Eventbericht : Das war die Instandhaltungskonferenz 2022
Planungssicherheit trotz Lieferschwierigkeiten, Fachkräftemangel und hohe Energiekosten - dafür nehmen Instandhaltungsverantwortliche tagtäglich enorme Anstrengungen auf sich. Um sich an diesen Herausforderungen nicht die Zähne auszubeißen, ist der Austausch mit anderen und das Informieren über die eigenen Möglichkeiten umso wichtiger. Die Instandhaltungskonferenz am 12. September in der voestalpine Stahlwelt bot auch dieses Jahr wieder einen optimalen Rahmen dafür. Rund 150 TeilnehmerInnen, 12 Vorträge und 17 AusstellerInnen machten sie zu einem unverzichtbaren Event.
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Eine Maschine lügt nicht, sie gibt immer die Antwort, nach der Sie sie fragen.Christian Deutsch, Wiener Linien
Neue Technologien ohne großen Knall
Mit Christian Deutsch machte ein innovationsgetriebener Redner den Anfang, der seit Beginn seiner Tätigkeit bei den Wiener Linien einige technische Neuerungen auf den Weg gebracht hat. Deutsch ist seit 2016 Hauptabteilungsleiter und somit für den kompletten Lebenszyklus aller Fahrzeuge der Wiener Linien verantwortlich. „Es gibt keinen Big Bang, man muss sich langsam an Veränderungen herantasten“, meinte er einsichtig, dennoch machte er her den Eindruck eines Gasgebers als eines Bremsers. Die weitläufigste seiner Änderungen ist die selbstprogrammierte, webbasierte WLF5-Plattformfür die alle F5-Instandhaltungs-Softwaretools, auf die alle seiner MitarbeiterInnen Zugriff haben. Damit schaffte er durchgängige Prozesse und Standards für die Planung und Dokumentation. Informationen können damit leichter verteilt werden, wodurch das Wissen sich nicht mehr bei einzelnen Personen staut. Zudem wird noch Papier gespart. Ebenfalls inhouse programmiert wurde ein Rädermanagementsystem, das Vorschläge für die optimierte Räderinstandhaltung liefert. Mit VR und AR, sowie dem Einsatz von Exoskeletten hat Deutsch einen zusätzlichen Versuch gestartet, die Arbeit der TechnikerInnen im Einsatz zu erleichtern. „Eine Maschine lügt nicht, sie gibt immer die Antwort, nach der Sie sie fragen“, gab sich Deutsch von seinem Weg der Automatisierung und Digitalisierung überzeugt.
Technik können wir alle. Jetzt muss sich die Instandhaltung um ihr Marketing innerhalb der Firma kümmern.Josef Mohné
Das Image der Instandhaltung verbessern
Der Zweite auf der Vortragsbühne war Josef Mohné – einer, bei dem die Bezeichnung Urgestein nach mehr als vierzig Jahren in der Instandhaltung durchaus berechtigt scheint. In der Produktion des Chemieunternehmens Grace Silica, in dem er als sogenannter Gate Keeper beschäftigt ist, gebe es aufgrund der Branchenspezifika einen großen Verschleiß. Seit kurzem ist dort ein Inspektionsroboter im Einsatz. „Technik können wir alle“, lautete sein Anfangsstatement in Richtung Publikum. Jetzt müsse die Instandhaltung aber am eigenen Image innerhalb der Firmen arbeiten – und dazu sei es ratsam, betriebswirtschaftliche Argumente zu bemühen. In dem Sinn handelte Mohnés Vortrag vorrangig von „Asset Management zur Steigerung des Deckungsbeitrages“, wie der Titel schon verriet. Warum er das für so wesentlich hält? Asset Management sei immer ein Stiefkind gewesen, doch im Sinne einer langfristigen Betrachtung riet Mohné, diesen Bereich nach vorne zu bringen. „Wo verlieren wir Geld?“, ist für ihn eine der zentralen Fragen, die sich nur mit einer breiten Einholung von Daten aus verschiedenen Stellen im Betrieb beantworten lasse.
