Interview : Franka Emika-CEO: „Das Connecten des Roboters soll zum Vorteil werden“
FACTORY: Sie sind dieses Jahr mit dem neuen FRANKA Production 3 auf den wichtigsten Messen aufgetreten. Was ist neu an dem System?
Pfaff: Unsere Idee war, einen taktilen Roboter zu machen. Heraus kam der FP3 mit drei Kilo Traglast und 833 mm Reichweite. Mit einer hohen Sensitivität, einer genauen Kraftmessung und der Fähigkeit, Kräfte in Prozesse einzubringen.
Können Sie Use Cases nennen, wo diese Fähigkeit gebraucht wird?
Pfaff: Mögliche Use Cases liegen dort vor, wo montiert und getestet wird und wo man Kräfte in einen Prozess bringen muss: beim Stecken, beim Touchen – überall, wo man den Roboter nicht positionsgeregelt fahren kann. Auch wenn manche meinen, sie machen das alles mit Vision.
Was spricht dagegen?
Pfaff: Vision bringt einem nur 2D-Informationen. Wenn ich etwas wo absetze, kann es aber passieren, dass ich nicht weiß, wie weit ich davon entfernt bin. Wenn es keine 3D-Vision ist, dann mache ich mein Bauteil beim Ablegen kaputt, weil ich etwa drei Millimeter zu weit nach unten gefahren bin. Wenn ich hingegen einen Tastsinn habe, fühle ich, wo ich das Teil ablegen muss und kann es dann vorsichtig loslassen.
Schlägt sich die Feinfühligkeit auch im Preis nieder? Das würde ja die Schwelle zur Automatisierung erhöhen.
Mahler: Eher im Gegenteil: preislich halten wir mit den anderen mit, obwohl wir mehr können. Die Idee ist außerdem eher, dass wir dieselben Kunden ansprechen, die heute schon in der Automatisierung sind – vom Mittelständler bis zu großen Industriellen. Und zwar mit neuen Anwendungsbereichen, die mit den herkömmlichen Robotern nicht umsetzbar sind.
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Und wie wollen Sie damit eine breite Nutzung erreichen?
Mahler: Durch unsere Architektur, über die Sie auf Apps zugreifen können, wird das System sehr leicht und intuitiv nutzbar. Ich zum Beispiel kann keinen Roboter programmieren, aber trotzdem kann ich mit unserem System innerhalb von Minuten einen industriellen Task aufsetzen. Wir kennen Apps und Plattformen schon seit vielen Jahren aus dem Consumer-Bereich. Nun ist es Zeit, dass wir auch in der Produktion diese leichtere Zugänglichkeit und Nutzbarkeit zu ermöglichen. Deswegen haben wir das Ganze auch jetzt TÜV-zertifizieren lassen, damit wir eine offizielle Eintrittskarte für die breitere industrielle Nutzung haben.
Ist Ihr System damit eigentlich das sicherste am Markt?
Mahler: Zumindest ist es das Einzige, das für seine Taktilität und diesen Anwendungsbereich eine Zertifizierung hat.
Herr Pfaff, wieviel hat sich von der Hardware im Vergleich zum Vorgängermodell verändert?
Pfaff: Vorher war die Elektronik und auch die Steuerung nicht dafür ausgelegt, der ISO 10218 oder der ISO 13849 zu folgen. Deswegen wurde die Elektronik komplett überarbeitet. Aber ansonsten ist die Hardware noch die gleiche. Denn die ist ja unser USP – nicht nur von dem Produkt, sondern von der gesamten Firma. Sie beruht auf einer hoch performanten dreistufigen Regelung, die über verschiedene Regelkreise mit extrem geringen Reibungen in den Gelenken die Sensitivität des Systems definiert.
Das Anbringen von Vision-Sensorik sehen wir als ergänzende Technologie zur Taktilität.Alwin Mahler, CEO
Manche User kennen vielleicht das Problem der selbstsperrenden Achsen. Gibt es bei Ihrem neuen System dafür eine Lösung?
