Universal Robots : UR-Manager Alboni: „Der Cobot an sich existiert nicht“
FACTORY: Universal Robots hat 2008 den weltweit ersten kollaborierenden Roboter verkauft. Heute drängen die Anbieter zahlreich auf den Markt. Ist das für Sie ein Grund zur Sorge?
Andrea Alboni: Es ist ein Grund zur Freude, weil das Interesse des Wettbewerbers für uns die Bestätigung dafür ist, dass wir schon viel richtig gemacht haben. Und wir sind ja nach wie vor Weltmarktführer. In Österreich sagt man: „So jung kommen wir nicht mehr z‘samm“. Umgemünzt könnte man sagen: so wenig Wettbewerb werden wir nie wieder haben. Es wird immer mehr. Ich bin aber überzeugt, dass, wenn wir als Branche das Thema weitertreiben, alle gewinnen können. Mit unserer Erfahrung von über 50 000 Cobots im Markt haben wir einen Vorsprung, allerdings gibt es auch ein paar Hausaufgaben zu erledigen.
Welche Hausaufgaben sind das?
Ein Thema, das wir alle haben, ist Unternehmen zu erreichen, die noch glauben, dass die Automatisierungstechnik nicht für sie geeignet ist.
Wie wollen Sie diese Unternehmen ansprechen?
Die Frage nach geeignetem Personal beschäftig heute viele. Unsere Marketingabteilung hat nun die Herausforderung, zu vermitteln, dass in der Automatisierung eine Antwort darauf steckt. Dazu haben wir neue Servicepakete geschnürt und versuchen, praxisorientierte Verbesserungen einzubringen ohne irgendwas revolutionieren zu müssen.
(Lesen Sie auch: Industrie und Robotik: Was ist neu - und womit müssen wir 2022 noch rechnen?)
Die Suche nach Perfektion ist nur eine Bremse für die Innovation. Und dafür haben wir keine Zeit.
Sie meinten ja, der Wettbewerb bereite Ihnen Freude. Würden Sie dennoch sagen, in einem bestimmten Marktsegmenten sind Sie quasi unantastbar?
Das Wort unantastbar würde ich nie verwenden. Nokia zum Beispiel ist gestorben, sobald das Unternehmen verlautbart hat, dass Smartphones nur ein Spielzeug sind. Es gibt aber Bereiche, wie etwa das Schweißen, wo wir deutliche Vorteile haben. Aber zurück zur Freude. Unser Wettbewerber KUKA hat ein Projekt, zu dem ich meinen dortigen Bekannten immer gratuliert habe, und zwar einen Reha-Roboter. Robotik kann uns als Gesellschaft auch außerhalb der Industrie unterstützen. Und wenn ich sehe, wie KUKA diese Lücke mit einer Lösung füllt, dann habe auch ich Freude daran.
Heißt das umgekehrt, dass die Dienstleistungsbranche etwas ist, von dem Sie eher die Finger lassen?
Nein, auch wir sind nicht nur im industriellen Umfeld unterwegs. Wir haben Koch-Roboter, Roboter für Schulen und sind auch Partner von Initiativen im Krankenhausbereich, wo es ebenfalls einen extremen Mangel an Personal gibt.
Es heißt ja oft, dass sich Cobots und Industrieroboter immer mehr annähern. Würden Sie das unterschreiben?
Der Deutsche in mir würde sagen, dass der Cobot an sich nicht existiert. Wir bieten einen Industrieroboter, der Kraft und Leistung begrenzen kann. Insofern ist er – wenn man das überhaupt so nennen kann – kollaborationsfähig.
Was sagt der Italiener in Ihnen dazu?
Der Italiener sagt, dass Kollaboration sich nicht nur auf das rein Technische beschränkt. Auch Flexibilität gehört zur Kollaboration. Wenn ich bei der Inbetriebnahme eines UR-Roboters ein Koordinatensystem falsch anlege und ihn in einen Tisch reinfahre, dann habe ich eine Delle. Wenn ich das aber bei anderen Robotern mache, habe ich danach eine große Delle. Das bedeutet: selbstverständlich gibt es Überlappungen. Es gibt bestimmt manche Roboter, die wir als Cobot verkauft haben, für deren Aufgaben aber auch ein Industrieroboter gepasst hätte – oder umgekehrt. Das besondere an unserem Paket ist, dass wir Flexibilität bereitstellen. Deutsche, und womöglich auch Österreicher, denken oft, dass die Maschine perfekt sein muss. Das sehe ich nicht so.
Was ist daran falsch?