Kein heiliger Grahl: Predictive Maintenance
Andreas Dankl, Andreas Dankl, Geschäftsführer des Mitveranstalters dankl+partner consulting | MCPDeutschland GmbH, und Leiter des Branchennetzwerks MFA (Maintenance and Facility Management Society of Austria), legte in seinem Vortrag seine ehrliche Einschätzung über Predictive Maintenance dar. „Ist Predictive Maintenance der Hebel, der den Unterschied macht?“, stellte er eine rhetorische Eingangsfrage. Das Image der vorausschauenden Wartung sei – vor allem in höheren Managementebenen – ein sehr gutes. „PdM ist zurzeit modern, sie soll Instandhaltung ‚sexy‘ für neue Fachkräfte machen“, merkte Dankl kritisch an. Anstatt diese Methode als die einzig wahre zu propagieren, sprach er sich für einen Mix an Methoden aus, die zum jeweiligen Unternehmen passt. Die Richtung aber sei klar: von der zustandsorientierten solle die Entwicklung immer weiter zur Prädiktiven Instandhaltung gehen. Denn mit dem Blick in die Zukunft einer Anlage können Reparaturen, die schließlich der teuerste Aspekt einer Instandhaltungsstrategie sind, reduziert werden. „Je weiter wir von der korrektiven Instandhaltung wegkommen, desto eher verhindern oder verkürzen wir Stillstandzeiten“, argumentierte Dankl.
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Transparenz heißt, dass alle alles sehen.Ruben Mörth
Daten für (un-)liebsame Einsichten
„Wie geil wäre es…“, starteten Ruben Mörth, Process Mining Analyst bei der Wien Energie, und Katharina Mertens-Schell vom Consultingunternehmen BDO ihre Doppelconférence, „wenn die Instandhaltung nicht nur als Kostenverursacher gesehen würde?“. In Form eines Hype Cycles gingen die beiden die Entwicklungsschritte durch, die man bei der Wien Energie mit der Einführung der Process Mining-Software Celonis gegangen ist. Process Mining ist als eine Technologie zu verstehen, mit der Geschäftsprozesse systematische analysiert und ausgewertet werden können. Die Ziele, sich Mörth mit dem 2019 implementierten Projekt gesetzt hatte, lauteten: Prozessverbesserung und Standardisierung. Doch zunächst mussten, wie er gestand, die überzogenen Erwartungen auf Seiten der Wien Energie überwunden werden. Letztendlich führte die Implementierung doch zu einigen Learnings – zum Beispiel jenem, dass Transparenz ein Fluch und Segen zugleich sein kann, denn: „Transparenz heißt, dass alle alles sehen. Dadurch sieht man, wo die Ineffizienzen versteckt sind“. Trotz der Ups and Downs, die die Einführung von Celonis, wie jede neue Technologie, mit sich brachte, solle sie langfristig gesehen zum fixen Bestandteil von Change- und Standardisierungsprozessen bei der Wien Energie werden.
Smart Maintenance und künstliche Intelligenz
„Schluss machen mit unnötigen Prozesskosten“, diese Message wollte Stefan Roth, Customer Solutions Manager bei DEXIS Steyr-Werner, mit seinem Vortrag über Smart Maintenance transportieren. Darin wies er auf die Angebote seiner Firma hin, um die Gesamtkosten in der Supply Chain reduzieren und die Versorgungssicherheit zu maximieren. "Die neue DEXIS Ausgabeautomaten Linie lässt sich individuell konfigurieren, nach Ihren Anforderungen personalisieren und bietet Auswertungen per Klick“, plädierte er für mehr Automatisierung in der Instandhaltung.
Dass auch künstliche Intelligenz bei der Beschleunigung von Instandhaltungstätigkeiten helfen kann, regte Philipp Descovich, CEO von Partium an. Er erläuterte, wie bei der Deutschen Bahn Durch den Einsatz von KI-gestützter Bilderkennung die durchschnittliche Suchzeit nach Ersatzteilen auf 20 Sekunden reduziert wurde. Bei der Größe des Unternehmens – in 17 Werken sind jeweils 200 bis 350 TechnikerInnen in der Instandhaltung beschäftigt – werden damit pro Jahr 8.400 Personentage eingespart. Laut Descovich könne man heute bereits von einer semantischen KI sprechen, die Dinge versteht. Von künstlicher Intelligenz, wie man sie aus Science Fiction-Filmen kennt, seien wir aber noch ein Stück weit entfernt: „Da geht es dann nicht mehr um ein bisschen mehr Rechenleistung, da muss noch mehr passieren“, schließt er.
Die Planbarkeit ist heute nicht so, wie wir sie gerne hätten.Reinhold Lauß, voestalpine.
