Supply Chain : Kann ein Datenkreis resiliente Lieferketten schaffen?
Daten sind heute das „Öl des digitalen Zeitalters“, sie sind eine wertvolle Ressource, die in zahlreichen Unternehmen in vielen Branchen täglich generiert und als Basis für vielfältige Entscheidungen genutzt werden. Das betrifft im Besonderen spezielle industrielle Wertschöpfungsketten und die damit verbundenen Herausforderungen im Bereich Transport und Logistik. Eng abgestimmte und optimierte Logistikprozesse, oft nur auf Basis eines Plan A, sind stark anfällig für Störungen unterschiedlicher Art. Es muss nicht gleich eine Pandemie oder ein Krieg sein, es können auch unvorhersehbare Wetterverhältnisse oder Transportbedingungen entlang der Lieferstrecke sein, die geplante Logistikprozesse gehörig durcheinanderwerfen. Viel und oft ist von Resilienz die Rede, doch wie werden mit den vielen in allen Branchen generierten Daten benannte Lieferketten resilienter gemacht? Dieser Frage widmete sich ein vom Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) initiiertes Projekt mit dem Kürzel LogResDat. Eine Lösung für mehr Resilienz bietet ein ganzheitlicher Denkansatz, Daten sollten allen Beteiligten in der Lieferkette zugänglich sein. Dazu wäre eine zentrale Plattform zum Datenaustausch, eine „Logistik und Resilienz Datenkreis“ vonnöten. Soweit der hohe Anspruch, in der Praxis sieht das allerdings noch ganz anders aus.
Mit Datentausch Mehrwert schaffen
Die Idee mittels Datentausch Logistikprozesse resilienter zu machen kam von mehreren Industrieunternehmen im Zuge einer Workshopreihe. Der Austritt Großbritanniens aus der EU war noch nicht lange her und die Covid-Pandemie zeigte erste negative Auswirkungen auf die Lieferketten. „Es stellte sich also die Frage wie Organisationen diesen Herausforderungen mittels unternehmensübergreifendem Datentausch begegnen können“, erklärt Ernst Kössl, der im BMK für dieses Projekt zuständige Fachreferent gegenüber FACTORY. Das Thema wurde vom BMK aufgegriffen und mit weiteren Ideen aus der Workshopreihe in eine Ausschreibung eingebettet. „Ziel war die Erarbeitung von Anwendungsfällen für Datentausch durch die betroffenen Stakeholder selbst, weil unserer Meinung nach dadurch der Mehrwert für die Branche am größten wäre“, so Kössl.
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Das Besondere an einem Datenkreis ist, dass er das Vertrauen zwischen den Beteiligten des Datentauschs ins Zentrum rückt: jede Organisation muss sich darauf verlassen, dass die anderen die bereitgestellten Daten rechtmäßig nutzenErnst Kössl
Welche Daten sind notwendig für mehr Resilienz
Unter der Projektleitung des Know Center in Graz und den Projektpartnern Veroo und Fachhochschule Oberösterreich wurden mit Stakeholdern mehrere relevante Anwendungsfälle erarbeitet, von denen zwei detailliert ausgearbeitet wurden. Eine der zentralen Fragen bei diesem Projekt ist: Welche Daten braucht ein Unternehmen, um seine Logistik-Prozesse widerstandsfähiger zu gestalten? Kössl: „Das kommt ganz auf das Unternehmen und den relevanten Anwendungsfall an. Im Projekt wurden beispielsweise Lösungen für Störungen, wie beispielsweise durch Wetter, Ladungssicherheit oder die Erkennung von Lieferengpässen und Überkapazitäten vorgeschlagen.“
Eine der zentralen Herausforderungen ist die sogenannte „Identifizierung und Konkretisierung von industriellen Datenkreisen im Anwendungsbereich Logistik und Resilienz. Als Datenkreis verstehen wir einen Anwendungsfall für Datentausch. Das Besondere daran ist, dass er das Vertrauen zwischen den Beteiligten des Datentauschs ins Zentrum rückt: jede Organisation muss sich darauf verlassen, dass die anderen die bereitgestellten Daten rechtmäßig nutzen“.
Ein Mehrwert entsteht laut Kössl üblicherweise durch ein Zusammenführen bestehender Datensätze und die dadurch ermöglichten neuen Analyseergebnisse. Dieser kann, aber muss nicht immer in Geld gemessen werden – auch neue Erkenntnisse können einen Mehrwert darstellen. Das Projektziel bei LogResDat war die Identifizierung von relevanten Datenkreisen. Dabei eröffnen sich immer wieder neue Herausforderungen, wie etwa in Bezug auf die Vertragsgestaltung. Kössl erklärt dazu: „Dateneigentümer und an Daten interessierte Organisationen müssen eine Vorstellung davon haben, was die Daten wert sind und wie Datentausch hard- und softwareseitig abgebildet werden muss.“
Dateneigentümer und an Daten interessierte Organisationen müssen eine Vorstellung davon haben, was die Daten wert sind.Ernst Kössl
Datentausch in Konzeptionsphase
Was es für den unternehmensübergreifenden Datentausch braucht, hängt ganz vom Unternehmen und dem relevanten Anwendungsfall ab. 2019 wurde die DIO (Data Intelligence Offensive) als Kooperations-Plattform für den Big Data-Bereich gegründet. Der Verein bietet Unternehmen Schützenhilfe in Fragen Datentausch an und wird vom BMK zum Teil gefördert. Bislang befindet sich der Datentausch noch weitgehend in der Konzeptionsphase. „Wir sind wir aber gerade dabei zu testen, wie Datentausch in der realen Anwendung funktioniert und wo die Hindernisse liegen“, merkt der Ministerialbeamte an. Könnten Lieferketten resilienter sein, wären sie mit einem Plan B hinterlegt, falls Plan A nicht funktioniert? Kössl meint: „Wahrscheinlich ja. Die Frage kann aber nur jede Organisation für sich selbst beantworten.“
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