Künstliche Intelligenz : KI als Thema auf der EMO 2023
Produktionsmaschinen, die sich selbst optimieren, aus ihren Fehlern lernen und sich sogar Know-how von anderen Maschinen aneignen - künstliche Intelligenz (KI) soll all das möglich machen. Und das führt für produzierende Unternehmen zu höherer Produktivität, geringeren Kosten, verbesserter Qualität und geringeren Ausfallzeiten.„Wir haben lange an der Optimierung unserer Prozesse in der Produktionstechnik gearbeitet und hier einen Wettbewerbsvorteil erzielt, den wir nun auch in der digitalen Transformation der industriellen Produktion erreichen sollten“, erklärt Markus Spiekermann, Abteilungsleiter Datenwirtschaft beim Fraunhofer-Institut für Software- und Systemtechnik ISST. Um den neuen Anforderungen zu begegnen, spiele Künstliche Intelligenz eine „maßgebliche Rolle“, so Spiekermann. „Denn nur durch den Nutzen von KI-Methoden kann ein hoher Grad an Automatisierung erreicht werden.“
Proaktive Instandhaltung für Drehmaschinen
Die Industrie verzeichnet einen zunehmenden Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI). J.G. Weisser Söhne GmbH & Co. KG, Hersteller von Werkzeugmaschinen, setzt beispielsweise auf KI-Modelle, die eine Predictive Maintenance von Drehmaschinen ermöglichen.
Laut Robin Hirt, Geschäftsführer und Gründer des Karlsruher Start-ups Prenode GmbH, basiert die vorausschauende Instandhaltung auf KI-basierten Vorhersagemodellen. Diese ermöglichen die frühzeitige Erkennung eines bevorstehenden Wartungsbedarfs an einer Maschine, noch bevor es zu einem Ausfall kommt. Prenode GmbH unterstützt als Softwareunternehmen Maschinenbauer dabei, maßgeschneiderte KI-basierte Funktionen in ihre Anlagen zu integrieren.
Moderne Produktionsmaschinen seien in der Lage, sich mithilfe von Künstlicher Intelligenz selbst zu optimieren, erklärt Hirt. Dabei greifen sie in der Regel auf sogenannte Machine-Learning-Methoden zurück, um Muster und Zusammenhänge in den Produktionsdaten zu erkennen und daraus automatisch Verbesserungen abzuleiten. Zusätzlich ermöglichen sie oft auch das Lernen aus Fehlern und den Wissensaustausch mit anderen Maschinen.
Trumpf: intelligenter Sortier-Assistent
Der Sorting Guide von Trumpf, einem Lasermaschinenhersteller aus Ditzingen, ist ein System, das beim Sortieren produzierter Teile hilft und die Maschinenauslastung steigern kann. Laut Trumpf handelt es sich um ein "kamerabasiertes Assistenzsystem" mit Dezentralem Machine Learning. Es besteht aus einer hochauflösenden Kamera, einem großen Bildschirm, einem Industrie-PC und intelligenter Bildverarbeitungssoftware.
Robin Hirt, Geschäftsführer von Prenode, erklärt das Prinzip des Dezentralen Machine Learnings: "Beim Dezentralen Machine Learning werden mehrere Maschinen miteinander vernetzt und bilden gemeinsam ein KI-System." Die Maschinen sammeln lokal kontinuierlich Daten über ihre Arbeitsvorgänge. Anschließend wird für jede Maschine ein KI-Modell entwickelt, das zentralisiert wird. "In einer zentralen Cloud werden diese Modelle dann fusioniert und wieder in die einzelnen Anlagen zurück übertragen", fügt Hirt hinzu. Dadurch könne das KI-System lokal auf die Erfahrungen der anderen Maschinen zurückgreifen, ohne dass sensitive Rohdaten ausgetauscht werden müssten.
Beim Sorting Guide von Trumpf funktioniert dies folgendermaßen: Durch Stammdaten und selbstlernende Bildverarbeitung erkennt das System die entnommenen Teile und gibt über den Bildschirm eine Empfehlung zum Absortieren. Die produzierten Teile werden auf dem Bildschirm farbig markiert, beispielsweise nach Kundenauftrag oder den nachfolgenden Arbeitsschritten wie Abkanten, Entgraten, Lackieren oder Versand. Trumpf erklärt, dass dadurch das aufwändige Nachzählen der Teile, manuelle Rückmeldungen oder Begleitpapiere überflüssig werden. Das Bedienpersonal kann auf einen Blick erkennen, welche Teile für die Weiterverarbeitung bereit sind und gegebenenfalls die Nachproduktion einleiten. Das Absortieren wird beschleunigt, Fehler werden vermieden und die Maschinen können schneller weiter produzieren.
