Verpackungsindustrie
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Verpackung:
Vom Verschwenden, Verbessern und Vermeiden
Während die Verpackungsbranche wächst, bastelt die EU an einer Verpackungsverordnung, die die Hersteller stärker in die Pflicht nehmen soll. Weniger Verpackungsabfälle sind das Ziel, aber auch eine Forcierung der Kreislaufwirtschaft und damit die Schonung von Ressourcen. Getrieben wird die Wachstumsindustrie unter anderem durch den steigenden E-Commerce im B2C-Bereich. Der Einzelhandel verlagerte sich in den letzten Jahren immer stärker auf das Onlinegeschäft – und die frei-Haus gelieferten Pakete füllten mehr und mehr die Abfall-Container. Obwohl Papier als Verpackungsmaterial einen besseren Ruf als Plastik hat, ist auch dessen Herstellung nicht unproblematisch. Der deutsche Naturschutzbund deckte etwa auf, dass für die Papierindustrie zwischen 2000 und 2010 in Indonesien doppelt so viel ursprünglicher Regenwald gerodet wurde, wie für die Palmölproduktion. Neben Holz als Grundrohstoff bedarf es in der Produktion oft viel Wasser und bleichende Chemikalien, die der Umwelt schaden, wenn sie in unser Ökosystem gelangen. Die Papierindustrie gehört außerdem zu den energieintensivsten Branchen.
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Zu welchem Verpackungsmaterial ein Lieferant greift, hängt zunächst von praktischen Überlegungen ab. Besteht eine sogenannte Kontakt-Sensitivität mit dem verpackten Gut, wie es etwa bei Lebensmitteln der Fall ist? Wie zerbrechlich ist das Produkt? Welche Marketinganforderungen muss die Verpackung erfüllen? Inwiefern beeinflusst die Verpackung die Haltbarkeit des Produkts? Vertreter:innen der Kunststoffbranche nennen zu diesem Punkt gerne das Beispiel der Salatgurke, die in Plastikfolie eingepackt drei- bis viermal länger hält als eine blanke Gurke. Hier verringert die Verpackung also die Lebensmittelverschwendung, was in diesem Fall deutlich stärker wiegt als der durch die Folie verursachte Müll. Die Frage, ob und wie ein Produkt verpackt wird, ist also eine komplexe und sie verlangt nach einer Einbeziehung verschiedenster Parameter.
„Wie verschiedene Verpackungsmaterialien in puncto Nachhaltigkeit abschneiden, kann sich je nach Anwendung oder Region zum Teil stark unterscheiden“, weiß Branchenexperte Florian Müller, Partner der Unternehmensberatung Bain & Company. Im Paper & Packaging Report 2023 gibt das Unternehmen Aufschluss über die Möglichkeiten und Anforderungen des nachhaltigen Verpackens, basierend auf Marktforschung, Analysen von Finanzdaten und Interviews mit Branchenteilnehmer:innen. Laut Müller gehört beispielsweise Glas zu den Materialien, die in der Herstellung am meisten Emissionen verursachen. Bei der Neuproduktion fallen hierbei rund 220-230 CO2-Äquivalente an. Verpackungen aus Kunststoff wie z.B. leichte Folien oder Beutel wiederum schneiden mit 15-20 CO2e zwar hinsichtlich der CO2-Emissionen bei Produktion und Transport sehr gut ab, allerdings sind sie am wenigsten kreislauffähig oder biologisch abbaubar. Wichtig sei daher, den gesamten Lebenszyklus von Verpackungsmaterialien zu berücksichtigen – von der Rohstoffgewinnung und Produktion über den Transport bis hin zum Ende des Produktlebenszyklus.
Der Markt für recyceltes Material – als Basis für neue Produkte in der Kreislaufwirtschaft – ist gerade im Plastik-Bereich von zunehmender Knappheit geprägt.Florian Müller, Bain & Company
Rezyklate, Bio-Kunststoffe und ihre Hemmnisse
Recycling bzw. geschlossene Kreisläufe reduzieren nicht nur die Umweltauswirkungen, sondern steigern auch die Resilienz der Lieferketten und reduzieren längerfristig die Materialkosten. Für Unternehmen können sich so auch wirtschaftliche Vorteile ergeben. „Der Markt für recyceltes Material – als Basis für neue Produkte in der Kreislaufwirtschaft – ist gerade im Plastik-Bereich von zunehmender Knappheit geprägt“, erklärt Müller. Der Grund: Bislang steht vor allem lediglich „bottle flake“ aus dem Recycling von PET-Flaschen als „reiner“ Werkstoff zur Verfügung. Aufgrund niedriger Recyclingquoten und regulatorischer Beschränkungen werden also weniger Materialien wiederaufbereitet als wünschenswert wäre.
Als Alternative zu erdölbasierenden Kunststoffen traten in den letzten Jahren immer mehr Verpackungsmaterialien auf den Plan, die aus nachwachsenden Rohstoffen gewonnen werden. „In der Tat spielt der Trend hin zu Bio-Plastics und Bio-Degradables eine zunehmende Rolle in der Verpackungsindustrie, um auf den Trend weg von fossilen Brennstoffen oder die Sorge bezüglich des Umwelteinflusses von Mikroplastik zu reagieren“, so die Einschätzung von Silvan Goeldi, Associate Partner Bain & Company. In dem Bereich gibt es einerseits Bio-Plastics wie bio-PP und bio-PE, die nicht kompostierbar sind, aber aus biologischen Stoffen hergestellt werden, und andererseits kompostierbare Bio-Degradables wie unter anderem PLA, PHA, PBS und starch blends. Aktuell haben diese Stoffe laut dem Branchenexperten nur einen marginalen Anteil am gesamten Verpackungsmarkt, bis 2040 könnten sie aber über 10 Prozent des Marktes ausmachen. Wenn auch der Anbau der dafür benötigten Rohstoffe einige Fragen offen lässt.