Jede Achse hat ja einen Rotationsbereich von plus minus ein paar Grad. Wenn man dort hinfährt, dann kommt man in eine Achsbegrenzung. Beim neuen System wird diese Achsbegrenzung sicher überwacht und dafür gesorgt, dass man da nie reinfahren kann. Der Roboter wird davor abgebremst und fährt dann außen herum. Wenn ich ihn über FCI (Fast Communication Interface) verwende, das Forscher oft benutzen, dann kann es schon sein, dass man den Roboter bis an die Grenze von jeder Achse fährt und dann eben genau das passiert. Generell wird aber allein schon aus Gründen der Sicherheit die Achse davor angehalten, weil sie sonst kaputt gehen könnte. Deswegen sollte es keine selbstsperrenden Achsen geben.
Kann man auch externe Sensoren anbringen?
Pfaff: Ja klar. Unser Partner TQ hat zum Beispiel einen externen Aktuator, einen Schrauber mit einem Sensor darin, angeschlossen und durch eine App einfach in unseren Workflow eingebunden. Theoretisch kann aber jeder eine App schreiben, wenn die Kamera sinnvolle Interfaces bringt, und dadurch Vision-Sensorik auf dem System anbringen.
Mahler: Dies ist als ergänzende Technologie zur Taktilität zu verstehen. Wenn ich schnell irgendwo hinfahren will um etwas zu greifen, dann schaue ich auch als Mensch vorher nach, wo etwas liegt. Bei anderen Prozessen aber brauche ich dann wieder die Sensibilität.
Herr Mahler, wieviel nehmen Sie von Ihrer langjährigen Erfahrung bei Google zu Franka Emika mit?
Mahler: Da ich aus dem Plattform-Bereich komme, ist mein Hintergrund das reine Digitalgeschäft. Ich habe 15 Jahre lang im Consumer-Umfeld miterleben dürfen, wie die Anwendung immer breiter wurde. Und nun finde ich es spannend, dafür auch im industriellen Bereich die Weichen zu stellen.
Wie weit sind Ihre Roboter miteinander vernetzt?
Mahler: Wir haben eine Software-Plattform, über die wir Softwareupdates direkt ausliefern. Darüber vertreiben wir auch Apps und bieten einen App Marketplace für Partner, wo jeder seine eigenen Apps schreiben und in den Store bringen kann. Und deswegen sind die Roboter connected. Es fehlt nur noch der Schritt die Daten auszutauschen.
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Wir mussten das ursprüngliche Designdenken in ein agileres Denken überführen.Patrick Pfaff, CTO
Wie präsent ist da die Sorge der AnwenderInnen um ihre Daten?
Mahler: Fangen wir beim Positiven an. Wenn die Roboter in der Lage sind, sich über eine Plattform Aufgaben gegenseitig beizubringen, bedeutet das, dass dort sehr viel Wissen für alle Beteiligten verfügbar ist. Das ist ja die Idee der Plattformen. Bei uns kann jeder, der Apps entwickelt, diese auf unsere Plattform stellen und wir können sie mitvermarkten. Damit wollen wir irgendwann auf tausende Apps zu kommen, sodass Sie jegliche Anwendungen, die es irgendwo gibt, auf Knopfdruck machen können.
Und was sagen Sie zu der Sorge, dass dadurch jemand anderer ungewollt Zugriff bekommt?
Mahler: Diese Sorge ist da und das verstehe ich total. Hier gilt immer Security by Design, also je nachdem, was Sie wollen. Wenn Sie nicht sicher sind, ob Sie sich mit dem System connecten wollen, dann laden Sie am Anfang die Apps herunter, gehen dann einfach offline und nutzen die Apps nur für sich. Dann geht nichts raus.
Widerspricht das dann nicht dem Gedanken der Plattformökonomie?
Mahler: Wir wollen in ein Stadium kommen, wo es für Sie als Nutzer vorteilhaft ist, dass Sie connected sind.Deswegen ist mir wichtig darüber aufzuklären, dass da keine sensiblen Daten rausgehen. Unsere Verschlüsselungstechniken erlauben nicht einmal uns, dass wir sie nachvollziehen können.
Welchen Vorteil soll die Vernetzung den NutzerInnen bringen?
Mahler: Ein Beispiel ist etwa eine Diagnose-App. Wenn irgendwo ein Problem aufgetreten ist, dann können wir natürlich anders reinschauen, wenn wir uns mit dem Arm beim Anwender verbinden können. Das heißt, Sie als Nutzer haben es dann noch einfacher und intuitiver und es sind noch weniger Fachkenntnisse notwendig.
Und woran erkennt man Ihre Handschrift nach eineinhalb Jahren als CTO bei Franka Emika, Herr Pfaff?
