Automation in der Messtechnik : Messtechnik: "Automatisierung kann mit einfachen Mitteln große Effizienz bringen"

Dennis Rathmann: Maximilian, bitte stell dich und die Firma Zeiss kurz vor!

Maximilian Wiedemann: Ich bin seit 14 Jahren bei der Firma Zeiss im Bereich der Messtechnik tätig und habe mich in der Zeit immer dem Thema Automatisierung gewidmet, im Bereich Produktmanagement und jetzt mit Schwerpunkt auf Vertriebsentwicklung für Automatisierung. Zeiss als Partner für die industrielle Messtechnik bietet eine große Produktpalette, von klassischen Koordinatenmessgeräten, über optische Systeme, Multisensoriksysteme und natürlich Software. Einsatz findet sie in verschiedenen Branchen, sei es die Automobil- oder Flugzeugbranche, klassischer Maschinenbau, oder auch die Kunststoffindustrie, Elektronik oder Medizintechnik. Und da können wir je nach Applikation verschiedene Technologien anbieten, zum Beispiel auch Röntgenmesstechnik für die Qualitätsprüfung und die Industrie-Mikroskopie, gerade wenn es um Materialanalyse geht. In Österreich beschäftigen wir aktuell 50 Mitarbeiter:innen. Im gesamten südosteuropäischen Raum sind es aktuell circa 110. Dadurch, dass wir flächendeckend stationiert sind und lokal Service- und Anwendungstechniker haben, können wir Reparaturzeiten und Stillstände kurzhalten.

Was genau automatisiert man, wenn man von Automatisierung in der Messtechnik spricht?


Wir sprechen schon lange nicht mehr darüber, die Messung selbst zu automatisieren. Da bieten wir ein breites Portfolio an unterschiedlichen Messsystemen an. Es geht also um die Prozesse drumherum. Da geht es um Fragen, wie: Wie gut ist das Messgerät in den Prozess integriert? Wie kommt das Werkstück drauf? Wie kommt es abhängig vom Ergebnis wieder runter? An welcher Stelle ist Bediener-Interaktion sinnvoll? Und wenn ich gemessen habe, geht es darum, was mache ich mit den Daten? Wie führe ich die Information wieder in den Prozess zurück, um ihn zu verbessern? Die Automatisierungsanforderungen, haben wir nicht nur im taktilen Bereich, sondern auch in der optischen Messung. Dort haben wir es mit hohen Geschwindigkeiten zu tun. Wir können schnell Merkmale messen, schnell eine Qualitätsaussage erreichen. Und das ist prädestiniert für einen Inline-Einsatz. Aber auch, wenn wir in Richtung CT gehen, zerstörungsfreie Messtechnik, um Lunker oder Einschlüsse im Gussteil zu sehen.

>> Immer up to date mit der Branche sein? Hier geht’s zum Factory-Newsletter!

Wiedemann Maximilian Richard klein
Maximilian Wiedemann ist leitender Produktmanager für den Bereich "Solutions for Integration and Automation" bei Zeiss Industrial Metrology. - © ZEISS

Sie hören lieber zu? Hier geht's zur Podcast-Folge über Automatisierung in der Messtechnik!

Dennis Rathmann: Welche für Anforderungen kommen aktuell auf Zeiss zu, wenn es um die Automatisierung geht?

Maximilian Wiedemann:
Es wird heute mehr in der Fertigung gemessen, was auch richtig ist, weil genau dort die Ergebnisse benötigt werden. Ich möchte mir die langen Wege und Wartezeiten mit dem Messraum ersparen. Und je näher ich in die Fertigung gehe, desto mehr bedeutet es, dass auch andere Personen Berührungspunkte mit einer Qualitätssicherung bekommen. Das heißt für uns, dass wir die Bedienung vereinfachen, oder dass wir die Bediener entlasten mit automatisiertem Handling, mannlosen Schichten oder sogar Wochenenden.

Was ist da möglich?


Zum einen ist es wichtig, mit den Dienstleistungen vor Ort zu sein, um den Kunden zu zeigen, dass Automatisierung auch mit einfachen Mitteln große Effizienz bringen kann. Wir gehen deshalb stark in Richtung Standardisierung, um die Geräte leicht integrieren zu können. Wir haben das im Portfolio ZEISS Integration Series gebündelt. Ganz konkret sprechen wir hier etwa von Beladehilfen, um Werkstücke zu rüsten. Ein nächster Schritt wäre, automatisierte Werkstückspeicher anzubieten.