Eine Reihe weiterer struktureller Gründe verhindern bislang eine höhere Marktdurchdringung. Allem voran mangelt es an ausreichender Recyclinginfrastruktur für diese Lösungen, und zum Teil sind sie nur schwer in herkömmliche industrielle Recyclingprozesse zu integrieren. „Wenn sich ein Stoff langsamer zersetzt als andere, wirkt sich das auf die Durchlaufgeschwindigkeit aus“, fügt Goeldi erklärend hinzu. Auch das Verhalten der Konsument:innen muss bei der Kreislaufwirtschaft mitgedacht werden. Wenn Bio-Degradable-Stoffe etwa durch die Endverbraucher:innen in herkömmliche Plastikrecyclingströme gelangen, verfehlen sie nicht nur ihren eigenen Zweck, sondern führen dort überdies zu Verunreinigungen. Die EU-Institutionen arbeiten zurzeit an Plastikregulierungen wie z.B. PPWR. Diese könnten auch Bio-Degradables umfassen und führen in Bezug auf zu tätigende Investitionen zu Unsicherheiten. Und schließlich können auch Fortschritte im Recycling von herkömmlichem Plastik den Markt für Bio-Plastics und Bio-Degradables mittelfristig begrenzen.
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Die Packaging and Packaging Waste Regulation der EU
Die für Mai 2024 geplante Einführung der Verordnung zur Produktverantwortung für Verpackungen (PPWR) zielt darauf ab, die Umweltauswirkungen von Verpackungen zu minimieren und die Einführung einer Kreislaufwirtschaft zu fördern. Unter der PPWR werden Hersteller verpflichtet, verschiedene Anforderungen zu erfüllen, darunter die Vermeidung übermäßiger Verpackung, die Förderung von Wiederverwertbarkeit und Recycling, die Übernahme von Verantwortung für die Entsorgung sowie die Pflicht zur Registrierung und Berichterstattung. Die Verordnung birgt Bedenken in der Verpackungsindustrie, da sie potenziell zu höheren Kosten führen kann, wenn Hersteller nun für Entsorgung und Recycling verantwortlich sind. Dennoch bietet sie gleichzeitig Chancen für innovative Geschäftsmodelle, da die Nachfrage nach umweltfreundlichen Verpackungen steigt und Unternehmen, die sich darauf spezialisieren, einen Wettbewerbsvorteil erlangen könnten.
Warum nicht einfach wiederverwenden?
Da das Prinzip der Wiederverwendung vor der Wiederaufbereitung steht, kommen etwa in der Logistik auch Mehrwegbehälter, immer häufiger zur Sprache. Doch der Klimaschutz ist nicht der einzige Grund, sich mit dieser Option zu befassen, wie Florian Müller ausführt: „Getrieben durch Arbeitskräftemangel und Kostendruck investieren mehr und mehr Unternehmen in die Automatisierung ihrer Lieferketten, insbesondere in Läger und Fulfillment Center. Automatisierte Läger benötigen standardisierte Ladungsträger und Mehrwegbehälter und treiben daher den Bedarf“. Teilegroßhändler steuern beispielsweise die Bestände von Verbrauchsmaterial direkt in der Produktion ihrer Industriekunden über sogenannte Vendor-Managed-Inventory-Konzepte. Hier erfolgt das Wiederauffüllen der Bestände über einen geschlossenen Behälterkreislauf. Doch auch das hat seine Nachteile: Problematisch ist oftmals die Rückführung leerer Behälter und Ladungsträger, da dies zu zusätzlichem Aufwand bei Transport und Reinigung führt. Auch die Bestandsführung und Inventur des Behälterkreislaufs führt zu zusätzlichem Aufwand – und macht die Prozesse träge. Wenig überraschend ist daher die Marktdurchdringung mit Mehrwegbehältern in den meisten Branchen noch gering und bewegt sich zwischen 20 und 30 Prozent. In Industrien mit weit fortgeschrittener Standardisierung wie der Automobilbranche liegt sie immerhin über 70 Prozent.
Um Transportverpackungen, also Kartonagen, wiederzuverwenden, müssen auch Regeln eingehalten werden. So sieht die neue EU-Verpackungsrichtlinie PPWR, die derzeit im EU-Parlament diskutiert wird, Ziele für 2030 und 2040 vor – abhängig von der Art des Transports. „Dies ist eine Verpackungsart, die anders als Primär- und Sekundärverpackungen leicht zu adressieren ist, da sie weder aus Gründen der sogenannten Kontakt-Sensitivität mit dem verpackten Gut noch aus Marketinggründen kritisch ist“, merkt Müller an.
Wir fassen zusammen; der Papier- und Verpackungssektor gilt zwar als Wachstumsindustrie, dennoch gibt es Bestrebungen, Verpackung, insbesondere Umverpackungen und sogenannte Tertiärverpackungen zu reduzieren. Das betrifft zum Beispiel Kartonage oder Stretchfolien, indem auf andere standardisierte Ladungsbehälter oder Mehrwegcontainer ausgewichen wird. Gleichwohl bleibt die Rückführungslogistik der Mehrwegbehälter aufwendig, sodass sich diese Effekte nur langsam bemerkbar machen.