ETT : Das war die Ersatzteiltagung 2023
Die Ersatzteiltagung ist als Fixpunkt für Spareparts und Aftersales Manager bereits seit Jahren etabliert. Martin Riester, Geschäftsbereichsleiter Logistik und Supply Chain Management bei Fraunhofer Austria, der das Fachevent gemeinsam mit Factory-Chefredakteurin Cornelia Groiss moderierte, wies auf drei Zahlen hin: "8-60-10". In seinen Eröffnungsworten klärte er auf, was es damit auf sich hat: "Sie befinden sich heute auf der 8. Ersatzteiltagung, es gab in diesem Rahmen bisher insgesamt 60 Vorträge - und heute kommen 10 dazu". Groiss wies in ihrer Begrüßung auf die bewegten Zeiten, in der sich sowohl Hersteller als auch Dienstleister seit drei Jahren befinden und versprach mit der ETT, "nicht das Blaue vom Himmel", sondern ein Lernen aus Erfahrungswerten. Dementsprechend Praxis-geprägt waren auch die darauffolgenden Keynotes und Best-Practice-Vorträge.
Aussteller waren diesmal Inform als Goldsponsor, sowie an Antares, Cargo Partner, DB Schenker, ivii, Liferay, Markt-Pilot, Prodyna und Transaction Network.
Zusammenarbeiten und vorausplanen
Den Anfang des inhaltlichen Programms machte Wolfgang Voß, der als Manager, Service Parts Operations EAME/CIS sowie als Geschäftsführer für den Bereich Service Parts des US-amerikanischen Landtechnikherstellers John Deere verantwortlich ist. „Wir unterhalten in Europa ein leistungsfähiges Logistiknetzwerk mit ungefähr 4000 Händlerstandorten. An sich ein gut geöltes Getriebe. Bis jetzt“, sagte er mit Bezug auf aktuelle Krisen. Bei mehr als 1 Mio. Teilenummern ist es kein leichtes Unterfangen, dieses Getriebe reibungslos am Laufen zu halten. Ein wichtiges Stichwort, um auf äußere Unsicherheiten zu reagieren sei daher Flexibilisierung. Zudem setze man bei John Deere auf eine stärkere Zusammenarbeit über die gesamte Wertschöpfungskette bis zum Handel. Die sich im Einsatz befindlichen Maschinenflotten werden basierend auf den tatsächlichen Betriebsbedingungen überwacht und aufgrund dieser Daten Service Parts Prognosen erstellt. Diese Form der proaktiven Wartung und Instandhaltung nennt man bei John Deere "Connected Support".
Den zweiten Vortrag hielt Andrew Voigt, Geschäftsführer der Wacker Neuson Aftermarket & Services GmbH. Der Baumaschinenhersteller blieb von den aktuell schwierigen Zeiten nicht unberührt, wie Voigt offen sagte. Er sehe zwar weiterhin einen Anstieg in den Umsätzen bei Wacker Neuson, die Frage sei aber: wie lange noch? Daher müsse man sich als Hersteller immer mehr Gedanken über den Aftermarket machen. Das heiße mitunter, auf Datenbasis vorauszuplanen, den Lagerbestand zu monitoren und sinnvoll abzubauen. So könne man die Ersatzteilversorgung für die Kund:innen aufrecht erhalten, während die Lagerkosten im Rahmen blieben.
Software zur Bestandsbedarfsplanung und Remaufacturing
Mit einem Anwenderbericht kamen Bernd Hansal und Andreas Schäfer auf die Bühne. Hansal ist Bestands- und Beschaffungsplaner der europäischen Ersatzteil Hubs des Kranherstellers Palfinger und Schäfer leitet das Business Development im Geschäftsbereich Inventory & Supply Chain bei der Software-Firma Inform. Bei Palfinger legte man die ehemals sechs Läger in Europa auf drei Ersatzteilhubs zusammen und stattete sie mit einer gemeinsamen Strategie aus. Im Zuge dieser Unstrukturierung führte man zur Bestandsbedarfsplanung ADD*ONE von Inform ein. "Die Software analysiert täglich den Gebrauch jedes Artikels, errechnet mithilfe von Algorithmen Prognosen und gibt Handlungsvorschläge", wie die beiden Speaker erklärten.
