Supply Chain : Wie wenige Unternehmen die Liefernetzwerke ins Schwanken bringen

Auf der Diskussion "Die Komplexität von Lieferketten - Wege in eine resilientere Zukunft" im Rahmen der Alpbacher Technologiegespräche sprach sich Komplexitätsforscher Stefan Thurner für mehr Transparenz aus. Um gegen Krisen widerstandsfähiger zu werden, sei es dringend notwendig, dass europäische Länder ihre Supply Chains besser kennen, sagte der Chef des Complexity Science Hub (CSH) Vienna. Natürlich seien Lieferketten nicht unendlich stabil, aber zunächst sei es wichtig, eine neue Vorstellung der Thematik zu entwickeln. Supply Chains solle man sich seiner Meinung nach nicht als Ketten vorstellen, denn: "Eine Kette hat zwei Enden, wie eine Wurst, und geht von A nach B." Stattdessen handle es sich um Netzwerke von LieferantInnen, also um komplexe Systeme.

"Je effizienter, umso weniger resilient"

Komplexe Systeme haben einen gewissen Effizienzgrad und einen gewissen Resilienzgrad, sagt Thurner: "Faustregel Nummer eins ist: Je effizienter, umso weniger resilient. Resilienz ist die Fähigkeit eines Systems, einen Schock zu überstehen und dann wieder sich selbst zu heilen, quasi sich selbst wieder in Schwung zu bringen." Will ein Unternehmen also die Effizienz erhöhen, könne es das Lager auflassen und die Waren nur noch On-Demand bestellen. Keine Lagerkosten bedeuten eine billigere Produktion, allerdings erhöht das die Abhängigkeit und geht zu Lasten der Resilienz.

Wenige Firmen bringen System zum Schwanken

Angesichts multipler globaler Krisen sei es jedenfalls ratsam, das eigene Liefer-Netzwerk genau zu kennen. Erst vor einigen Monaten haben die Komplexitätsforscher des CSH gezeigt, wie wenige Firmen ganze Volkswirtschaften ins Wanken bringen könnten. Beim Beispiel Ungarn reichten lediglich 32 "Hochrisiko"-Firmen, also 0,035 Prozent der Unternehmen aus, um große negative Folgen auf 23 Prozent von Ungarns Wirtschaft hervorzurufen.

Technischer Bereich in Österreich

Österreich sei in manchen Sparten dank der vielen Klein- und Mittelbetriebe sehr resilient, vor allem in technischen Bereichen: "Wenn ein paar ausfallen, können die anderen einspringen." Allerdings gebe es nirgends mehr absolute Sicherheit. Würde Taiwan die Chiplieferungen einstellen, würde vieles zum Stehen kommen, was auf die Schnelle nicht ersetzbar ist. Ebenso wenig resilient ist die Produktion von Antibiotika in Europa, so der Forscher: "Das sind irre Abhängigkeiten, die eben nicht bewusst sind. Wenn man die Liefernetzwerke kennen würde, könnte man auch diese Abhängigkeiten einmal darstellen." Auf Regierungsebene nehme das Bewusstsein dafür jedenfalls zu, und es würden bereits langsam entsprechende Schritte gesetzt.

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