Ersatzteil-Logistik : Philipp Lenz: „Fast jedes Teil wird für Reman interessant“

Lenz

Philipp Lenz ist Business Unit Leiter des globalen Remanufacturing Programms der Komponentensparte bei Liebherr.

- © Liebherr

Seit wann gibt es bei Liebherr ein Reman-Programm?

Vor knapp 20 Jahren haben wir damit begonnen. Damit bieten wir zum einen eine langfristige Versorgung mit Ersatzteilen und Austauschkomponenten von bereits ausgelaufenen Serien. Zum anderen sehen wir das Altmaterial auch als Fundus, um daraus aufgearbeitete Komponenten für heutige Serienprodukte schöpfen zu können.

Welche Komponenten eignen sich fürs Remanufacturing?

Die Komponentensparte von Liebherr hat insgesamt 10 verschiedene Business Units und diverse Produktlinien und wir machen das schwerpunktmäßig bei Diesel- und Gasmotoren, Hydraulikpumpen und -motoren, bei Getrieben, Zylindern und teilweise auch für Elektronikkomponenten.

Wie entscheiden Sie, ob etwas aufgearbeitet werden kann oder nicht?


Bei jedem Produkt hat man drei Gruppen von Teilen: Die ganz klassischen Verschleißteile, wie etwa Dichtungen oder Verkabelungen, die nach einer Zeit porös werden oder nicht wiederverwendbar sind. Die wird man immer tauschen. Dann hat man Teile, die man reinigen und dann wiederverwenden kann, beispielsweise Halterungen. Und gibt es Teile, die größte Sorgfalt brauchen. Diese werden gemessen und dann wird entschieden, ob man sie nochmals verwenden oder aufarbeiten kann. Bei einem Motor sind das zum Beispiel die werthaltigen Teile wie Kurbelgehäuse, Kurbelwellen, Zylinderköpfe oder Pleuel. In der Regel folgen wir also immer dem Schema: reinigen, zerlegen, messen und dann entscheiden, kann ich es eins zu eins verwenden, muss ich es aufarbeiten, oder muss ich es wegwerfen.

Ab wann zahlt sich das Aufarbeiten aus?

Je günstiger die Neukomponente und je verfügbarer das neue Teil einer Serie noch ist, desto schwieriger ist ein wirtschaftliches Reman-Programm darstellbar. Der Reman-Prozess ist ja auch mit entsprechenden Kosten verbunden, dazu kommen noch die Kosten für die Logistik und eventuell Zölle. Man muss auch schauen, wie viel an Teilen noch verwendbar ist. Bei einem Verbrennungsmotor kann man bis zu 80 Prozent der Teile wiederverwenden, bei einem Getriebe oder einer Hydraulik sind es etwas mehr als 50 Prozent. Daraus ergibt sich die Wertigkeit der Altware. Bei Waren mit einem niedrigen Serienverkaufspreis,brauche ich mit Reman nicht anzufangen. Wenn aber eine Serie ausgelaufen ist, wird fast jedes Teil irgendwann interessant.

Philipp Lenz auf der Ersatzteiltagung 2023

Seit den Anfängen des Remanufacturing-Programms in der Firmengruppe vor fast 20 Jahren wurde es erheblich weiterentwickelt und auf Schwerpunktmärkten infrastrukturell ausgebaut. Nicht zuletzt im Zusammenhang mit den derzeitigen Krisen - Energie, Inflation, Verfügbarkeitsproblemen, sowie der Störung von Logistikketten - hat sich ein robustes Remanufacturing-Programm als Erfolgsgarant bewiesen. Philipp Lenz hält auf der diesjährigen Ersatzteiltagung den Vortrag "Zuverlässig liefern mithilfe Remanufacturing". Dabei wird er mitunter die ökonomischen und ökologischen Vorteile von Reman aufgreifen.

  • Wann: 11. Mai 2023, ganztägig
  • Wo: Bei Wacker Neuson, Hörsching

Nähere Infos und Anmeldung zur Ersatzteiltagung!

Das schwierigste ist, die Altwaren in guter Qualität von den Kund:innen zurückzubekommen.
Philipp Lenz

Wie arbeitsaufwändig ist so ein Reman-Prozess?

