New Work : Haslauer, Compact Electric: „Wenn alle weniger arbeiten, wird es à la longue nicht gehen“

Frau Haslauer, wie weit werden Sie als Führungskraft noch als bunter Hund wahrgenommen? Oder ist das mittlerweile ganz normal?

Ich habe mit 20 Jahren begonnen die Firma zu leiten und für mich war das immer normal. Mir war es völlig egal, was andere gedacht haben. Es hat mir sicher geholfen, dass ich mit meinem älteren Bruder und einem Cousin aufgewachsen bin.

Zum Thema Rekrutieren neuer MitarbeiterINNEN: Haben Sie eine Strategie, wie man explizit weibliche Fach- und Arbeitskräfte ansprechen kann? Man bekommt ja fast das Gefühl, als hätten viele Firmen erst aufgrund des Fachkräftemangels Frauen als potenzielle Arbeitnehmerinnen entdeckt.


Ich laufe den Frauen seit Jahren hinterher, bin ständig als Testimonial, als Ausschussmitglied der Mechatroniker auf der Bühne und versuche Frauen zu motivieren, in technischen Berufen Fuß zu fassen. Frauen haben oft Kinder zu betreuen. Auf diese Doppelbelastung versuche ich mit Sondervereinbarungen einzugehen.

Die Vereinbarkeit mit der Familie, die Vorbildwirkung – all das sind Themen, die man auch von anderen Unternehmen kennt. Gibt es sonst noch etwas, haben wir vielleicht alle einen blinden Fleck, wenn es um Frauen in technischen Berufen geht?


Leider stecken auch im Jahr 2023 viele Frauen noch im klassischen Rollenbild fest. Von Natur aus sind Frauen unsicherer als Männer und sagen bei einem Vorstellungsgespräch, dass sie von zehn Punkten sechs können.Männliche Bewerber neigen eher dazu zu behaupten, dass sie von zehn Punkten fünfzehn können. Frauen müssen also selbstsicherer werden. Durch die Pandemie gab es sogar eine Retro-Bewegung, die sie wieder zurück in die Haushalts-Ecke gedrängt hat. Ich kann nicht mehr machen, als klar zu sagen: Hier liegt ein Riesen-Potenzial für den Arbeitsmarkt.

Ulrike Haslauer
Ulrike Haslauer wusste schon während ihrem MBA-Studium und ihrer Ausbildung zur Elektrotechnikerin, dass sie einmal den Familienbetrieb übernehmen würde. Als ihr Vater sehr plötzlich verstarb, übernahm sie die Verantwortung über den Betrieb jedoch früher als geplant. - © Compact Electric
Wenn jemand Spaß am Arbeiten hat, sind Überstunden kein Thema.
Ulrike Haslauer

Aktuell ist oft von der Vier-Tage-Woche bei Arbeitszeitreduktion die Rede. Ist ein solches Modell auch in einem Familienunternehmen denkbar?

Meine persönliche Meinung dazu ist: Ich bin seit fast 34 Jahren selbstständig und komme unter einer 80-Stunden-Woche nicht nach Hause. Ich wende sehr viel Energie auf, um meine rund 80 Mitarbeiter:innen zu finanzieren. Wenn wir uns alle an weniger Arbeiten und mehr Freizeit orientieren, wird es à la longue nicht gehen. Ich versuche stattdessen, durch Spaß am Arbeitsplatz den Gegensatz von Arbeit und Freizeit aufzuweichen. Wenn jemand Spaß am Arbeiten hat, dann sind Überstunden für ihn kein Thema. Hier ziehen auch meine jungen Mitarbeiter:innen mit mir an einem Strang. Dafür ist auch jede Stelle, die ich vergebe, eine fixe Stelle.

Es gibt ja immer mehr technische Möglichkeiten, Arbeitsplätze attraktiver zu gestalten. Welche Tools haben bei Ihnen in den letzten Jahren den größten Unterschied gemacht?


Wir haben neue Maschinen angeschafft, CAD-Planungstools installiert, die direkt mit der CNC-Fräse verbunden sind, und ein Kardex Storage Warehouse installiert. Das sind drei große Türme, in denen ungefähr 650 Quadratmeter Lager integriert sind, wo Materialien gespeichert und dann rasch für die Kommissionierung bereitgestellt werden.

Und was davon hat Ihren Mitarbeiter:innen am meisten die Arbeit erleichtert?


Auf jeden Fall die bessere Übersicht im Lager, sodass wir wissen, wo welche Materialien sind. Davon profitieren die Mitarbeiter:innen der Werkstatt sehr.

