Sustainability : Nachhaltigkeitsberichterstattung: Managementberater plädiert für mehr Gelassenheit

Bis wann sollten Unternehmen auf die verpflichtende Nachhaltigkeitsberichterstattung vorbereitet sein?

Die Corporate Sustainability Reporting Directive CSRD und EU-Taxonomie müssen von den meisten Unternehmen zum ersten Mal mit dem Geschäftsjahr 2025 berichtet werden. Bis dahin sind alle Daten verfügbar und messbar zu machen. Dementsprechend sind davor alle Anforderungen zu klären, um die Berichtsfähigkeit überhaupt herzustellen. Ich empfehle, die Strukturen schon jetzt zu schaffen, damit es dann nicht zu Überraschungen kommt. Der Arbeitsmarkt ist knapp an Experten. Und auch bei den verfügbaren Leuten auf dem Markt muss man genau hinsehen: Wie viel Qualifikation oder Erfahrung ist tatsächlich vorhanden? Die Teilnahme an einem Uni-Kurs macht niemanden zum Nachhaltigkeitsprofi. Gleiches gilt für die Berater:innen: Wie bei der Einführung von SAP S/4HANA ist zu erwarten, dass der Beratermarkt kurz vor der Berichtspflicht leergekauft sein wird. Wer also zuletzt kommt, den beißen die Hunde. Wir raten also klar dazu, schon jetzt mit den Vorbereitungen zu beginnen.

Peter Sattler ist Principal und Head of Green Transformation & Corporate Sustainability bei Horváth in Wien.
Peter Sattler ist Principal und Head of Green Transformation & Corporate Sustainability bei Horváth in Wien. - © Horvath
Bei freiwilligen Anforderungen raten wir, Synergien mit den verpflichtenden Anforderungen sicherzustellen, um Mehraufwand zu vermeiden.

Wenn es um die Definition von Nachhaltigkeit geht, ist die Verwirrung groß. Wir sehen hunderte neue Begriffe, Akronyme und Zertifikate. Worauf wird es in den nächsten Jahren ankommen? Was ist Pflicht?

Es gibt im wesentlichen zwei Anforderungen, die für nahezu alle größeren Unternehmen relevant sind: zum einen die CSRD. Sie regelt die Anforderungen an die nicht-finanzielle Berichterstattung für alle ESG-Dimensionen, also Umwelt, Gesellschaft und Governance. Demgegenüber steht die zweite große Berichtsanforderung, nämlich die EU-Taxonomie. Sie richtet sich insbesondere an Kapitalgeber der Unternehmen. Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl freiwilliger Standards, Ratings und Zertifkate wie zum Beispiel GRI, TCFD, SBTi oder EcoVadis. Bei diesen freiwilligen Anforderungen raten wir, Synergien mit den verpflichtenden Anforderungen sicherzustellen, um Mehraufwand zu vermeiden. Da ist die Frage zu stellen, welche freiwilligen Berichte dem Unternehmen tatsächlich helfen.

An den neuen Anforderungen kommt also niemand mehr vorbei. Ist das in den Vorstandsetagen schon angekommen?

Die Sensibilität in den Vorstandsetagen wächst. Das liegt daran, dass viele Unternehmen ihre Geschäftsmodelle an eine nachhaltige Welt anpassen oder manchmal auch komplett überarbeiten müssen. Ich denke hier beispielsweise an die Energiebranche, die chemische Industrie oder die Automobilhersteller. Hier wird kaum ein Stein auf dem anderen bleiben. Zum anderen liegt das auch daran, dass selbst Unternehmen mit einem nachhaltigen Geschäftsmodell, wie zum Beispiel die Herstellung von Windrädern, nachhaltiger werden müssen. Das heißt also, sie müssen das Thema Sustainability in ihre Strategie aufnehmen, Ziele definieren, Maßnahmen festlegen, den Umsetzungsfortschritt mit KPIs messen – und darüber ihre Stakeholder im Rahmen des ESG Reportings informieren.

Einen eigenen Chief Sustainability Officer sehen wir in der Praxis noch selten.