Der Prozess ist relativ gut industrialisiert. Man kann ihn gedanklich in zwei Scheiben schneiden: den schmutzigen und den sauberen Teil. Zuerst organisiert man die Rücksendung der Altware. Danach werden die Teile gereinigt, komplett auseinandergebaut, dann kommt die Befundung. Hier schauen wir, welche Teile noch so benutzt werden können, dass sie der Komponente tatsächlich ein zweites Leben verleihen. Dann erfolgt die Aufarbeitung oder Wiederverwendung – je nachdem, um welchen Teiletyp es sich handelt. Und danach kommt der saubere Part. Der funktioniert wie jede andere Montage. Ich montiere, prüfe und liefere etwas aus.

Wo liegen die hier größten Schwierigkeiten?


Eine Herausforderung liegt im Portfolio, da wir hier über 20 Jahre Geräte-Historie abdecken. Aber das schwierigste an dem Ganzen ist, die Altwaren in guter Qualität von den Kund:innen zurückzubekommen.

Woran liegt das?


Wir vertreiben weltweit, haben aber nur an fünf Standorten die Möglichkeit für die Aufarbeitung eines breiten Portfolios. Bei einem Händler in Deutschland, wo einer unserer Aufarbeitungsbetriebe ist, ist es wahrscheinlicher, dass er mir seine Altwaren auf seine Kosten zurückschickt, als bei jemandem, der an einem abgelegenen Ort einen Bagger hat und vielleicht gar nicht weiß, ob sie auch ankommen. Man kann das natürlich über den Preis steuern, zu dem wir sie am Markt zurückkaufen, aber dennoch spielt die Regionalität eine große Rolle. In unserem deutschen Standort hilft uns, dass Liebherr etwa 50 Prozent seiner Produkte in Europa verkauft, schwerpunktmäßig in DACH und Frankreich.

Wie viele aufgearbeitete Ersatzteile liegen denn bei Ihnen?


Zu viele und immer die falschen (lacht). Nein, also wenn wir Teile und Komponenten zurückerhalten, bringen wir sie relativ schnell wieder in den Verkehr. Trotzdem haben wir als Firmengruppe weltweit geschätzt mehrere Millionen an Altwaren liegen. Damit meine ich ganze Komponenten, zerlegte Komponenten und Einzelteile.

Wo lagern Sie diese Altwaren?


Die aufgearbeiteten Komponenten liegen in kontinentalen Lägern. Die Altwaren liegen in der Regel in Lägern nahe unserer Aufarbeitungszentren. Wir haben bspw. die Sparte Erdbewegung, die wir aus dem Lager in Oberopfingen in Deutschland bedienen. Dort liegen aufgearbeitete Komponenten auf Lager und auch die weltweite Distribution wird von hier – unterstützt durch die lokalen Betrieb - organisiert. Aber die Firma Liebherr baut bspw. auch Mining-Geräte für den Tagebau, die etwa in Australien, Chile, Kanada oder Panama im Einsatz sind. Diese Standorte ausschließlich aus Europa aus zu versorgen, wäre nicht zielführend. Daher befinden sich beim Mining die Aufarbeitungsbetriebe kontinental vor Ort, ganz in der Nähe der Mine. Dort haben wir dann einen Kreislauf mit den Komponenten, die schon vorhanden sind. Zusätzlich werden hier auch erhebliche Mengen weiterer Ersatzteile vor Ort gelagert.

Den Kund:innen ist es egal, ob ein Ersatzteil neu oder alt ist.
Philipp Lenz

Hat sich durch die Lieferkettenstörungen in letzter Zeit etwas bei Ihnen verändert – ist der Bedarf nach aufgearbeiteten Teilen gestiegen?

Auch wenn manche Lieferanten die Lieferung von Teilen verzögert haben, war das bei uns weniger spürbar. Ich denke, dass uns die Inflation eher Aufwind geben wird. Wenn die Neuartikel im Preis steigen, werden die Reman-Altwaren attraktiver. Salopp gesagt: den Kunden ist es egal, ob ein Ersatzteil neu oder aufgearbeitet ist. Bei gleicher Gewährleistung, entscheiden sie sich meist für das günstigere.

Wie wollen Sie Ihr Reman-Programm künftig weiterentwickeln?


Den Bereich der elektronischen Komponenten und Einspritzung wollen wir noch stärker angehen. Das wird dann Motor-Steuergeräte, Displays, Joysticks, Tastaturen, die in den Baumaschinen eingesetzt werden, Einspritzinjektoren und Hochdruckkraftstoffpumpen betreffen. Insbesondere durch die große Vielfalt an Liebherr-Komponenten in Liebherr-Geräten können wir hier durch unsere Aufarbeitungsbetriebe und unser Partnernetzwerk punkten.

(Ebenfalls interessant: ETT-Report: Wie es um das Geschäft mit Ersatzteilen steht)