Die Compact Electric GmbH wurde 1965 gegründet und befindet sich seit 1986 im Besitz der Familie Haslauer. Ulrike Haslauer steht seit 1989 an der Spitze des Unternehmens, das sich auf Schaltschrankbau, Entwicklung von elektronischen Geräten sowie Kennzeichnungs- und Arbeitssicherheitsprodukte spezialisiert hat. Mit rund 80 Mitarbeiter:innen produziert und installiert das Unternehmen etwa 2000 Schaltschränke pro Jahr und erzielt so einen Jahresumsatz von bis zu 8 Millionen Euro.

- © Compact Electric
Die Arbeitssicherheit ist bedeutsamer geworden, was eine gute Entwicklung ist.
Ulrike Haslauer

Auch in Ihrem Portfolio sind Sie auf den digitalen Zug aufgesprungen. In welcher Form bieten Sie Ihren Kund:innen hier Unterstützung?

Wir haben eine Baustellensoftware namens Plug-In 4.0 entwickelt. Damit weiß der Mitarbeiter, wenn er auf die Baustelle geht, welchen Bereich er beiderseitig anschließen muss. Da gibt es ein sehr einfaches Tool, mit dem Mitarbeiter:innen fehlende Vorlegerleistungen dokumentieren können. Sie müssen nur ein Foto machen, einringeln, was fehlt und es an den Projektleiter schicken. Das ist eine sehr transparente und einfache Form der Kommunikation. Ein weiteres Angebot von uns ist, dass wir unsere Stromlaufpläne auch digital zur Verfügung stellen. Das heißt, wir geben die Stromlaufpläne über einen RFID-Chip am Verteiler-Schrank als digitale Information mit. Auf der Baustelle werden ja oft ganz viele Sprachen gesprochen. Und mit unseren Tools können Informationen relativ simpel dokumentiert werden – sowohl schriftlich als auch visuell.

Arbeitssicherheit ist ein weiteres Thema, das Sie kundenseitig aufgegriffen haben. Haben Sie hier ebenfalls einen Wandel miterlebt?


Auf jeden Fall. Die Arbeitssicherheit ist bedeutsamer geworden, was eine gute Entwicklung ist. Es gibt mehr Vorschriften, Arbeitsplatz-Einweisungen müssen dokumentiert werden. Es werden mehr Tools verwendet, um die Mitarbeiter:innen zu schützen. Auch wir vertreiben mit „Lock-Up-Take-Out“ ein Arbeitssicherheitsprodukt, das zu Wartungszwecken eingesetzt wird. Das ist ein versperrbares System, das personifiziert ist, damit etwa beim Reinigen eines Silos keiner hantieren kann, während sich jemand darin befindet.

In einem produzierenden Betrieb kann es natürlich kein Homeoffice geben.
Ulrike Haslauer

Wie haben Sie während der Corona-Pandemie für Sicherheit am Arbeitsplatz gesorgt?

Wir haben Abstand geschaffen, Schildmasken selber gefertigt und wöchentlich zwei PCR-Tests durchgeführt. Ich selbst habe meine Leute jeden Tag begrüßt, desinfiziert und sie nach ihrem Gesundheitszustand gefragt. In einem produzierenden Betrieb kann es natürlich kein Homeoffice geben; ein Großteil unserer Mitarbeiter ist in der Fertigung beschäftigt – sowohl im Schaltschrankbau als auch in der Elektronik.

Wie haben die Krisen in naher Vergangenheit und Gegenwart auch die Aufgaben von Unternehmer:innen verändert?


Es ist wichtiger geworden, wie man als Betrieb mit Krisensituationen umgeht. Nicht nur in der Arbeitswelt liegt eine Verunsicherung in der Luft, sondern generell in der Gesellschaft. Da muss man als Unternehmerin auch stabilisierend wirken und sagen, dass es wieder bergauf gehen wird.

Mit welchen Gefühlen blicken Sie auf dieses angebrochene Jahr? Was erwarten Sie, wie sich die Dinge entwickeln?


Ich sehe das Jahr 2023 und die Folgejahre sehr positiv. Wir haben weder damit gerechnet, dass wir eine Pandemie erleben, noch dass wir einen Krieg in Europa haben würden oder dass wir auf eine Energiekrise zusteuern. Aber in anderen Ländern gibt es noch viel schwierigere Bedingungen, dort fehlt es an Wasser oder an Arbeitsplätzen. Nur eines muss ich anmerken: Unser Wohlstand ist erarbeitet worden. Und wenn wir diesen aufrechthalten wollen, müssen wir auch weiterhin dafür arbeiten. Ich bin es gewohnt, mit 14 Tagen Urlaub im Jahr auszukommen und habe daneben alleine ein Kind großgezogen. Es geht alles, wenn man will.

(Lesen Sie auch: New Work und die Produktion)