Digitalisierung : Kernkompetenz für Industrie 4.0: Der Wille zum Ausprobieren

KERNKOMPETENZ
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Castingshows sind ein fixer Bestandteil des Fernsehprogramms, aktuell läuft die 20. Staffel von Deutschland sucht den Superstar. Was braucht man, um zu gewinnen? Sicher eine gute Stimme oder einen authentischen Bühnenauftritt. Der Schritt davor ist jedoch wesentlich: Man muss sich für das Casting anmelden, im vollen Bewusstsein, sich womöglich vor laufender Kamera (und Dieter Bohlen) zu blamieren. In anderen Worten: man muss den Mut haben, etwas auszuprobieren, bei dem nicht sicher ist, dass es gelingt. Diese Formel gilt auch für Industrie 4.0.

Österreichische Industrieunternehmen stehen im globalen Wettbewerb und verfügen zumeist nicht über die Ressourcen, jede technologische Entwicklung zu verfolgen bzw. in Form von Projekten zu erproben. Aus diesem Grund gibt es verschiedene Instrumente, die der Industrie das Ausprobieren erleichtern sollen.

Österreichische Pilotfabriken als Orte des Ausprobierens

Die österreichischen Pilotfabriken sind Einrichtungen, die zumeist im wissenschaftlichen Umfeld angesiedelt sind und die Unternehmen das Testen industrieller Hard- und Software erleichtern sollen. Die Pilotfabriken verfügen selbst über moderne Geräte und stellen diese zusammen mit akademischem Wissen Unternehmen zur Verfügung.

Pilotfabriken gibt es an österreichischen Universitäten z.B. an der TU Wien, an der TU Graz oder am Linz Institute of Technology der JKU. In Wien Aspern beschäftigt man sich z.B. mit der datentechnischen Anbindung von Industriemaschinen, in Graz bietet man u.a. einen 5G-Campus an. In Linz liegt ein Schwerpunkt auf der Kunststofftechnik. An den Fachhochschulen in St. Pölten und Wiener Neustadt, am FH Technikum Wien oder der FH Oberösterreich (Wels) gibt es ebenfalls Technologie zum Ausprobieren für Externe. Am „Smart Production Lab“ der FH Joanneum in Kapfenberg kann man z.B. neben modernen Dreh- und Fräsmaschinen auch diverse Software und Plattformen testen. Darüber hinaus gibt es in den Grenzregionen rund um Österreich, z.B. in der tschechischen Vysočina, technische Infrastruktur für Unternehmen.

Finanzierungsmöglichkeiten für industrielle Feldversuche

Für die Teilnahme an einer Castingshow fallen nur Fahrtkosten an, die Anschaffung eines Industrieroboters ist ungleich teurer. Auch das Ausprobieren neuer Technologien kann bereits viel Zeit und Geld benötigen. Es gibt daher verschiedene Möglichkeiten zur Finanzierung von Industrie 4.0-Projekten, insbesondere für KMU.

Die „European Digital Innovation Hubs“ (EDIH) sind eine solche Möglichkeit: Produzierende Unternehmen können z.B. durch das Instrument „Test before Invest“ des EDIH AI5production Unterstützung in Form von Infrastruktur und Know-how für die Umsetzung von Digitalisierungsprojekten, z.B. für Projekte im Bereich digitales Design oder Cybersecurity, erhalten.

Ausprobieren als Kulturthema

Große Unternehmen regen ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oft selbst zum Ausprobieren an: Über Innovationsfonds werden und wurden z.B. bei Siemens Österreich oder bei den Wiener Stadtwerken bereits digitale Projekte ermöglicht.

Wichtig beim Ausprobieren: Projekte müssen auch scheitern dürfen. In der Startup-Szene setzt man auf eine positiv besetzte Fehlerkultur, im produzierenden Bereich ist hier noch Luft nach oben. Positive Beispiele: Bei Infineon Österreich wird der „Lernpreis“ verliehen, der die Projekte mit dem höchsten Lerneffekt auszeichnet. Bei den „Business Fails“-Veranstaltungen der Plattform Industrie 4.0 sprechen Unternehmen wie Magna Steyr oder RHI Magnestia offen über ihre Fehlschläge. Was für erfolgreiche Musikerinnen und Musiker (mit oder ohne Casting) gilt, das gilt jedenfalls auch für Industrie 4.0: Übung macht den Meister.

Full Disclosure: Einige der genannten Unternehmen/Institutionen sind Mitglieder der Plattform Industrie 4.0. Die Plattform Industrie 4.0 ist zudem Teil des Konsortiums im EDIH AI5Production.

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