Industrieroboter : Zum aktuellen Stand der Robotik in den USA: Ein Blick über den Atlantik

Nik Ensslen

Nikolai Ensslen ist CEO und Gründer von Synapticon, einem Unternehmen mit Sitz in Schönaich/Deutschland und Niederlassungen in Kalifornien, China und Serbien. Es führte einen neuen Ansatz für Motion Achsen in Robotern und Maschinen ein, indem bisher diskrete Komponenten integriert und Leistungs- und Qualitätsfaktoren digitalisiert werden.

- © Synapticon

Die USA erstarken in der Robotik wieder, wie sich auf der diesjährigen Veranstaltung vernehmen ließ. Dies ist erfreulich, denn in den letzten fünf Jahren sah es in der Breite, d.h. neben einigen starken Playern, eher nach einer Konsolidierung aus. In der Industrierobotik gab es zuletzt kaum noch US-Hersteller, ähnlich wie in der gesamten Industrieautomation, in der die USA zuletzt kaum noch vertreten waren. Dies ist nun offensichtlich nicht mehr der Fall - im Gegenteil, es ist wieder mehr Aktivität zu verzeichnen, es gibt viele und zum Teil bedeutende Neugründungen - nicht nur, aber auch in der Industrierobotik.

Im Vordergrund des aktuellen US-Robotermarktes stehen vor allem Serviceroboter, also mobile Roboter auf Rädern oder Beinen, Humanoide und Vierbeiner. Hier tut sich derzeit deutlich mehr als in Europa und die Lösungen sind wesentlich substanzieller als das, was in diesen Kategorien in Asien zu finden ist. Der Grund dafür ist, dass es sich um stärker softwaregetriebene Produkte handelt, die auch entsprechend attraktive Softwaremargen versprechen. Mit Fokus auf die Industrie gibt es auch viele Geschäftsmodelle, die komplett ohne eigene Hardware realisiert werden, die nur auf Softwaretechnologie basieren und Roboterhardware anderer Hersteller nutzen, meist aus Asien, manchmal aus Europa.

Bei hohem Potenzial sitzt das Geld in der Regel locker.

Dreistellige Millionenbeträge für zukunftsträchtige Unternehmen

Reine Hardware ist für US-Unternehmen in der Regel uninteressant, da aufgrund zu geringer Differenzierung bzw. Wertschöpfung nur geringe Margen erzielt werden können. Hohe Margen sind in den USA aber wichtig, da die Unternehmen meist durch Investoren finanziert oder an der Börse notiert sind und diese Anteilseigner Margen nicht nur mit hoher Profitabilität, sondern auch mit dem Zukunftspotenzial eines Unternehmens verbinden. Dass die Entwicklung dieser Angebote zunächst jeweils dreistellige Millionenbeträge kostet, ist dort kein großes Thema, bei hohem Potenzial sitzt das Geld in der Regel locker.

Die meist inhabergeführten, teilweise familiengeführten Unternehmen in Europa sind nicht so sehr auf hohe Margen aus, da sie - wiederum im Gegensatz zu den Amerikanern - sehr kosteneffizient (um nicht zu sagen sparsam) geführt werden und am Ende nur dem Inhaber einen auskömmlichen (und sozial verträglichen) Gewinn bringen sollen. Riesige Summen in ein perspektivisch margenstarkes Geschäft zu investieren, das dadurch für einige Jahre hochgradig unprofitabel wird, ist nicht des europäischen Unternehmers Ding. „Europe europing“ würde der bekannte Risikokapitalgeber Michael Jackson sagen.

Google in der Industrierobotik

Das Momentum in der Robotik, vor allem in den beschriebenen Bereichen, ist in den USA viel größer und mitreißender als in Europa, eben typisch amerikanisch versus typisch europäisch. Die KI-Welle reißt in den USA viel mehr Unternehmen mit, die Large Language Models (LLMs) inspirieren die Robotik. Collaborative Robotics zum Beispiel setzt voll auf LLMs als Benutzerschnittstelle und Enabler für intelligente Robotik im Gesundheitswesen. Unterdessen konzentriert sich Europa auf die Regulierung der KI.

Mit Intrinsic und der kürzlich angekündigten Übernahme der OSRF (Open Source Robotics Foundation) erfüllt sich - etwas später als erwartet - möglicherweise der Albtraum europäischer Anbieter von Automatisierung und Industrierobotik. So steigt Google in die Industrierobotik und Automation ein. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass Intrinsic relativ unabhängig von Google geführt wird. Spät kommt hier zusammen, was einst zu erwarten war, als Andy Rubin 2013/2014 acht US-amerikanische und ein deutsches Robotik-Startup aufkaufte: ein Android-System für die Robotik. Allerdings wird es wohl nicht als Betriebssystem mit zugehörigem Geschäftsmodell kommen, sondern als integrierende Lösungsplattform, sozusagen ein Geschäftsmodell für Systemintegration.

Europa als Hardware-, USA als Software-Lieferant

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es wieder einmal sehr nach zukünftiger Technologieführerschaft aussieht, was sich in den USA anbahnt. Die Technologie für Präzision, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit der Hardware kann gerne weiterhin aus Deutschland kommen. Aber wofür sie eingesetzt wird und welche Software darauf läuft, das könnte in Zukunft mehr und mehr in den USA definiert werden.

Die in Deutschland und in der EU durchaus vorhandenen softwarestarken Unternehmen sind schlicht in der Minderzahl, und die europäische Geschäftsmentalität bremst diese Sparte - im Gegensatz zu ihren amerikanischen und asiatischen Konkurrenten, die von einem starken Momentum und einer höheren Risikobereitschaft der Investoren profitieren können. Synapticon hatte ursprünglich die Vision, genau das zu entwickeln, was Intrinsic heute der Öffentlichkeit präsentiert. Verschiedene Faktoren, unter anderem die beschriebenen Umweltfaktoren, haben uns dazu gebracht, einen anderen, im Grunde sehr viel deutscheren Weg zu gehen, bei dem die Hardware im Mittelpunkt steht. Wir freuen uns aber sehr, dass wir heute allen Roboterentwicklern auf der Welt mit unseren durch Softwaretechnologie ermöglichten Komponenten zur Verfügung stehen, damit sie sehr viel schneller sehr leistungsfähige und zuverlässige Hardware bauen und sich auf ihre Software konzentrieren können.

(Ebenfalls interessant: Cobots: Gut vermarktet, schlecht verwendet?)