Ich nenne es Perfektionitis, wie eine Krankheit. Die Suche nach Perfektion ist nur eine Bremse für die Innovation. Und dafür haben wir keine Zeit. Besser ist es, einmal anzufangen. Dann baut man Wissen auf und mit dem Wissen kommt auch die Eigenverantwortung. Am Ende sind unsere KundInnen, insbesondere die kleineren, die Spezialisten für ihre Prozesse. Sie sollen zuerst Robotik-Erfahrung sammeln und danach können sie mit uns gemeinsam den Prozess und die Maschine optimieren.
(Lesen Sie auch: Warum KMU in die Cobot-Falle tappen)
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Würden Sie sagen, dass bei Universal Robots der Fokus mehr auf der Hardware liegt als bei anderen Herstellern?
Ich will mich da nicht mit anderen Firmen vergleichen, aber ich bin davon überzeugt, dass Software alleine nicht reichen wird. Der Roboter ist immer noch eine Maschine. Es gibt immer einen Prozess und einen Zweck dahinter – den darf man nicht aus den Augen verlieren. Daher müssen wir sowohl in Software als auch in Hardware investieren.
Gehen wir zu den Fähigkeiten, die Cobots mitbringen können – Leichtigkeit, Flexibilität, Sicherheit, Traglast. Welche finden Sie am wichtigsten?
Für den neuen Roboter UR20 war uns wichtig, sowohl die Traglast als auch die Reichweite zu verbessern. Das war das, was uns im Portfolio noch gefehlt hat. Ansonsten kann ich keine Kategorie alleine nennen, weil jede eine wichtige Rolle in der kompletten Maschine spielt.
Wenn die Roboter immer mehr Einzug halten in verschiedenen Produktionsbetrieben, was macht das mit der Rolle des Arbeiters?
Ich bin überzeugt, dass die Rolle des Menschen dadurch aufgewertet wird. Heute gibt es zu viele Menschen, die wie Roboter arbeiten müssen. Der klassische Maschinenbelader nimmt Teile, gibt sie in die Maschine zum Zerspanen, Türe zu, Knopf drücken und warten bis die Maschine fertig ist. Und dann das nächste Bauteil. Ähnliche Arbeitsabläufe gibt es auch im Krankenhaus. Niemand will diese Arbeit machen. Wir haben eine Situation, wo bis 2050 zig Millionen EuropäerInnen zu arbeiten aufhören.
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"Der Deutsche in mir würde sagen, dass der Cobot an sich nicht existiert."
Andrea Alboni
Worin sehen Sie bei dem Problem Ihre Rolle als Robotik-Anbieter?
Wir müssen zeigen, dass der Roboter ein Werkzeug ist, der einem Mitarbeiter hilft, seine Tätigkeiten zu erledigen. Es ist kein Zufall, dass viele von unseren Robotern, wenn sie in den Einsatz kommen, von unseren Kunden einen Namen bekommen. Das zeigt, dass da wirklich eine Beziehung mit diesem Werkzeug entsteht. Auch kleinere Unternehmen können mit Robotik beweisen, dass sie mit zukunftsorientierter Technologie arbeiten – und damit für jüngere Fachkräfte attraktiver werden.
In dem Zusammenhang ist auch das Thema Maschinensteuer brisant. Wie stehen Sie zu der Idee?
Haben wir eine Steuer auf Computer? – nein. Haben wir eine Steuer auf Traktoren? – auch nicht. Das sind die zwei größten Arbeitsplatzvernichter der letzten 120 Jahre. In Deutschland war 1906 noch ein Drittel der Erwerbstätigen in der Landwirtschaft tätig, jetzt liegt der Anteil bei geschätzt 1,5 Prozent. Aber niemand würde sagen, den Traktor müsse man versteuern. Roboter sichert momentan Arbeitsplätze in Europa, weil sie sonst nach Asien abwandern.
Eine private Frage zum Schluss: haben Sie selbst einen Roboter zuhause?
Ich habe einen Cobot im Büro, den ich ab und zu im Koffer mit nach Hause nehme. Den stecke ich in die Steckdose und dann kann ihn jeder ausprobieren – auch die Kinder. Denen zeige ich ein bisschen wie es geht und dann machen sie das schon alleine. Als ich ihn zum ersten Mal mitgebracht habe, hat mein Sohn gerade angefangen mit Spielzeugautos zu spielen. Und da ist er auf die Idee gekommen, dass er den Cobot nutzt, um seine Autos aufzuräumen. Im Prinzip hat er damit schon nach einer Lösung seines Problems gesucht.
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