Robotik : Industrie und Robotik: Was ist neu - und womit müssen wir 2022 noch rechnen?

Roboter
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Den Anfang machte Festo mit seinen pneumatischen Cobot auf der Hannover Messe, der auch vom deutschen Bundeskanzler bestaunt wurde. Factory berichtete darüber. Im Vorfeld der Automatica in München entstanden aufgrund einer Podcastfolge „Robotik in der Industrie“ Spekulationen, ob die Schwaben auch einen elektrischen Cobot mit mehr Reichweite den Anwendern in Zukunft präsentieren werden. „Die Pneumatik hat ihre Grenzen. Wir sind bei drei Kilogramm Payload und 670 mm Reichweite. Das kann man noch ein bisschen rausschieben, aber wir werden niemals einen pneumatischen Roboter machen mit einem Meter – niemals sollte man zwar nie sagen – aber 1,20 Reichweite mit einer Payload von fünf oder zehn Kilogramm, das ist für einen Pneumatik schon eine Herausforderung. Da kommt man eigentlich auch an Grenzen. Das ist da, wo man eher – auch wir – in elektrischen Systemen denken“, erklärte Christian Tarragona. Er ist Vice President und somit Chef der Robotikabteilung bei Festo. Auf seine Andeutung im Podcast folgt die Nachfrage: Das bedeutet, es gibt bald auch einen elektrischen Cobot von Festo? „Das ist eine gute Frage, die kann ich nicht beantworten, darf ich nicht beantworten“, sagt Tarragona. Nachfrage an Michael Hartmannsgruber von Festo, VP Robotik: Herr Hartmannsgruber, wollen Sie es beantworten? „Wenn Herr Tarragona sagt, dass die Erweiterung nach oben hin in die größeren Payload-Gebiete nicht möglich ist, dann würde ich die Wahrscheinlichkeit nicht ausschließen, dass wir in die elektrische Robotik gehen.“ Das ließ viele in der Branche aufhorchen – nicht unbedingt auf der Logimat, da standen vor allem AMRs im Mittelpunkt und einige wenige Roboter und Cobots – wie von Kassow bzw. Bosch Rexroth. Auf der Automatica war das Interesse an der Neuigkeit größer, denn neben Festo präsentierten alle großen Roboterbauer ihre Entwicklungen.

Eine Revolution?

Die Messe in München war gespickt mit Überraschungen. Überraschung Nummer 1 war die Präsentation von Universal Robots. Die Dänen hatten im Vorfeld die Werbetrommel gerührt und eine „Revolution“ angekündigt. Für die meisten Beobachter war der UR20 mit seiner Traglast von 20 kg, einer Reichweite von 175 cm, einem Eigengewicht von 64 kg und einer um 30% erhöhten Geschwindigkeit das aber nicht. Manch ein Beobachter hatte auf Künstliche Intelligenz (KI) oder eine mobile Plattform spekuliert. Im Interview mit dem deutschen Handelsblatt kündigte der UR-Präsident Kim Povlsen weitere Modelle an.

Überraschung Nummer 2 war der Messeauftritt von Beckhoff. Die Verler präsentierten den Fachbesuchern ihren ersten Leichtbauroboter ATRO, der aber noch nicht verkauft wird. Die Entwicklerinnen und Entwickler sprechen von einem System. Es ist ein modularer Industrieroboter-Baukasten, mit dem individuell und flexibel optimale Roboterstrukturen für unterschiedliche Applikationen zusammengestellt werden können. Standardisierte Motormodule mit integrierter Antriebsfunktionalität, zusammen mit Linkmodulen in unterschiedlichen Ausführungen und Längen, ermöglichen nahezu grenzenlose Kombinationen der Mechanik. Der Ansatz erinnert an die Pläne von RobCo aus München.

Beckhoff will mit der Modularität punkten. Möglichen seien ein 1-Achs-Rundtakttisch mit integrierter Energieführung, eine 2-Achs-Nachführungseinheit, ein 3-Achs-Delta-Roboter, ein 4-Achs-SCARA, ein 5-Achs-Palettier-Roboter, ein 6-Achs serieller Roboter oder 7-Achssystem zur Erhöhung der Reichweite/Gelenkigkeit für schwer zugängliche Umgebungen. Der Clou: Alle Achsen sind endlos drehend ausgeführt.

Reuter kommt zurück

Bei Beckhoff heißt es: „Die Leistungsfähigkeit einer Maschine wird durch die direkte Anbindung der Robotiklösung an Motion Control, Safety, Machine Learning, IoT, Analytics, Vision, Cloud Engineering und HMI maximiert, ebenso durch die direkte Kombinierbarkeit mit intelligenten Transportsystemen wie XPlanar und XTS.“ Und das ist der eigentliche Clou: Beckhoff beliefert zahlreiche Maschinenbauer mit seinen Steuerungen. Dazu können die Ostwestfalen jetzt auch eine Zuführung über XPlanar und einen Roboter für die Maschine anbieten – alles aus einer Hand.

Überraschung Nummer 3: Till Reuter ist zurück. Der ehemalige Kuka-CEO heuert bei Neura Robotics an. Das überraschte viele Branchenbesucher. Er hatte die Branche vor Jahren verlassen, um als Investor und Business Angel im frischen Start-Up-Wind zu segeln und machte von sich Reden als er den Aufsichtsratsvorsitz bei Müllermilch übernahm. Jetzt stellt sich der Unternehmenslenker hinter den 20 Jahre jüngeren CEO David Reger. „Wir sollten mal über Neura sprechen“, schrieb mir ein Robotik-Manager per SMS. Reuter wird Teil des Leadership-Teams des Robotikbauers. Das Unternehmen setzt stark auf KI in der Robotik. Auf der Messe präsentierten die Verantwortlichen neben ihren Robotern den AI-Hub. Der Al-Hub ist das Trainingszentrum für Roboter. Durch einen 360°-Objektscan werden 3D-Modelle von Objekten erstellt. Diese werden dann über ein lokales Netzwerk anderen Robotern zur Verfügung gestellt. Diese Roboter können nun dank eines Objekttrainingsansatzes lernen, wie sie mit den neuen Objekten umgehen müssen. Die daraus entstehende Schwarmintelligenz verkürzt die Trainingszeit, was die Effizienz steigert und Kosten senkt.

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