Fälbl-Kolumne : Unified Namespace: die digitale Mehrzweckhalle und ihre Erbauer
In historisch gewachsenen IT/OT-Strukturen – man denke an Zubauten, Lieferantenwechsel oder an „Legacy Systeme“ – gilt häufig die Regel: if it works, don’t touch it. Viele innovative Anwendungen in der Produktion, z.B. Predictive Maintenance oder Echtzeit-Qualitätskontrollen, erfordern jedoch strukturelle Veränderungen. Dafür u.a. notwendig: kompetente Arbeitskräfte und ein schlüssiges Gesamtkonzept.
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Fachkraft Enterprise Architekt:innen
Für Veränderungen in einer heterogenen Technologie-Landschaft braucht es Expert:innen, die den Überblick bewahren und Zusammenhänge im Blick behalten. Hier kommen die Enterprise Architekt:innen ins Spiel.
Aus aktuellen Jobausschreibungen lässt sich die Erwartungshaltung an Enterprise Architekt:innen herauslesen: Sie sollen die digitale Unternehmensstrategie kennen und deren Umsetzung technologisch begleiten. Sie sollen die existierenden Systeme des Unternehmens verstehen, den Markt und die Kundenbedürfnisse kennen. Sie sollen über aktuelle Entwicklungen im Software- und Hardware-Bereich Bescheid wissen, darauf aufbauend innovative Vorschläge einbringen und gleichzeitig die Stabilität der bestehenden Infrastruktur sicherstellen.
In anderen Worten: Enterprise Architekt:innen im Produktionsbereich sollen IT/OT-Wunderwuzzis sein. Um dieser Rolle ansatzweise gerecht zu werden, brauchen sie ein produktionsspezifisches Architekturkonzept, das unterschiedliche Ansprüche langfristig abdecken kann – ein solches kann der Unified Namespace sein.
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Zielbild Unified Namespace
Der Begriff Unified Namespace ist nicht eindeutig definiert, das angestrebte Ergebnis ist aber relativ klar: alles, was in einer Fabrik passiert, soll in Echtzeit und langfristig in einem System abgebildet und dadurch steuerbar werden. Dabei geht es nicht um die Einführung neuer, weiterer, Standards oder um „Upgrades“ verschiedener Systeme – man denke an Data Warehouses, Data Lakes, etc. – sondern um deren abstrahierte und konsolidierte Darstellung in einer gemeinsamen Steuerzentrale. Im Zentrum des Unified Namespace steht die Interoperabilität bestehender Systeme.
Technische Elemente sollen im Unified Namespace zusammengeführt werden – dazu zählen z.B. OLTP- und OLAP-basierte Datenbanken, MES- und ERP-Systeme, verschiedene ETL-Prozesse, Sensordaten und Daten aus OPC UA, MQTT oder Apache Kafka. Nach der Zusammenführung soll der Unified Namespace sowohl Mitarbeiter:innen in einer Fabrik unterstützen, z.B. durch Echtzeit-Dashboards, als auch Analysen und Auswertungen für Data Scientists & Management ermöglichen. Außerdem soll der Unified Namespace zukünftige Veränderungen durch die Abbildung von Zusammenhängen erleichtern. Den Unified Namespace kann man als Verbindungsraum für verschiedene Zielsetzungen und somit als eine Art digitale Mehrzweckhalle verstehen.
Inspiration und Umsetzungshilfe
Die genaue Ausgestaltung des Unified Namespace kann variieren und hängt wiederum von den agierenden Enterprise Architekt:innen und von deren Anforderungen ab. Bei der Umsetzung können diese aber auf Kooperation und Kollaboration setzen – ein österreichischer Produktionsbetrieb muss nicht im Alleingang europaweit oder weltweit eingesetzte IT-/OT-Komponenten zusammenführen.
Es gibt zahlreiche verwendbare Bausteine und Best Practices. Rund um den in Deutschland entstandenen United Manufacturing Hub gibt es z.B. eine aktive Community, die an der Integration diverser Technologien in den Unified Namespace arbeitet und die diese als Open Source Software zur Verfügung stellt.
Am Ende zielt das Konzept des Unified Namespace darauf ab, funktionierenden Produktionen zu mehr Spielraum für zukünftige Innovationen zu verhelfen und den Enterprise Architekt:innen langfristig ihre Arbeit zu erleichtern – Wunderwuzzis bleiben sie natürlich trotzdem.
Full Disclosure: der United Manufacturing Hub wurde kürzlich in der Plattform Industrie 4.0 vorgestellt.