Engineering, Forschung und Entwicklung in der Industrie : Trotz Inflation: Produktionsbetriebe erhöhen weltweit Investitionen
Die Inflation ist hoch, die Konjunktur lahmt. Dennoch planen Industrieunternehmen rund um den Globus, ihre Ausgaben für Engineering, Forschung und Entwicklung (F&E) und damit für Innovationen im weitesten Sinne in den kommenden Jahren massiv zu erhöhen.* In Schlüsselindustrien wie der Automobil- und Energiebranche oder dem Maschinenbau könnten die weltweiten F&E-Budgets demnach bis 2026 um durchschnittlich zehn Prozent pro Jahr wachsen. Zu diesen Ergebnissen kommt der erste „Global Engineering and R&D Report“ der internationalen Managementberatung Bain & Company, für den weltweit mehr als 500 Top-Manager aus wichtigen Industrienationen - darunter auch Deutschland - befragt wurden. Treiber und Hemmnisse werden ebenso aufgezeigt wie die Gründe für das Outsourcing von F&E-Aktivitäten, für das sich produzierende Unternehmen branchenübergreifend zunehmend entscheiden.
Höherer Stellenwert für Innovationen
Dass die Investitionsbereitschaft trotz schwacher Konjunktur hoch ist, überrascht Bain-Partner und Studienautor Daniel Suter nicht: „Ausgaben für Innovationen stehen heute oft im Zentrum strategischer Überlegungen. Sie dienen nicht mehr nur der Entwicklung und Optimierung von Produkten, sondern bereiten gleichzeitig den Boden, um Geschäftsmodelle weiterzuentwickeln oder teilweise sogar neu zu erfinden.“ Auch vor diesem Hintergrund wollen 60 Prozent der im Rahmen der Studie befragten deutschen Führungskräfte die F&E-Budgets ihrer Unternehmen in den kommenden Jahren nach oben anpassen.
Die gestiegene Bedeutung von Innovationen hängt eng mit der fortschreitenden Digitalisierung zusammen. Laut der Bain-Studie werden die ER&D-Ausgaben für digitale Produkte und Dienstleistungen bis 2026 weltweit um durchschnittlich 19 Prozent pro Jahr steigen - und damit fast doppelt so schnell wie die Gesamtinvestitionen. „Auch Industrieunternehmen in der DACH-Region sollten ihre Aktivitäten in diesem Bereich verstärken“, betont Suter. „Die Vergangenheit hat gezeigt, dass Investitionen in Innovationen während eines Abschwungs oft zu nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen führen. Und der jüngste Stellenabbau im Technologiesektor erleichtert die Rekrutierung digitaler Talente.“
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Dem Fachkräftemangel begegnen
Neben innovativen Produkten und Dienstleistungen ist es vor allem wichtig, in Menschen zu investieren. Damit Industrieunternehmen ihre F&E-Aktivitäten vorantreiben können, benötigen sie hoch qualifizierte Fach- und Führungskräfte. Doch daran mangelt es weltweit. Laut Bain-Studie sprechen 73 Prozent der Befragten von Personalengpässen. Dabei hat die Pensionierungswelle der Babyboomer gerade erst begonnen. Zudem wechseln Ingenieurinnen und Ingenieure mit zunehmendem Alter häufig in andere Funktionen, was die Personalknappheit in der Entwicklung noch verschärft.
Bain-Partner Michael Staebe, Leiter der Praxisgruppe Industrial Goods and Services in der DACH-Region, fordert ein Umdenken: „In Zeiten des globalen Fachkräftemangels reicht es nicht aus, mit aufwendigen Kampagnen um knappe Talente zu werben. Mindestens ebenso wichtig ist es, attraktive Rahmenbedingungen für die bestehende Belegschaft und insbesondere für Ingenieurinnen und Ingenieure zu schaffen, damit sie sich kontinuierlich weiterentwickeln können.
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Industrieunternehmen müssen sich neue Formen der Wertschöpfung erschließen.Michael Staebe
Mit ergebnisorientierten Lösungen punkten
Nur wer sich dieser Herausforderung stellt und entsprechende Angebote macht, kann den veränderten Anforderungen des Marktes gerecht werden. Im Mittelpunkt stehen immer weniger die Produkte an sich, sondern ergebnisorientierte Lösungen, die der Kunde je nach Verfügbarkeit bezahlt. „Industrieunternehmen müssen sich neue Formen der Wertschöpfung erschließen“, erklärt Staebe. „Wenn sie nicht in Innovationen und ein besseres Kundenerlebnis investieren, laufen sie Gefahr, von flexibleren Wettbewerbern an den Rand gedrängt zu werden.“
Dieser Gefahr sind sich die Teilnehmer der Bain-Studie durchaus bewusst. Auch deshalb gehört die Verkürzung der Entwicklungszeiten für drei von vier Befragten zu den Maßnahmen mit höchster Priorität. Eine fast ebenso große Bedeutung messen sie der Integration neuer Technologien bei. Dazu zählt nicht zuletzt die künstliche Intelligenz. Für die deutschen Führungskräfte ist darüber hinaus der Umgang mit dem hohen Kostendruck ein drängendes Thema.
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Traditionell haben Industrieunternehmen alles daran gesetzt, Entwicklungen für das Kerngeschäft im eigenen Haus voranzutreiben und nur vor- oder nachgelagerte Wertschöpfungsstufen auszulagern. Jetzt ist auch das Kerngeschäft nicht mehr tabu.Daniel Suter
Mit Partnern die Technologieführerschaft verteidigen
Um mit knappen Personalressourcen schnelle Entwicklungserfolge zu erzielen, arbeiten immer mehr Unternehmen mit externen Partnern zusammen. Laut Bain-Studie planen 60 Prozent der produzierenden Unternehmen, in den kommenden Jahren einen größeren Teil ihrer Innovationsaktivitäten auszulagern. Bislang liegt der Outsourcing-Anteil bei Großunternehmen im Schnitt bei 18 Prozent. Im Vergleich etwa zur IT-Branche ist das eher gering. Dort liegt der Outsourcing-Anteil inzwischen bei 46 Prozent. Bei der Auswahl des externen Partners spielt dessen Expertise die zentrale Rolle. Die Kosten sind erst das zweitwichtigste Entscheidungskriterium - auch bei deutschen Unternehmen.
Dass produzierende Unternehmen weltweit zunehmend F&E-Aktivitäten auslagern, ist für Bain-Partner Suter ein grundlegender Wandel: „Traditionell haben Industrieunternehmen alles daran gesetzt, Entwicklungen für das Kerngeschäft im eigenen Haus voranzutreiben und nur vor- oder nachgelagerte Wertschöpfungsstufen auszulagern. Jetzt ist auch das Kerngeschäft nicht mehr tabu.“ Die Kooperationen der Automobilhersteller mit Chipherstellern und Internetgiganten seien nur die Vorboten. Für Suter steht fest: "Die Industrie in der DACH-Region kann ihre Technologieführerschaft nur im Schulterschluss mit Partnern verteidigen".
* F&E-Aufwendungen umfassen Aufwendungen für Forschung, Produktentwicklung, den Einsatz neuer Technologien, die Entwicklung von Software und Inhalten, Produkttests, die Klärung regulatorischer Fragen, klinische Studien und weitere in diesem Zusammenhang anfallende Kosten.