Pfaff: Franka Emika ist schon seit Jahren technologisch ein Benchmark im Bereich der Cobots und taktilen Roboter. Aber was gefehlt hat, ist, sie zum industriellen Produkt zu machen. Da ging es auch lange Zeit nicht vorwärts. Wir mussten das ursprüngliche Designdenken, das damals den Panda Roboter auf die Welt gebracht hat, in ein agileres Denken überführen. Mit dem Grundsatz: so viel Prozess wie nötig und so wenig wie möglich. Mir war also wichtig, dass wir einerseits die Kreativität behalten, aber andererseits ausreichend Prozesse installieren, um dann auch ein Zertifikat zu bekommen – und um ein Industrieroboterhersteller zu werden.
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Wir wollen in ein Stadium kommen, in dem es für NutzerInnen vorteilhaft ist, dass sie connected sind.
Alwin Mahler, CEO
Sie waren ja vorher bei KUKA. Ist es da auch schon so digital zugegangen?
Pfaff: Es ging da auch schon sehr digital zu. Ich war dort eine Zeitlang verantwortlich für den Bereich, der KUKA Connect entwickelt hat. Ich möchte aber nicht nur auf einen Hersteller eingehen, sondern generell auf die etablierte Robotik-Industrie. Was unser großer Vorteil ist: Wir fangen mit unserem Eintritt in das industrielle Business sozusagen auf einem Greenfield an. Und die etablierten Hersteller haben ein gewisses Erbe mitzutragen. Wenn sie anfangen, ein Ecosystem aufzubauen und alles kostenlos anzubieten, dann können sie nicht von heute auf morgen Geld dafür verlangen. Wir hingegen haben die Gunst des Spätgeborenen, weil wir von vornherein mit einem Plattform-Businessmodell angefangen haben.
Wie sieht dieses Modell im Konkreten aus?
Es gibt ein Package, das 25.000 Euro kostet. Da ist alles dabei, was sie brauchen, also ein Grundstock an Basic Apps, mit dem Sie schon alles Wichtige machen können. Zusätzlich dazu bieten wir Special Apps, für die unsere KundInnen bereit sind zu zahlen. Die Umsätze daraus werden zwischen den drei Parteien – dem Entwickler der App, dem Plattform-Host, das sind wir, und unserem Partner, der sie verkauft – geteilt.
Eine visionäre Frage zum Abschluss: Wie weit können Roboter den Menschen ersetzen? Wo ist die Grenze? Oder wo soll auch rein moralisch eine Grenze gesetzt werden?
Mahler: Ersetzen ist für mich nicht das richtige Wort. Ich sehe stattdessen die Kollaboration. Der Mensch wird entlastet, indem ihm Roboter dabei hilft, stupide Arbeiten zu erfüllen. Der Mensch nutzt den Roboter für sich. Und dadurch kann – angesichts des Fachkräftemangels –die Produktion lokal erhalten werden. Der Mensch wird immer die Kontrolle über die Roboter behalten, da sehe ich keine Bedenken.
Pfaff: Ich finde außerdem, wir sollten das Thema Kollaboration sauberer definieren. Für mich bedeutet sie nicht, dass ich dem Roboter etwas in die Hand gebe und der tut dann was. Unser Roboter ist ein zusätzliches Werkzeug für den Arbeiter, für das er keinen Programmierer braucht, um es zu benutzen. Das heißt eigentlich, dass ein Arbeiter in der gleichen Zeit praktisch an drei Arbeitsplätzen arbeiten kann, anstatt seinen Arbeitsplatz zu verlieren.
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Über Franka Emika
Franka Emika ist ein Münchner Robotik-Unternehmen, das 2016 von Sami Haddadin und seinem Bruder Simon zusammen mit einem Expertenteam gegründet wurde. Mittlerweile hat das Unternehmen 200 MitarbeiterInnen. Franka Emika versteht sich als Pionier der Robotik mit menschlichem Tastsinn. Das Unternehmen produziert seine Roboter in Deutschland und bietet dazu eine intelligente Software mit intuitivem Roboter-App-Framework.
Die Online-Plattform Franka World soll KundInnen, Partner, EntwicklerInnen und Roboter miteinander verbinden. Sie bietet eine zentrale Verwaltung und Fernsteuerung der Franka-Emika-Roboter, sowie Zugang zu einem wachsenden Ökosystem von akkreditierter Software und Hardware.