Der umgekehrte Prozess
Von der voestalpine Stahl GmbH betraten nach der Mittagspause zwei Vortragende die Bühne, die ihr Outfit – Jeans, weißes T-Shirt, graues Sakko und weiße Schuhe – zu Wiedererkennungszwecken aufeinander abgestimmt hatten: Christian Haider, Prozessverantwortlicher für den Fachbereich Sensorik, Klima- und Brandmeldeanlagen und Reinhold Lauß, Leiter des Fachbereichs Anlagenengineering Warm- und Kaltbad und Sprecher des Kompetenznetzwerks Reverse Engineering. Doch in Erinnerung blieb ihr Vortrag nicht nur wegen ihrer Aufmachung, sondern wegen der spannenden Thematik „Reverse Engineering und 3D-Vermessung“. Reverse Engineering bezeichnet einen umgekehrten Prozess, ausgehend vom bestehenden Bauteil hin zur Dokumentation und Optimierung des Bauteils. Und dieser spielt laut Lauß eine immer größere Rolle, solle er doch bei den heutigen Unsicherheiten in den Lieferketten mehr Planbarkeit schaffen. Denn anstatt von LieferantInnen abhängig zu sein, könne man benötigte Teile damit selbst herstellen und an aktuelle Standards anpassen. Haider stellt mit seinem Input klar, worin das größte Potenzial der 3D-Vermessung liegt: „Wir können etwa Verschleiß-Monitoring betreiben, aber auch Bestandsaufnahmen bei Erweiterungen und Umbauten machen“.
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Ein Sandwich für die Akzeptanz
Mit der Lenzing AG war ein weiterer gewichtiger oberösterreichischer Konzern auf der Konferenz vertreten – und zwar in Gestalt dessen Vice Presidents Marco Schlimpert. Gemeinsam mit dem Unternehmer und Branchenkenner Conor Troy sprach er darüber, wie in seinem Unternehmen die Effizienz der Instandhaltung durch Change Management erhöht werden konnte. Dies war laut Schlimpert notwendig, um mit dem Marktwachstum mithalten zu können, das nach dem Krisenjahr 2020 wieder rasant anstieg. Der Prozess durchlief die Phasen Transparenz – Effizienz – Effektivität, wodurch 24 Verbesserungsstrategien herausgearbeitet werden konnten. „Die Schizophrenie der Instandhaltung muss aufhören“, ließ Troy aufhorchen. Demensprechend zog man bei Lenzing eine Trennlinie zwischen Asset Management und Instandhaltungsmanagement und schärfte das Profil des Maintenance Managers. Bei allem Wandel strich Schlimpert hervor, wie wichtig es sei, dafür auf allen Ebenen Unterstützung einzuholn. In diesem Sinne plädierte er für die Sandwich-Methode, als eine Kombination des Bottom-Up- und des Top-Down-Ansatzes.
Ein Doppel gegen Ungeduld
Eine ungewöhnliche Keynote lieferten die beiden ehemaligen Tennisprofis Lars Übel und Tobias Dankl, der heute bei dankl+partner consulting | MCP Deutschland GmbH für die Unternehmenskommunikation zuständig ist. Mit Übel holte er sich einen Topcoach auf die Bühne, der 2020 mit dem Trainer Award des Deutschen Tennis Bundes ausgezeichnet wurde. Eine Parallele zwischen Instandhaltung und Profisport ist laut ihm die Geduld, die man dafür aufbringen muss, denn: „Erfolge stellen sich oft nicht so schnell ein, wie viele gerne hätten“. Zudem sei es wichtig, nicht an den falschen Stellen zu sparen. Wer lieber in das schnelle Glück und in seine Außenwirkung investiert, in Übels Beispiel an einer Rolex demonstriert, verprasst damit womöglich das Budget für einen Physiotherapeuten. Die Message des Vortrages war also: langfristiges Denken und Maßnahmen für einen gesunden Körper bzw. intakte Maschinen sind Trumpf.
Der Mensch im Zentrum
Als letzten Programmpunkt konnten TeilnehmerInnen aus drei möglichen Breakout-Sessions zwei für sich wählen und teilten sich dafür in kleinere Gruppen auf. Bei Jutta Isopp, der Geschäftsführerin von Messfeld, informierten sich die BesucherInnen über ihr Spezialgebiet „Condition Monitoring as a Service“. Reinhard Korb von MPC Deutschland referierte zum Thema „Qualifikationsmatrix in der Instandhaltung“ und diskutierte verschiedene erprobte Vorgehensweisen. Mit der „Vision der Instandhaltungsfreien Fabrik“ präsentierte Klaudia Kovacs, Gruppenleiterin im Geschäftsbereich Fabrikplanung und Produktionsmanagement bei Fraunhofer Austria, ein Konzept zur menschzentrierten Systemgestaltung. Die Resonanz auf diese Sessions war so groß, dass die BesucherInnen nur schwer mit Bier und Brezen aus den Seminarräumen zu locken waren.
Wenn sich die vielen Inhalte der Instandhaltungskonferenz auf ein Resümee verkürzen lassen, dann auf dieses: Obwohl Instandhaltung von Natur aus ein hoch technisches Gebiet ist, rücken doch der Mensch, die Organisation und die Umwelt immer mehr in deren Fokus.