Interview : Christian Wagner, wie digital ist der Werkzeugmaschinenbau?

Wie weit ist der Werkzeugmaschinenbau bereits digitalisiert?

Der deutsche Werkzeugmaschinenbau ist schon ziemlich digital, wenn man die Hersteller von Werkzeugmaschinen sieht. Allerdings haben sie es leider bis heute nicht geschafft, gemeinsame Schnittstellenstandards zu schaffen. Ich rede von einer genormten Schnittstelle, wie z.B. bei Kunststoffspritzmaschinen. In den Zulieferbetrieben ist es nicht ganz so toll, dort hat die Digitalisierung noch Potential.

Wie digital sind die Anbieter, wie digital sind die Anwender?


Es gibt viele sehr digitale Anbieter, mit durchaus guten Lösungen. Da jedoch die Digitalaffinität bei den Anwendern noch nicht so ausgeprägt ist, tun sich die Anbieter schwer. Stichwort: nicht haptische Produkte.

Woran hapert es in der Branche, verstehen die Anbieter die Anwender nicht?


Ja, ich glaube das größte Problem ist die fehlende „Übersetzungskompetenz“. Softwareverkäufer, die noch nie in einem Fertigungsumfeld gearbeitet haben, tun sich sehr schwer den Mehrwert Ihrer Produkte bei der Zielkundschaft zu verargumentieren. Es gibt ja diese Redensart, „im Softwarebereich werden nicht die besten Produkte gut verkauft, sondern diejenigen die das beste Marketing und den besten Vertrieb haben“. Genau das sehen wir im Fertigungsumfeld.

Wagner
Christian Wagner ist auf LinkedIn als "Botschafter für die Zukunft der Fertigungsindustrie" aktiv. - © Wagner

Was suchen die Anwender?

Erstens: einen zentralen Ansprechpartner über alle Lösungsangebote hinweg, dazu gehört dann auch Automation und Robotik. Systeme, die miteinander arbeiten und Effizienz entlang der gesamten Wertschöpfungskette bringen. Was hilft mir die automatisierte Werkzeugmaschine, Säge oder was auch immer, wenn meine Fertigungsplanung auf „Brotzeitpapier“ läuft? Zweitens: Pragmatische Lösungsansätze. Strategische Anbieter, die das Zielbild gut beschreiben können.

Warum hinken die Anbieter hinterher? Es wurde bei vielen sehr viel Geld in das Digital investiert. Wo ist das geblieben?


Die Frage, „was benötigt der Kunde“ hat der eine wohl etwas spät gestellt, bzw. bis heute noch nicht wirklich. Klassische Softwareentwicklung und die Komplexität eines mechanischen Fertigungsbetriebes sind anspruchsvoll zu verheiraten. Die Lösungsanbieter, die Ihre Produkte eng mit echten Fertigungsexperten oder echten Kunden zusammen entwickelt haben, sind heute diejenigen, die die besten Lösungen anbieten und wahrscheinlich auch Ihre Entwicklungsgelder am effizientesten eingesetzt haben. Man kann an vielen Stellen viel Geld „verbrennen“: Schnittstellen zu Maschinensteuerungen, Interoperabilität, APIs zu anderen Systemen (ERP, CAD-CAM, MES, BDS etc.).

Was sind für sie die ersten Use Cases, die sich schnell rechnen?


Ich glaube Condition Monitoring ist ein Use Case, der sofort einen Impact auf eine Fertigung hat. Schon der Umstand das man auf einem Dashboard live sehen kann, ob eine Maschine läuft oder nicht sorgt für Aha-Effekte. Oder auch eine digitale Fertigungsplanung, die von ganz vorne unterstützt den Überblick zu gewinnen. Ein digitales Produkt sollte unterstützen und die Denkweise der Anwender widerspiegeln, also Daten zu KPI´s liefern, mit denen ein Nutzer sofort arbeiten kann. Weiterhin sollte es schrittweise eingeführt werden können, die notwendige Transformation durch die Digitalisierung ist sowieso immer ein großer Schritt für Unternehmen. Da sind kleine Schritte, die ein Unternehmen kontinuierlich voranschreiten lassen, sehr hilfreich.

Durchsetzen werden sich praxisnahe und skalierbare Lösungen, die von Beginn an einen echten Mehrwert für die Anwender bringen.

Was vermissen Sie am Markt?

Zum einen Koalitionen von Anbietern, denn es gibt nur sehr wenige, die wirklich alle Aspekte einer Fertigung mit digitalen Lösungen unterstützen können. Soll der Kunde dann mit 2, 3 oder 4 Lieferanten arbeiten? Nein, es sollte einen „GU“ geben, der zentral für den Kunden koordiniert. Fertigungskompetenz bei den „Product Ownern“ der Digitalisierungsanbieter.

Unterscheiden die Anwender in Automatisierung und Digitalisierung? Warum tun sie das?


Wir sprechen hier nicht über robotergesteuerte Prozessautomatisierung, sondern über physische Automatisierungslösungen. Die kann man anlangen; Begreifen kommt von Greifen. Da tun sich viele Fertigungsleute leichter, zu verstehen, was diese Lösung Ihnen in Ihrer Fertigung für Vorteile bringt. Digitalisierung ist leider noch zu nebulös, ist das digital Twin, oder doch Sensorik, oder vielleicht doch nur eine Software? Oder muss man alles kombinieren?

Was sind aus Ihrer Sicht die überzeugendsten digitalen Lösungen?


Durchsetzen werden sich praxisnahe und skalierbare Lösungen, die von Beginn an einen echten Mehrwert für die Anwender bringen. Und zwar ohne eine neue Fertigung bauen zu müssen oder erstmal 12 Monate Grundlagenforschung zu betreiben. „Try often fail fast“, das ist ein Prinzip was auch in diesen Implementierungsprozessen enorm wichtig ist. Kein Betrieb ist wie der andere, jede Werkzeugmaschine ist anders, trotzdem sollte am Schluss alles in einem System laufen, für den Anwender mit dem Anwender.

(Lesen Sie auch: „Geht den Weg der Digitalisierung!“)