Elektromobilität : „Ich will das Elektroauto nicht schlecht reden“

Bernhard Geringer
© Klaus Ranger

FACTORY: Für den Verbrennungsmotor gibt es laut Markus Hofer, CFO von Miba, keine Neuentwicklungen mehr. Würden Sie das unterschreiben?

Bernhard Geringer: Das muss man differenzierter sehen. Wenn man Verbrennungsmotoren bei Neuwagen in Europa im PKW-Bereich betrachtet, stimmt das. Die Fahrzeughersteller sagen alle, da werden keine neuen Motoren mehr entwickelt und dadurch brauchen sie auch keine Zubehörteile. Bei den Verbrennungsmotoren weltweit, etwa in China, werden für Nutzfahrzeuge, aber auch im PKW-Bereich, sehr wohl neue Motoren entwickelt.

Gleichzeitig hinken wir bei der Batterieproduktion in Europa noch hinterher…

Das ist definitiv so. Wir brauchen nur bei den großen Fahrzeugherstellern in Europa schauen, wo die Batterien herkommen. Die sind entweder direkt aus Asien oder aber die Module werden bei uns nur zusammengefügt und das Pack gebaut. Die echten Kernelemente, die Batteriezellen, die Batteriechemie, die kommen leider so gut wie nie aus Europa.

Gibt es nennenswerte Anstrengungen, die Batterieproduktion nach Europa zu holen?


Ja, es gibt sehr starke Anstrengungen, gerade in Deutschland mit den oft genannten Gigafactorys. Aber die machen oft nur das Assembly, während die wichtigen Rohstoffe weiterhin aus diversen Ländern gekauft werden. Dort, wo es wirklich schon eigene Zellfertigungen gibt, sind die Stückzahlen noch sehr klein. Porsche macht das zum Beispiel. Aber in ungefähr 85 oder 90 Prozent der Fahrzeuge, die in Europa verkauft werden, sind importierte Zellen verbaut.

Bei Batterien waren wir in Europa früher führend, was die Forschung, aber auch die Fertigung betrifft.

Wie verändert sich bei den benötigten Materialien die Liefersituation?

Wenn ich bei den Zellen bleibe: Lithium oder Kobalt sind Rohstoffe, die man nur an sehr wenigen Orten der Welt bekommt. Da gibt es in Österreich nichts. Es ist zwar nicht so, dass Europa keine Rohstoffe hätte, aber um diese abbauen zu können, bräuchten wir sehr viel Vorlaufzeit und es wäre aus jetziger Sicht auch teurer. Die europäische Batterieproduktion ist also weniger eine Frage der Technologien, sondern eine wirtschaftliche.

Eine andere Frage ist auch, ob wir in Europa die Arbeitskräfte dazu haben.

Wir können uns als Europa natürlich auch aufgeben und sagen, das schaffen wir eh nicht, das können andere besser oder das ist uns zu teuer. Aber dann sind wir am Schluss nur noch Dienstleister oder Empfänger. Das wäre dann eine politische Frage.

Wird das mit einem steigenden Automatisierungsgrad nicht auch eine technische Frage?


Darauf wollte ich gerade hinaus. Bei Batterien waren wir in Europa früher führend, was die Forschung, aber auch die Fertigung betrifft. Das haben wir aufgehört, weil es woanders billiger zu produzieren ist. Dass wir die technischen Möglichkeiten dazu hätten, ist klar. Und Automatisierung wird man dazu ohnehin nutzen.

Wie sind denn hier die Bedingungen bei der Batterieproduktion?


Batterien werden per Massenherstellung produziert, also nicht per Hand gefertigt. In den Werken stehen riesige Anlagen, die diese Lithium-Ionen-Zellen schichten und trocknen. Es handelt sich hier letztendlich um eine Halbproduktfertigung, wo man viel automatisieren kann. Die Qualitätsüberwachung beispielsweise, dass es keine Fehlstellen gibt, funktioniert automatisch meist sogar besser. Allerdings muss man wissen, dass die Batteriezellenherstellung sehr energieintensiv ist. Das geht primär auf den Energieverbrauch beim Trocknen zurück, der etwa 60 – 70 Prozent ausmacht. Und wenn bei uns die Energie 3-mal so teuer ist als anderswo, werden wir uns schwer tun mit der Konkurrenzfähigkeit.

Sie haben ja einen guten Einblick: Wie geht es den österreichischen Zulieferbetrieben zurzeit?

Dazu haben wir mit Fraunhofer eine Studie gemacht, die aber noch nicht veröffentlicht ist. Da steht die Frage im Zentrum, wie sich die österreichische Zulieferindustrie ausrichten sollte, damit wir am Ball bleiben. Und soviel sei verraten; Einerseits wird erwartet, dass die Fahrzeuganzahl bei PKW aber auch Nutzfahrzeugen steigt, weil es einfach neue Märkte gibt. Es wird aber auch der Anteil an der Elektrifizierung steigen und damit wird es für solche Firmen, die rein für den Verbrenner liefern, schwierig. Wenn ich nur Dinge für den klassischen Verbrennungsmotor liefere, muss ich sehr wohl schauen, dass ich rechtzeitig umsattle. Und das passiert ja.

