die ja im Ersatzteilgeschäft durchaus erfolgreich unterwegs sind, können von der Vernetzung über Plattformen profitieren. Aus den USA und China gibt es eine Entwicklung hin zu holistischen Plattformen – etwa Amazon oder Alibaba aus dem privaten Consumer-Bereich. Dem setzen wir in Dortmund eine föderale Plattform dagegen, die nicht monopolistisch ist, sondern frei für alle möglichen Anbieter. Diese kann eine gute Basis für das zukünftige erfolgreiche Geschäft der Ersatzteillogistik sein.

Ohne zu viel zu verraten: Können Sie uns noch einen kleinen Spoiler auf Ihren Vortrag geben?

Was ich am Ende gerne zur Diskussion stelle, ist, ob man auch in der Ersatzteillogistik in Zukunft mehr mit Open Source arbeitet. Ich finde es einen interessanten Ansatz – es braucht ja auch in der Logistik nicht jeder das Rad neu erfinden.

Es könnte sein, dass Betriebe wieder mehr Ersatzteile auf Lager nehmen oder deren Vorproduktion wieder näher an den Produktionsstandort verlagern. Mich persönlich überzeugt das jedoch nicht.
Michael Henke

Sollen europäische Unternehmen ihre Ersatzteillager vergrößern?

Es könnte sein, dass Betriebe wieder mehr Ersatzteile auf Lager nehmen. Vielleicht werden sie sogar die Vorproduktion der Ersatzteile wieder näher an den Produktionsstandort verlagern, um die Lieferketten zu verkürzen. Ich persönlich muss gestehen, dass mich das nicht wirklich überzeugt. Ich glaube, dass die Vorteile von internationalen Wertschöpfungsnetzwerken und Arbeitsteilung im Moment noch auf jeden Fall die Nachteile überwiegen, die wir durch die Pandemie und den Ukraine-Krieg sehen. Aber das ist natürlich abhängig von der Dauer dieser Krisen. Für den Moment halte ich an internationalen Wertschöpfungsnetzwerken fest.

Würden Sie sich trauen, eine Zahl zu nennen? Also wie lange muss es dauern, bis die Nachteile überwiegen?

Schwierig zu sagen. Ich möchte aber daran erinnern, dass wir mit 3D-Druck-Technologie die Möglichkeit haben, Ersatzteile relativ schnell auszudrucken. Da muss ich mir die Ersatzteile nicht auf Lager nehmen, sondern druche sie einfach aus. Und die Gütekriterien von 3D-Druck sind ja in letzter Zeit immer besser geworden. Daher glaube ich nicht, dass wir in sechs Monaten schon das Ende der Fahnenstange erreicht haben.

Gibt es außer der Lieferproblematik und den Folgen der Ukraine-Krise noch weitere Themen, die Firmen beachten sollten?

Für ein wichtiges Thema halte ich zum Beispiel die Plattform-Ökonomie. Insbesondere auch kleinere Unternehmen, die ja im Ersatzteilgeschäft durchaus erfolgreich unterwegs sind, können von der Vernetzung über Plattformen profitieren. Aus den USA und China gibt es eine Entwicklung hin zu holistischen Plattformen – etwa Amazon oder Alibaba aus dem privaten Consumer-Bereich. Dem setzen wir in Dortmund eine föderale Plattform dagegen, die nicht monopolistisch ist, sondern frei für alle möglichen Anbieter. Diese kann eine gute Basis für das zukünftige erfolgreiche Geschäft der Ersatzteillogistik sein.

Ohne zu viel zu verraten: Können Sie uns noch einen kleinen Spoiler auf Ihren Vortrag geben?

Was ich am Ende gerne zur Diskussion stelle, ist, ob man auch in der Ersatzteillogistik in Zukunft mehr mit Open Source arbeitet. Ich finde es einen interessanten Ansatz – es braucht ja auch in der Logistik nicht jeder das Rad neu erfinden.

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