Interview mit Mario Horvat : Horvat: „Der Maschinenbau ist zur Automatisierung gezwungen“

Herr Horvat, ihre Produktionstätte ist neuer als man bei einer 30-Mitarbeiter-Firma vermuten könnte. Welche Strategie verfolgen Sie damit?

Wenn eine neue Technologie kommt, mit der beispielsweise andere Bearbeitungsmethoden möglich sind, ist es sinnvoll, eine Maschine auszutauschen. Darum betreiben wir unsere Maschinen im Schnitt fünf bis sechs Jahre. Aber die Leistung einer Maschine hängt nicht nur von ihrer Lebensdauer ab. Wenn man sie ordnungsgemäß wartet und pflegt, können sie nach zehn Jahren noch immer gut sein. Man muss sich zuerst sehr genau die eigene Produktion, die Produkte und Kompetenzen der Mitarbeiter anschauen.

Wo hat sich in den letzten Jahren von technologischer Seite besonders viel bewegt?


d waren in der Anschaffung immer eine Herausforderung, sind in letzter Zeit aber günstiger geworden. Daher haben wir Maschinen, die grundsätzlich noch in Ordnung wären, gegen neuere Dreh-Fräszentren ausgetauscht und sind somit flexibler, schneller und besser geworden.

Aber eine besondere Maschine gibt es, die schon sehr lange bei Ihnen steht. Um welche handelt es sich da?


Das ist unsere Matic 40 HV. Das ist ein Bearbeitungszentrum, auf dem wir drehen, fräsen, schleifen, Tiefloch-bohren, verzahnen, abwälzfräsen und abwälzstoßen. Damit kann man aus einem rohen Teil in einer Aufspannung ein komplett fertiges Teil machen. Diese Maschine ist seit Tag eins bei uns und wird noch einige Jahre bleiben, wenn alles gut läuft. Das spezielle an dieser Maschine sind neben ihren Bearbeitungsmöglichkeiten hinsichtlich Prozessart auch die Dimensionen, die wir damit abdecken können. Tieflochbohren bis zu einer Länge von 2m oder Außenverzahnungen an Bauteilen mit einer Länge von 2,5m sind überhaupt kein Problem.

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Mario Horvat
Mario Horvat ist gelernter Zerspanungstechniker und leitet die Produktion im Familienunternehmen Horvat Maschinenbau. Das Unternehmen mit Sitz im steirischen St. Peter-Freienstein ist Lohnfertiger im Bereich Fräsen, Drehen, Schleifen und Verzahnen. - © Horvat Maschinenbau

Über Horvat Maschinenbau

Horvat Maschinenbau wurde im Jahr 2010 von Bozidar Horvat, Mario Horvats Vater, gegründet. Der Familienbetrieb in Sankt Peter Freienstein, nahe Leoben, zählt heute eine Belegschaft von knapp 30 Mitarbeiter:innen. Ursprünglich aus der Prototypenfertigung kommend, bietet das Unternehmen außerdem Einzelteilfertigung, Kleinserienfertigung, Maschinenbau und Retrofitting. Dabei deckt es die gesamte Lohnfertigung ab, vom Drehen, Fräsen und Bohren übers Verzahnen bis zum Schleifen, Honern und Polieren.

Als Lohnfertiger haben wir die Challenge, dass wir immer schneller werden müssen.
Mario Horvat

Sie sind auch digitalen Innovationen nicht abgeneigt. Warum ist das für Sie so ein wichtiges Thema?

Als Lohnfertiger haben wir die Challenge, dass wir immer schneller werden müssen. Von der Anfrage bis zum fertigen Produkt sollen wir, wenn die Materialbeschaffung normal funktioniert, in drei-vier Wochen fertig sein. Ich sehe daher großes Potenzial in der Digitalisierung. Unsere Branche hat das lange etwas schleifen lassen, aber durch Corona hat sich das stark verändert.

Wie erklären Sie sich, dass Ihre Branche in Sachen Digitalisierung hinterherhinkte?


Gewisse Prozesse im Maschinenbau funktionieren gut, auch wenn sie schon älter sind. Deswegen, glaube ich, gab es da lange Zeit keinen großen Handlungsbedarf. Der treibende Faktor heute lautet Flexibilität, die jetzt immer mehr zum Tragen kommt und gefordert wird.

Welche Rolle spielen die Größe bzw. das Budget der Unternehmen?


Das Thema Digitalisierung ist aus finanzieller Sicht immer etwas schwierig anzupacken, weil es eine Investition ist, die sich erst im Nachhinein rentiert. Das ist nicht so wie bei einer Maschine, die ich kaufe, aufstelle und damit sofort Geld verdiene. Digitalisierung dauert.