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Datenanalyse zur Optimierung der Zerspanung
Ein neuartiges Verfahren zur Analyse des Werkzeugverschleißes in Zerspanungsprozessen wie Bohren oder Fräsen setzt auf Künstliche Intelligenz. Das Ziel besteht darin, die Werkzeuge möglichst lange zu nutzen und gleichzeitig die Restlebensdauer präzise einzuschätzen, um Werkzeugbrüche, Schäden an teuren Werkstücken oder Maschinen zu vermeiden. Bisher wurde dieser Zielkonflikt gelöst, indem die Werkzeuge vorzeitig ersetzt wurden, basierend auf einer erfahrungsbasierten Anzahl von Arbeitsgängen, um Qualitätsverluste oder Werkzeugbrüche zu verhindern. Allerdings sind Werkzeugwechsel mit Zeit- und Kostenaufwand verbunden, daher lohnt es sich, die Wechselzyklen zu optimieren. An dieser Stelle kommt KI ins Spiel. Forscher der Technischen Universität Kaiserslautern haben ein Verfahren entwickelt, das auf Basis von realen Prozess- und Messdaten das Verschleißverhalten vorhersagen und somit die Zerspanungsprozesse optimieren kann.
Konkret funktioniert das wie folgt: Um den Verschleißzustand von Zerspanwerkzeugen vorherzusagen, werden prozessbezogene Kenngrößen herangezogen, darunter die auf das Werkzeug einwirkenden Kräfte, Maschinenschwingungen und der Leistungsbedarf der Maschinenachsen. Kontinuierliche Messungen am Werkzeug und Werkstück liefern ebenfalls relevante Daten. Die größte Herausforderung besteht darin, Korrelationen in den gesammelten Daten zu identifizieren.
Das KI-gestützte System, das auf Methoden des Maschinellen Lernens basiert, wird von den Forschern trainiert, um mögliche Muster zu erkennen und Schlüsse zum Verschleißzustand abzuleiten. Darüber hinaus soll es in der Lage sein, vorherzusagen, welche Prozessparameter Unternehmen bei bestimmten Zerspanprozessen verwenden sollten, um das Werkzeug für eine angestrebte Nutzungsdauer zuverlässig einzusetzen. Die für das Training benötigten Daten werden von fünf Partnerunternehmen erhoben, darunter sowohl Global Player als auch kleine und mittlere Unternehmen. Dabei werden verschiedene Variationen von Werkzeug- und Werkstofftypen sowie Prozessparametern berücksichtigt, um eine umfassende Datenbasis von der gesamten Lebensdauer bis zum Versagen des Werkzeugs zu erfassen.
Künstliche Intelligenz ist bereits sehr leistungsfähig, aber noch nicht perfekt, da die einzelnen Prozesse von Anwendungsfall zu Anwendungsfall variieren. Daher dient das Maschinelle Lernen als Entscheidungsunterstützung für den Werkzeugwechsel. Das System soll kontinuierlich verbessert werden durch das Transfer Learning, bei dem Wissen von verwandten, bereits erlernten Aufgaben genutzt wird, um die Trainingszeit von Machine-Learning-Modellen für neue, jedoch verwandte Aufgaben zu verkürzen.
Daten als Schlüssel zur Wettbewerbsfähigkeit
Die Bedeutung von Daten für die Wettbewerbsfähigkeit in der globalen Konkurrenz ist unbestreitbar. Hinsichtlich des Einsatzes von Künstlicher Intelligenz (KI) in der industriellen Produktionstechnik besteht jedoch eine differenzierte Einschätzung im Vergleich zu den Wettbewerbern aus den USA und Japan. Fraunhofer-Experte Spiekermann betont, dass aktuell kein Entwicklungsvorsprung existiert, auf dem man sich ausruhen könnte. Er erklärt: "Gerade was das Thema KI angeht, auch in der industriellen Produktionstechnik, hinken wir eher den internationalen Anbietern hinterher." Dennoch weist er darauf hin, dass Deutschland einen Wissensvorsprung in Bezug auf die Optimierung domänenspezifischer Prozesse hat. Insbesondere das Wissen darüber, welche Daten für bestimmte Anwendungsfälle benötigt werden und welche Fallstricke und Ausnahmeregelungen berücksichtigt werden müssen, ist von Bedeutung.