Das heißt, die Automatisierung nimmt dann aus dem Speicher die Bauteile raus, misst sie durch und er macht parallel etwas anderes?


Genau, richtig. Das hat A zur Folge, dass die Maschine kontinuierlich ausgelastet ist, ich einen hohen Messdurchsatz bekomme. Und B, der Bediener von dem Messprozess entkoppelt wird. Das heißt, er rüstet die Teile dann, wenn es in seine Abläufe passt.

Kannst du auf das Thema Software noch weiter eingehen?


Der Bediener kann nicht Experte für alles sein und deshalb ist es wichtig, dass einfache Bedienungsoberflächen die Informationen liefern, die für den Bediener relevant sind. Was wir häufig finden, wenn wir mit Integratoren zusammenarbeiten, ist, dass das KMG (Koordinatenmessgerät) mit einer einfachen Automatisierungsschnittstelle ausgestattet wird, um das fernsteuern zu können.

Wir sind jetzt an einem großen Wendepunkt, wo man das Thema Schnittstelle auf eine neue Ebene hebt – und das ist OPC UA.
Maximilian Wiedemann

Stichwort Schnittstellen. Was sind da eure Erfahrungen? Man muss ja alle Daten miteinander verheiraten und es muss hinterher wieder etwas Gescheites rauskommen...

Maximilian Wiedemann:
Richtig. In Anfangsjahren waren wir bei einfachen Digital-IO-Schnittstellen. Dann sind wir lange Zeit eben auf reiner SPS-Ebene unterwegs gewesen, also reine Machine-to-Machine-Kommunikation, wo wir uns an den Standard-Feldbus-Systemen wie Profibus oder Profinet orientiert haben. Aber es gab immer die Diskussion, wer macht was und wie sieht die Schnittstelle aus. Und da sind wir jetzt an einem großen Wendepunkt, wo man das Thema Schnittstelle auf eine neue Ebene hebt – und das ist OPC UA.

Was bedeutet OPC UA?


Bei OPC UA haben sich Unternehmen zusammengetan, um dem Bedarf der Kunden an Standards gerecht zu werden. Aktuell sind es 900 Unternehmen, die Mitglied bei dieser OPC Foundation sind. Da ist unter anderem auch der VDMA dabei, der das Thema vorantreibt, und auch viele weitere, die aktiv an diesen Kommunikationsstandards arbeiten. Es sind die größten Unternehmen weltweit, die sich da angeschlossen haben. Man kann von einer richtigen Marktbewegung sprechen, um Maschinen und Equipment zu standardisieren. Das ist nach wie vor oft ein Riesenproblem, denn jeder kocht seine eigene Suppe und digitalisiert wird mittlerweile alles, vom Sägeband bis über die Maschine, bis hin zum Messtaster oder zur Messmaschine. Und da ist es wichtig, das Komplette transparent und miteinander verknüpfbar zu machen.

Und was bringt OPC UA speziell in der Messtechnik?


Es gibt eine allgemeine Spezifikation, OPC UA for Machinery, in der bestimmte Maschinenzustände beschrieben werden und dann gibt es darüber hinaus Spezifikationen als Erweiterungen, die noch mehr Informationen liefern. Im Bereich der Messtechnik ist die Spezifikation für geometrische Messsysteme wesentlich. Da sind wichtige Informationen standardisiert enthalten, wie Result Management, Informationen zum Equipment, also welcher Sensor wird gerade verwendet, Informationen zum Prüfplan, etc. Aktuell läuft die Pilotphase für ein Produkt, ZEISS Data Hub, welches die ausgewählten Daten gemäß dieser OPC UA Spezifikation zur Verfügung stellt. Da kann dann der Kunde einfach OEE-Berechnungen durchführen, zum Beispiel nach ISO 22400, um Aussagen zur Effizienz an Anlagen zu treffen. Im Idealfall kommen wir irgendwann an den Punkt, wo wir eine Plug-and-Play-Lösung haben. Gewisse Teile dieser Spezifikation für geometrische Messsysteme sind noch gar nicht offiziell freigegeben von der OPC Foundation, das Thema Jobmanagement ist dort gerade der Release-Kandidat. Dann können wir Jobs bereitstellen und starten, Auftragsdaten und Informationen über den Zustand, in dem sich der Job befindet, bereitstellen. Und das ist ein wichtiger Baustein in Richtung Closed-Loop, um später auch Werkzeugkorrekturen automatisch durchzuführen und selbstständig zu regeln. Damit decken wir dann die gesamte Automatisierungspyramide ab, bis zur MES-Ebene.