Wer ist innerhalb der zuständig für die Einhaltung von Nachhaltigkeitsrichtlinien?

Hinsichtlich der Zuständigkeit sehen wir unterschiedliche Ausprägungen. Unternehmen, deren Nachhaltigkeit stark von Kundenseite eingefordert wird, verorten das Thema oft beim CEO. Unternehmen, die eine komplexe technologische Transformation benötigen, nehmen oftmals den COO in die Verantwortung. Der CFO ist insbesondere dann hauptverantwortlich, wenn die Kapitalmarktkommunikation vorrangig ist. Einen eigenen Chief Sustainability Officer sehen wir in der Praxis noch selten. Eine Art „Chief Green Transformation Officer“ wird sich aber in den nächsten Jahren stärker etablieren.

Reicht der aktuelle Personalstock in den Unternehmen? Oder braucht es für die viele neuen Aufgaben weitere Mitarbeiter?

Früher oder später wird das Thema Nachhaltigkeit, Sustainability Strategie und ESG-Reporting professionalisiert, in Prozesse integriert, mit strukturierten Daten, verteilten Verantwortlichkeiten und entsprechenden Systemen. In dieser Phase steigt die Arbeitsbelastung für das Unternehmen und wohl auch der Mitarbeiterbedarf. Die Einführung einer eigenen Nachhaltigkeitsabteilung ist dann in den allermeisten Unternehmen sinnvoll. Sobald sich die neuen Strukturen eingeschwungen haben, lässt auch der Ressourcenbedarf wieder nach. Die Anzahl der benötigten Mitarbeiter ist von der Unternehmensgröße und dem Veränderungsbedarf abhängig. Zumeist sehen wir ein Kernteam mit vier bis acht Leuten, die an CSRD und EU-Taxonomie arbeiten und Geschäftsbereiche sowie Funktionen einbinden. Hier darf man sich keine Illusionen machen: CSRD und EU-Taxonomie sind keine Themen, die man an einem Freitag nachmittag erledigen kann.

Wie weit kann die Berichterstattung mit digitalen Mitteln effizienter werden?

Die Automation der Datenbeschaffung und Datenbearbeitung im Nachhaltigkeitsbereich wird an Bedeutung gewinnen. Nachdem Unternehmen mit einer ungeheuren Anzahl an Datenpunkten arbeiten müssen, werden jene Unternehmen klar effizienter sein, die die richtigen Prozesse und Systeme installiert haben. Zudem können aus den nichtfinanziellen Daten, die im Rahmen des ESG-Reportings erfasst werden, zahlreiche wichtige Informationen abgeleitet werden, die auch für den ökonomischen Erfolg von Unternehmen sehr relevant sind, z.B. wenn man an Energie- und Ressourceneffizient denkt.

Die Berichtsanforderungen sind teilweise noch nicht vollständig definiert. Wie sollten Unternehmen am besten damit umgehen?

Es ist richtig, dass hier noch Anpassungen bevorstehen, bei der CSRD in den Details zu allgemeinen Anforderungen ebenso wie bei sektorspezifischen Anforderungen. Bei der EU-Taxonomie stehen die Bewertungskriterien für 4 von 6 Umweltzielen aus. Darüber hinaus werden weitere Kriterien für Gesellschaft und Governance diskutiert. Unabhängig von diesen Änderungen sollten sich Unternehmen rasch informieren, was mit den neuen, verpflichtenden Reportinganforderungen auf sie zukommt. Dabei geht es oft um die Basics in puncto Umweltmanagement, HR oder HSE, die Unternehmen jetzt nachziehen müssen. Wenn das geklärt ist, kann man einen Plan erarbeiten, wie man die geforderte Berichtsfähigkeit herstellen kann. Es braucht neue Prozesse, Systeme und Verantwortlichkeiten. Wer zu spät beginnt, wird das erste Jahr der neuen Berichtspflichten durchgehend mit Firefighting beschäftigt sein. Das kann durch rechtzeitiges Handeln vermieden werden.

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