Kolumne : Warum Industrie 5.0 ein entscheidender Schritt wäre

Industrie 4.0 kennen fast alle. Es ist eine industrielle Revolution, die ihren Namen hatte, bevor sie stattfand. Der Begriff entstand in der deutschen Industrielandschaft und wurde auf der Hannover-Messe 2010 populär. Im anglo-amerikanischen Raum kennt man eher den Begriff „Internet of Things“ (IoT), der im Gegensatz zu Industrie 4.0 deutlich weiter geht. Industrie 4.0 vernetzt Industrieanlagen, IoT verbindet alle möglichen Instanzen vom Kundenbedarf über die Produktion bis hin zur Kundennutzung. Gemeinsam ist beiden Begriffen, dass es um die mehr oder weniger intelligente Verbindung geht, während die dritte industrielle Revolution die Automatisierung von Anlagen zum Inhalt hatte.

Selbsterfüllende Prophezeiung?

Die Hoffnungen haben sich in großen Teilen bewahrheitet. Die Vorhersage war auch nicht sehr schwierig, denn es wäre naiv gewesen zu glauben, dass die immer besseren Rechenleistungen und IT-Ressourcen vor der Produktion Halt machen würden. Ob das tatsächlich eine vierte industrielle Revolution darstellt, sei dahingestellt. Meines Erachtens nach ist das nicht der Fall, denn grundlegend verändert haben sich Produktionsprozesse weder durch Industrie 4.0 noch durch IoT. Es gibt nur noch mehr Daten, die gemeinsam mit dem oft noch immer nicht vorhandenen Wertstromdenken falsche Entscheidungen und Chaos verursachen.

Mario Buchinger
Mario Buchinger, Inhaber Buchinger|Kuduz - © Buchinger|Kuduz
Es geht um das Verhältnis von Ökologie und sozialer Verantwortung bei gleichzeitiger ökonomischer Stabilität.
Mario Buchinger, Inhaber Buchinger|Kuduz

Nachhaltigkeit und Mensch

Eine echte industrielle Revolution wäre durchaus möglich, wenn wir ein entscheidendes Dogma der letzten Jahrzehnte überwinden. Es geht um das Verhältnis von Ökologie und sozialer Verantwortung bei gleichzeitiger ökonomischer Stabilität. Und genau das sind die wesentlichen Elemente, die die EU-Initiative „Industrie 5.0“ beinhaltet. Eine Erweiterung der Sichtweise wirtschaftlichen Handelns auf all das, was Nachhaltigkeit wirklich bedeutet: das äquivalente Gleichgewicht von Ökologie, Sozialem und Ökonomie.

Das ist doch nicht neu?

Stimmt, das ist es nicht. Ein paar wenige Unternehmen handeln konsequent nach Nachhaltigkeitskriterien und manche bilanzieren sogar gemäß Gemeinwohlökonomie. Es sind aber Ausnahmen. Nach wie vor sind bei Unternehmen – meist kurzfristige – monetäre Ziele ausschlaggebend. Die Ideen von Industrie 4.0 tragen dazu bei, diese einseitigen Erwartungen zu erreichen.

Industrie 5.0 wäre ein entscheidender richtiger Schritt, nicht nur für die Gesellschaft und die Umwelt, sondern auch für den Fortbestand der Unternehmen. Aktuelle Krisen, die ihre Ursachen im einseitigen monetären Fokus haben, können dadurch verhindert werden. Etwa glokale Lieferketten, der intelligente Ressourcen- und Energieeinsatz, aber auch der wertschätzende Umgang mit Mitarbeitenden tragen zur Zukunftsfähigkeit bei. Gemeinsam mit Führungskräften, die langfristig und unternehmerisch denken und handeln, kann die Revolution beginnen.

Über Mario Buchinger

Mario Buchinger ist (Ökonomie-)Physiker, Musiker und Autor. Der Lean- und Kaizen-Spezialist war zehn Jahre als Angestellter und Führungskraft bei Daimler und Bosch tätig, bevor er 2014 das Unternehmen Buchinger|Kuduz gründete, das auf Strategie-, Prozess- und Klima-Transformation spezialisiert ist. Zu den Kunden zählen neben Industrieunternehmen u. a. auch Banken und öffentliche Behörden.

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