Die Messsysteme, die für die Fertigung geeignet sind, haben einen robusten Aufbau, um den Fertigungsumgebungsbedingungen zu trotzen.
Maximilian Wiedemann

Dennis Rathmann: Ich treffe häufig auf die Problematik, dass Bauteile im Prozess, geändert werden. Der Konstrukteur beispielsweise ändert was am Bauteil und macht einen neuen Zeichnungsstand von 5, während in der Fertigung noch der Zeichnungsstand 4. Wie kann man dem Problem begegnen?

Maximilian Wiedemann:
Du hast den Konstrukteur angesprochen. Wir haben heute Möglichkeiten, die PMI-Schnittstellen, wo wir aus den CAD-Modellen automatisch Prüfpläne generieren können. Das heißt, in dem CAD-Modell, wo der Konstrukteur anfängt, haben wir bereits die Daten zur Fertigung und zur Qualitätssicherung enthalten. Das heißt aber auch, dass der Konstrukteur sich Gedanken machen muss, wie das Teil gemessen werden soll. Und das macht die Aufgabe des Konstrukteurs umfangreicher.

Wir hatten vorhin über das Messen in der Fertigung gesprochen. Wenn ich an eine Zerspanungsmaschine mit einer Messstation drangehe, habe ich Temperaturunterschiede, Vibrationen und so weiter. Wie geht ihr mit diesen Umgebungsanforderungen um?


Die Messsysteme, die für die Fertigung geeignet sind, haben einen robusten Aufbau, um den Fertigungsumgebungsbedingungen zu trotzen. Zum Beispiel, indem sie mit gekapselten Antrieben ausgestattet sind, um den Schmutz fernzuhalten. Die Taster haben einen Thermofit-Aufbau, um die thermische Expansion zu vermeiden und eine hohe Biegesteifigkeit zu erreichen. Um Temperatureinflüsse zu vermeiden, ist die Temperatursensorik bereits im Gerät integriert, innerhalb des Granits und auch am Werkstück selbst. Wenn die Messtechnik zum Beispiel direkt neben der Presse aufgestellt wird, kann man aktive pneumatische Schwingungsdämpfungen installieren. In extremen Fällen gibt es auch die Möglichkeit, ganz eng umschlossene Umhausungen, um die Maschine zu bauen. In dieser nicht begehbaren Kabine werden auch Temperaturgradienten außerhalb der Umhausung irrelevant.

Für Zeiss ist es wichtig, einfach integrierbar zu sein und Automatisierung schnell umzusetzen.
Maximilian Wiedemann

Dennis Rahtmann: Muss sich der klassische Messtechniker komplett neu orientieren?

Maximilian Wiedemann:
Aussterben wird der Beruf des Messtechnikers sicher nicht. Aber sein Schwerpunkt wird sich verschieben, sodass er in Zukunft mehr für den Prozess zuständig sein wird. Er misst also nicht wie früher ein Teil und hat dann die Erkenntnis, ob etwas gut oder schlecht produziert wurde. Er schaut sich vielmehr die Ergebnisse an und weiß dann, an welcher Stellschraube im Prozess gedreht werden muss, um die nächsten Teile noch besser zu produzieren oder den Prozess noch schneller und effizienter zu machen. Das beinhaltet auch, dass er sich Gedanken macht über die Messstrategie. Selbst wenn es automatisch generierte Prüfpläne gibt, ist noch sehr viel Erfahrungswissen gefragt. Etwa wenn es darum geht, wie man Tasterkonfigurationen aufbaut, also welcher Sensor benötigt wird, um die gewünschte Genauigkeit zu erreichen. Zusammengefasst geht es weg vom reinen Doing, mehr in Richtung Strategie, um das Maximale dann rauszuholen.

Möchtest du zum Schluss noch etwas ergänzen?


Meine Kernaussage ist, dass die Automatisierung in der Messtechnik unabdingbar ist. Sie bietet große Chancen, um Wettbewerbsfähigkeit zu sichern, um effizienter zu werden und zukunftsgerichtet zu arbeiten. Für Zeiss ist es wichtig, einfach integrierbar zu sein und Automatisierung schnell umzusetzen. Gerade mit Schnittstellen wie OPC UA sind wir gut gewappnet für die Zukunft.