Roboter in der Praxis : „Brauche ich überhaupt einen hyperintelligenten Roboter?“
FACTORY: Herr Pichler, inwiefern sind Roboter dem Menschen bereits überlegen?
Rudolf Pichler: Roboter können in kürzerer Zeit wesentlich mehr Informationen verarbeiten als Menschen und sind dabei sehr genau. Aber sie sind auch sehr viel anfälliger, wenn irgendwo ein Formalfehler auftaucht.
Wie viel Intelligenz steckt bereits heute in Robotern und wo liegen noch die Grenzen?
Wenn es um das Gestalterische und Fantasievolle geht, würde ich behaupten, dass der Mensch noch die Nase vorne hat. Da ist auch ein Kind der Maschine haushoch überlegen.
Von kreativen Robotern kann man also weiterhin nur träumen?
Träumen, ja. Aber das heißt auch, dass vielleicht die jüngere Generation das noch zuwege bringt. Da bin ich optimistisch.
Welche Entscheidungen können künftig von Robotern übernommen werden – können Sie ein Beispiel aus der Produktion nennen?
Zum Beispiel Entscheidungen für die Optimierung der Durchlaufzeiten von mehreren konkurrierenden Aufträgen. Da tut sich ein Mensch schwer. Eine Maschine hingegen kann schnell sagen, wie viele Kapazitäten und Ressourcen zu einem gewissen Zeitpunkt ich habe und daraus ein Gesamtoptimum ermitteln. Die Grundlage dafür sind allerdings wiederum von Menschen geschaffene Algorithmen.
(Lesen Sie auch: Immer effizientere Roboter führen zum Umbruch in der Produktion)
Rudolf Pichler auf der INDUSTRIErobotik-Konferenz 2022:
Industrieroboter werden immer stärker mit Logik und Rechnerleistung ausgestattet. Gleichzeitig wechseln Produktionsbedingungen sehr häufig, was ein stetiges, aufwändiges Nachlernen erfordert. Rudolf Pichler, Leiter der Smart Factory an der TU Graz, bringt in seiner Keynote das Spannungsverhältnis zwischen Komplexität und Wirtschaftlichkeit auf den Punkt.
Die herstellerunabhängige INDUSTRIErobotik-Konferenz findet am 27. September bei CNH Industrial in St. Valentin statt.
Die Bedienung von Robotern wird immer einfacher – liegt darin Ihrer Einschätzung nach der wesentlichste Trend in der Entwicklung?
Das halte ich für eine wichtige Entwicklung, aber leider sieht die Umsetzung noch anders aus. Früher oder später werden wir kaum mehr Fachkräfte haben. Darum muss die Programmierung wegfallen. Die Entwicklung muss und wird, etwa bei den mobilen Robotern, stärker in Richtung Spracherkennung gehen.
Wie soll das im Konkreten aussehen?
Wenn neben mir ein AGV mit einem Roboterarm und einem Greifer steht, dann muss ich dem sagen können: „Geh bitte ins Lager B und hol mir ein Stück vom Bauteil 27/15. Und bring mir das bis spätestens 14:30 an eine bestimmte Stelle“. Im besten Fall muss ich ihm nicht einmal sagen, wo das Teil sich befindet, weil das in einer Datenbank hinterlegt ist, auf die der Roboter zugreifen kann.
Wie weit sind die AnbieterInnen auf dem Gebiet der Spracherkennung?
Das funktioniert auf unseren Smartphones schon, also diese Module sind da. Aber die Signale müssen alle programmiert und hinterlegt werden, damit die richtigen Abfolgen stattfinden. Und das ist ein gehöriger Aufwand. Prinzipiell ist es also eine gute Idee, aber man muss viele Details berücksichtigen, die das ganze verzögern oder verteuern.
Ich sehe oft die Geisteshaltung, dass Leute von vornherein etwas nicht machen wollen, das kompliziert ist.
Worin liegt die größte Schwierigkeit an der Implementierung von Robotersystemen?
Jede Automatisierung braucht eine bestimmte geordnete Umgebung. Und wenn dann ein kleiner Zwischenfall ist – beispielsweise, wenn das Bauteil ein wenig schief liegt – können die Automatismen schon wieder verloren sein. Dann muss immer jemand nacharbeiten. Ich kann den Roboterarm zwar auch mit Vision versehen, damit er maschinell sehen kann. Aber das verursacht wieder ungemeine Kosten. Den potentiellen AnwenderInnen ist bewusst, dass das keine trivialen Fragen sind. Und die AnbieterInnen müssen erst recht etwas liefern, das wirklich gut und schnell einsatzfähig ist.
Wo sehen Sie noch weitere Automatisierungshürden für KMUs?
Sie brauchen Leute, die eine Affinität und das nötige Knowhow haben, um bei jedem Kinkerlitzchen eingreifen zu können. Denn wenn man wegen jedes kleinen Vorfalls den Lieferanten bemühen muss, dann verbringt man mehr Zeit mit der Servicierung als mit der Nutzung des Systems. Und außerdem sehe ich oft die Geisteshaltung, dass Leute von vornherein etwas nicht machen wollen, das kompliziert ist.
Ihre Smart Factory an der TU Graz gibt es offiziell seit ca. 1,5 Jahren. Was erforschen Sie dort in Bezug auf die agile Produktion?
Wir sind schon auf etliche Dinge draufgekommen. Agilität heißt ja, ein ähnliches, aber anderes neuartiges Produkt möglich rasch durch Umstellung und Adaptierung meiner Fertigung fertigen zu können. Wir zeigen mit der Smart Factory, wie man mit mobilen Arbeitsstationen eine Fertigung mit ihren Skills und Fertigungsmöglichkeiten umstellen kann – und der Link dazwischen sind Roboter. Zum Beispiel haben wir ein System entwickelt, mit dem wir Arbeitsstationen und AGVs, die sich bewegen, lokalisieren können.
Können Sie schon einen Einblick in ihren Vortrag auf der Industrierobotik-Konferenz geben?
In der Industrie nutzt man Maschinen zu einem bestimmten Zweck: zur Herstellung von Produkten. Und etwa bei einer Serienproduktion stellen sich manche zurecht die Frage: Brauche ich überhaupt einen hyperintelligenten Roboter? Durchaus provokant möchte ich also zur Diskussion stellen, ob wir weiterhin auf immer smartere Roboter setzen sollten, die nicht wenig Geld kosten. Oder gehen wir stattdessen weg vom Cobot und zurück zum ganz einfachen Industrieroboter, den wir aus Sicherheitsgründen wieder in den Käfig stellen? Das ist das Spannungsfeld, das ich ansprechen möchte.
(Lesen Sie auch: Industrierobotik: Der Hype ist vorbei)