Philipp Lenz von der Liebherr Group berichtete über das Reman-Programm, das in seinem Unternehmen bereits vor 20 Jahren eingeführt wurde: „Was ist das Wertversprechen von Remanufacturing? Wir haben eine kostengünstige Alternative zu Neuteilen, ich kann schnellere Versorgung und bessere Verfügbarkeit gewährleisten, ich habe Qualität, die jener von Neuteilen in nichts nachsteht und man spart Rohstoffe“. Eine Maschine, ein Motor etc. kann irgendwann kaputt werden. Wichtig sei laut Lenz der Zeitfaktor, da man nicht weiß, wann es soweit ist und man im Fall des Falles schnell reagieren muss. Mit dem Aufbereiten von Altteilen könne man aus einem größeren Pool schöpfen und die Versorgungssicherheit erhöhen.
Zwischenzeitlich führte Martin Riester die alljährliche Umfrage zu den aktuellen Themen im Ersatzteillogistikbereich durch. Lesen Sie hier die Ergebnisse!
Ersparnis auf Datenbasis und 3D-Druck von Ersatzteilen
Benjamin Sommer von der Firma Sparetech, das auch als sogenanntes Porsche-Start Up bekannt ist, stellte eine Plattform vor, die helfen soll, die Ersatzteildaten auf Vordermann zu bringen. Das bedeute etwa, Duplikate zu eliminieren, sowie die Einkäufe, insbsondere die Abkündigungen und Bezugsquellen zu optimieren. Das Identifizieren und Eliminieren der Duplikate dauere zwar zwischen sechs und 36 Monaten, berge in Kombination mit den anderen Maßnahmen aber ein deutliches Einsparpotenzial bei den Beschaffungskosten, wie Sommer anhand von Referenzkunden wie Pepperl+Fuchs oder Bosch veranschaulichte.
Als nächster Programmpunkt stand eine einstündige Werksführung bei Wacker Neuson auf dem Programm. Dort konnten die Teilnehmer:innen sehen, wie die bis zu 14,5 Tonnen schweren Bagger montiert, lackiert und geprüft werden.
In drei interaktiven Breakout-Sessions kamen Alex Morbe von Markt-Pilot, Christoph Ebert von Liferay mit Jan Rodan von Prodyna sowie Stephan Keckeis von Fraunhofer Austria - und natürlich auch die Tagungsbesucher:innen - zu Wort. Die besprochenen Themen reichten vom marktorientierten Ersatzteil-Pricing über Digitales Aftersales bis hin zur AM-Potenzialbewertung von Bauteilen.
Machine Learning und Psychologie
Im vorletzten Vortrag fasste Georg Schett von Fraunhofer Austria die Herausforderungen der Materialdisposition zusammen: „Das wichtigste ist die Warenverfügbarkeit, gute Prognosen sind essentiell für eine erfolgreiche Materialdisposition und die Preisgestaltung der Beschaffung ist ausgesprochen komplex“. Gemeinsam mit Julius Mehringer vom Fraunhofer IIS erklärte er, wie die Langzeitbevorratung von Ersatzteilen mithilfe von maschinellem Lernen optimiert werden kann.
In seiner Abschluss-Keynote zitierte Christoph Schlick vom SinnZENTRUM Salzburg den großen österreichischen Mediziner Viktor Frankl:„Wir haben einen unzerstörbaren Kern in uns. Und das ist die Würde“. In schwierigen Zeiten brauche es mehr als innovative Technologien, sondern auch Resilienz im psychologischen Sinn, erinnerte Schlick, der fast 20 Jahre als Mönch im Kloster verbracht hatte. Er gab der Veranstaltung eine persönliche, menschliche Note und machte die Teilnehmenden darauf aufmerksam, dass bei aller Anstrengung auch der Spaß an der eigenen Tätigkeit nicht zu kurz kommen solle. Diesem Motto folgten viele Besucher:innen beim Ausklang der Veranstaltung, als sie nach kurzer Instruktion eines Facharbeiters die Bagger von Wacker Neuson ausprobierten.
Am Ende wiesen Martin Riester erneut auf drei wichtige Zahlen hin, nämlich 7-3-24. Es steht nämlich schon der Termin der nächsten ETT fest: der 7. März 2024. Interessierte können sich auf der Website oder auf LinkedIn up-to-date halten!