Worauf wird zum Beispiel umgesattelt?


Es wird eine Mischung sein. Miba hat beispielsweise Sinter-Metalle für Verbrennungsmotor-Lager, solche wird man aber auch für Elektromotoren und Windgeneratoren brauchen. Viele Firmen im Zulieferbereich machen inzwischen Elektrokomponenten, Sensoren oder Halbprodukte. Für die Elektrifizierung benötigt man ja nicht nur die Batterie, sondern auch Elektromotoren, Steuerungen, Verkabelungen, Testsysteme und so weiter. Ich sehe das als einen zügigen aber gleitenden Wechsel. Abgesehen von der Elektrifizierung konzentrieren sich andere auch auf Brennstoffzellen.

Es wirkt so, als würden die meisten in Richtung E-Auto streben. Oder trügt dieser Eindruck?


Da sind wir in starken Diskussionen. Wenn man den Antrieb ansieht, der lediglich Strom braucht und keine Schadstoffe ausstößt, ist das auf den ersten Blick eine gute Sache. Aber dazu braucht man erst einmal genügend grünen Strom, den wir schon jetzt in Österreich nicht haben. Auf der anderen Seite habe ich Batterien, für deren Fertigung ich Energie und Rohstoffe wie Lithium oder Kobalt brauche. Wenn ich alle Autos weltweit umrüsten will, dann werde ich in einen Engpass kommen. Und dann muss ich auch die Ethik heranziehen, weil gerade Kobalt oft unter menschenunwürdigen Bedingungen abgebaut wird. Ich will aber auch das Elektroauto nicht schlecht reden, ich fahre selbst seit drei Jahren eines. Es ist nicht so, dass ich das nicht kenne und wertschätze.

Ich würde, wenn man sinnvoll damit haushaltet, die Grenzen von Elektro nicht bei den Rohstoffen sehen.

Was für ein Auto fahren Sie denn?

Ich habe den Audi e-tron, denn das ist der erste, den es von einem deutschen Hersteller gegeben hat. Darauf habe ich jetzt 60 000 km. ich verwende ihn nicht nur zum Fahren, sondern auch als Forschungsmittel. Ich persönlich kann also sagen: Ich habe ein Auto, das keine Abgase produziert und eine PV-Anlage am Dach, womit ich über den Sommer zwei Autos nur mit PV-Strom betreiben kann. Das ist natürlich toll. Aber das muss man realistisch sehen, es hat nicht jeder ein Haus und eine PV-Anlage.

Wie sieht es eigentlich bei anderen Materialien aus, die ebenfalls für E-Fahrzeuge benötigt werden, also zum Beispiel Aluminium, Kupfer etc.? Besteht auch hier die Gefahr, dass sie knapp werden und in anderen Branchen dafür fehlen?


Da muss man unterscheiden: sind es Rohstoffe oder Elemente, die man recyceln kann oder sind sie dann verbraucht? Im klassischen Elektroauto mit Batterien sind viel Kupfer und Aluminium drinnen, was beides gut recyclebar ist. Das gilt auch für Lithium. Aber irgendwann, wenn sich viel davon im Kreislauf befindet, ist das erschöpft.

Also bei den klassischen Metallen sehen Sie keinen drohenden Konkurrenzkampf?


Bei Aluminium und Kupfer auf keinen Fall. Aber manche Dinge werden sicher knapper und dadurch teurer. Da muss man dann Alternativen finden. Für Hochleistungsfahrzeuge nimmt man kleine, kompakte NMC-Batterien (Lithium-Nickel-Cobalt-Mangan). Und für LKW verwendet man mit LFP (Lithium-Eisenphosphat) eine andere Zell-Chemie. Eisen ist grundsätzlich viel vorhanden, aber es geht um die Verteilung. Dasselbe gilt bei Phosphor. Ich würde, wenn man sinnvoll damit haushaltet, die Grenzen von Elektro nicht bei den Rohstoffen sehen.

Bernhard Geringer ist Professor am Institut für Fahrzeugantriebe & Automobiltechnik der TU Wien und außerdem Vorstand des Österreichische Vereins für Kraftfahrzeugtechnik (ÖVK).
Wenn es eine Superbatterie gäbe, die eine Energiedichte wie Benzin oder Diesel aufweist und auch in der Herstellung keine großen Nachteile hat, dann hätten wir schon seit 100 Jahren Elektroautos.

Nun haben wir viel über politische, wirtschaftliche und sogar ethische Fragen gesprochen. Was steht denn aktuell im Zentrum Ihrer Forschung?

Wir forschen eigentlich an allem und überall. Beim Thema Elektro liegt der Fokus sehr stark auf den Batterien, wobei wir nicht die Batteriezellen selber entwickeln, sondern die Batterien als Teil des Gesamtsystems der Antriebssteuerung betrachten. Ein starkes Thema ist hier neben dem Zusammenfügen das Kühlen, wozu wir eine Reihe von Projekten haben.

Worum geht es hier konkret?