Welche konkreten Maßnahmen setzen Sie?


Ein Produkt kann gleichzeitig auf mehreren Maschinen gefertigt werden. Und das zu überwachen und zu steuern ist mit einer digital aufgestellten, papierlosen Fertigung viel einfacher als mit der herkömmlichen Fertigung. Unser Ziel ist es, in der Fertigung komplett papierlos unterwegs zu sein.

Was tut sich bei Ihnen in punkto Werkzeugmanagement?

Früher war das so: Werkzeuge wurden an den Maschinen in den Werkzeugschränken verwahrt und verstaut. Und der jeweilige Mitarbeiter an der Maschine hatte den Überblick. Aber wenn wir dringend zum Beispiel ein Sonderwerkzeug gebraucht haben, haben wir es meist nicht sofort gefunden. Darum haben wir auf ein zentrales Magazin umgestellt, obwohl wir in der Fertigung nur knapp 22 Leute sind. Im Laufe des Jahres haben wir es 2023 so weiterentwickelt, dass wir mittlerweile immer den kompletten Überblick haben, welche Werkzeuge in welcher Dimension, in welchem Werkzeughalter in welcher Maschine eingespannt sind. Der finale Schritt war dann die Überwachung der Materialeingriffszeit der Werkzeuge, um sehr präzise definieren zu können, wann welche Werkzeuge getauscht werden müssen.

Wie funktioniert dieses System?


Ein Matrixschrank überwacht den kompletten Werkzeugbestand. Man kann sich den vorstellen wie einen Lister-Schrank, der aber zusätzlich über eine Software läuft. Jeder Mitarbeiter hat Zugangsdaten, loggt sich ein und nimmt das Werkzeug, das er gerade braucht, heraus. Der Schrank protokolliert das mit, überprüft, was und wieviel entnommen worden ist, und bestellt automatisch Werkzeuge nach. Dadurch können wir viel genauer steuern, welches Werkzeug wann wo zum Einsatz kommen darf. Die Überwachung der Werkzeuge an den Maschinen funktioniert über Sensoren an den Werkzeughaltern und wird mit demselben System verwaltet, mit dem wir auch unsere Produktion steuern und planen.

Seit wann haben Sie dieses zentrale Magazin?


Das System läuft bei uns seit über zwei Jahren. Und wir haben jetzt schon gemerkt, dass wir damit sehr viel einsparen. Die vorerst finale Variante wurde 2023 eingeführt.

Gibt es da konkrete Zahlen?


Das in Zahlen zu erfassen, ist schwierig, weil die Bestellungen für Werkzeuge nicht immer die gleichen sind. Aber anhand der Auftragslage haben wir gesehen, dass wir ca. 20% weniger Werkzeug kaufen mussten als in den Jahren davor. Die Rüstzeiten sind seit dem Einsatz der finalen Variante des Werkzeugverwaltungssystems um über 25% gesunken.

Das Interview hören statt lesen? Hier geht's zum Podcast zum Thema Automatisierung in der Lohnfertigung!

Roboter sollen das Be- und Entladen von Maschinen mit schweren Werkstücken übernehmen. Wir können damit langweilige Arbeiten von den Mitarbeiter:innen abziehen, damit diese sich etwa mit dem Programmieren und Rüsten der Maschine befassen können.
Mario Horvat

Können Sie verraten, was als nächstes bei Ihnen ansteht?

Nach der Digitalisierung ist für uns der nächste logische Schritt die Automatisierung. Unbeliebte Prozesse sollen automatisiert werden. Wir reden da bewusst von Prozessen und nicht explizit von Fertigungsprozessen. Es gibt sowohl in der Administration bzw. im Backoffice als auch in der Produktion Möglichkeiten zur Automatisierung

Welche Aufgaben sollen automatisiert werden?


Die Aufgaben, die für Menschen unangenehm sind. Konkret sollen Roboter das Be- und Entladen von Maschinen mit schweren Werkstücken übernehmen. Wir können damit langweilige Arbeiten von den Mitarbeiter:innen abziehen, damit diese sich etwa mit dem Programmieren und Rüsten der Maschine befassen können. Wir möchten die Automatisierung auch dafür nutzen, unseren Mitarbeitern Möglichkeiten zu schaffen, sich beruflich weiterzuentwickeln.

Und warum ist jetzt der richtige Zeitpunkt dafür?


Der Maschinenbau ist eigentlich dazu gezwungen. Der Fachkräftemangel ist überall. Und wenn man gute Mitarbeiter hat, sollte man sie dort einsetzen, wo sie am meisten bringen.