Bei Lithium-Ionen liegt die Wohlfühltemperatur ungefähr zwischen 25 und 30 Grad. Wenn sie wärmer werden, muss man sie mit Kühlwasser kühlen. Bei der Direktkühlung etwa sind die Zellen wirklich in der Flüssigkeit. Hierin liegt eine große Herausforderung. Ein anderes Thema ist Alterung. Batterien altern chemisch. Auch wenn man sie nicht benützt, weisen sie mit der Zeit immer weniger Kapazität auf. Einflussgrößen auf die Alterung sind Temperatur, Ladezyklen, wie stark sie entladen werden. Wenn ich weiß, die Batterie will beispielsweise nicht ganz vollgeladen werden, dann nimmt man das in die Betriebsstrategie auf. Wir stellen also Automatismen her, damit die Batterien eine längere Lebensdauer bekommen und effizient gekühlt werden.

Wieweit ist die Brennstoffzelle auch Thema ihrer Forschung?


Brennstoffzellen sind ähnlich wie Verbrennungsmotoren. Sie brauchen eine Kühlung, Sauerstoff, also Luft aus der Umgebung, sie müssen komprimieren mit einem Verdichter, sie haben Wärme, die sie abführen. Es gibt zwar keine bewegten Teile, aber Strömungen und Temperatur-Wärmeflüsse. In einem großen Projekt bauen wir gerade einen Steyr-Traktor auf einen Brennstoff-Fahrantrieb um. Dazu wurde unter anderem der Dieselmotor entfernt. Nächstes Jahr soll er als fahrfähiger Traktor am Feld eingesetzt werden.

Ist das Ihrer Einschätzung nach etwas, das in Zukunft in der breiten Masse produziert werden kann?

Ja, sicher. CNH ist hier unsere Partnerfirma. Die macht den Traktor so, dass es im Idealfall keine große Änderung zum bisherigen gibt, abgesehen davon, dass zum Beispiel die Teile größer sind. Die Erkenntnisse daraus kann man auch für LKW oder Baumaschinen anwenden.

Können Sie noch mehr über die kommenden Trends bei KfZ-Antriebssystemen verraten?


So viel kann ich sagen: Die Unsicherheit der Zulieferer beweist nicht, worauf man jetzt setzt. Die Hersteller setzen auf Elektro, denen ist es zuwider, mehrere Dinge parallel zu machen. Und sie spielen damit beim Thema Schadstoff-Emissionen den Ball zu den Energiebereitstellern. Ob es ab 2035 dann wirklich nur noch Elektrofahrzeuge gibt, da bin ich skeptisch. Wir werden bis 2040 nicht den alten Fahrzeugbestand komplett umgestellt haben, weil sich die Fahrzeuge teilweise sehr lange halten. Deshalb brauchen wir auch andere Formen, damit wir den CO2-Ausstoß reduzieren. Und da ist das Stichwort Kraftstoffe, die einen geschlossenen Kreislauf ergeben.

In welchen Bereichen stößt Elektro an seine Grenzen?


Bei Flugzeugen für Langstreckenflüge und auch bei Schiffen, die kann man aus jetziger Technologie nicht elektrisch antreiben. Und beim Langstrecken-LKW oder Bus scheiden sich die Geister. Die einen sagen, so wie etwa Daimler, wir werden Wasserstoff oder synthetische Kraftstoffe brauchen, weil Elektro die Reichweite nicht hat. Momentan zeigt VW mit Traton, es geht auch mit großen Batterien. Und auch Tesla hat den Semi-Truck angekündigt, der 800 km Reichweite schaffen soll. Da ist das Rennen noch nicht entschieden. Zusammenfassend würde ich also sagen, es gibt eine Mischung an Antrieben. Elektro für Kurzstrecken, einen Mischbetrieb aus Elektro und Brennstoffzelle für mittellange Strecken und bei sehr langen Strecken die Brennstoffzelle und synthetische Kraftstoffe.

Es fällt zwar nicht groß ins Gewicht, aber ist es für Sie persönlich auch eine Option manchmal bewusst auf das Auto zu verzichten und stattdessen auf das Fahrrad zu steigen?


Ich steige sogar sehr viel aufs Fahrrad und lege ich im Jahr zwischen 8 und 10 000 Kilometer mit dem Rennrad und Mountainbike zurück. Aber die 35 Kilometer Strecke zur Arbeit und wieder zurück würde ich zeitlich mit dem Rad nicht schaffen (lacht).

Möchten Sie noch etwas ergänzen, das Ihnen zum Thema Transformation in der Mobilität besonders am Herzen liegt?


Am wichtigsten ist mir eine breite Betrachtung, insbesondere mit Blick auf die Energie. Es wird nicht nur einen Königsweg geben, sondern wir müssen alle Möglichkeiten nutzen, die wir haben: Elektro, Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe. Und das andere ist, dass man eben nicht überall alles ausreichend hat. Leider. Wenn es eine Superbatterie gäbe, die eine Energiedichte wie Benzin oder Diesel aufweist und auch in der Herstellung keine großen Nachteile hat, dann hätten wir schon seit 100 Jahren Elektroautos.

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