Kolumne von Michael Fälbl : Generative KI in der österreichischen Produktion
2021 zeigte eine deutsche Studie, dass der KI-Einsatz im verarbeitenden Gewerbe zwar Erfolge brachte, aber oft zu Enttäuschungen führte, da hohe Erwartungen nicht erfüllt wurden. 2021 – das war vor ChatGPT, & Co. Durch die generative KI sind Aufmerksamkeit und Erwartungen explodiert. Doch wie sieht deren Einsatz in der österreichischen Produktion aus? Welche Anwendungen finden sich abseits der PowerPoint-Folien? Dazu habe ich Thomas Lamprecht, Experte für neue Technologien bei der Plattform Industrie 4.0, um seine Einschätzung und um Anwendungsbeispiele aus der Industrie gebeten. Eine vereinfachte Zusammenfassung des Gesprächs.
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In vielen Bereichen, etwa Predictive Analytics oder Qualitätsmanagement, wird weiterhin klassische KI eingesetzt. Diese analysiert große Datenmengen, erkennt Muster und macht Vorhersagen. Generative KI hingegen erzeugt neue Inhalte, wie Texte oder Bilder, und ist besonders bei der Verarbeitung semantischer Informationen hilfreich. In der österreichischen Produktion unterstützt generative KI vor allem bei unterstützenden Aufgaben. Dazu zählen solche, bei denen große Mengen an Informationen und Daten verarbeitet werden müssen, etwa bei der Instandhaltung, im Wissensmanagement oder im Anforderungsmanagement.
Anwendung generativer KI
Ein Beispiel für den Einsatz generativer KI ist die begleitende Dokumentation der Instandhaltung von Maschinen. Wenn Maschinen Fehler melden und Ingenieure sie beheben, werden die Reparaturen oft nur knapp dokumentiert. Hier kann generative KI helfen, aus solchen Kurznotizen vollständige Berichte zu erstellen. Mitarbeiter profitieren von weniger mühsamer Dokumentationsarbeit. Außerdem lassen sich automatische Arbeitsanweisungen für ähnliche Fehler generieren, was die Effizienz steigern und Entscheidungen beschleunigen kann.
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Eine der größten Stärken generativer KI liegt im Wissensmanagement. KI-Systeme können große Mengen an Informationen durchsuchen und relevante Inhalte aufbereiten, zum Beispiel aus Handbüchern oder Planungsdaten. Menschen verbringen heute sehr viel Zeit mit der Sammlung und Verarbeitung von Wissen – die Quintessenz aus einer Flut an Informationen zu erkennen ist eine wichtige Anwendung generativer KI-Lösungen.
Grenzen und Potenziale
Bei der Entwicklung und Konstruktion neuer Produkte muss eine zunehmende Anzahl von Parametern berücksichtigt werden: Anforderungen durch Kunden, Normen, Qualitätsrichtlinien, Design-Guidelines, regulatorische Anforderungen, usw. Generative KI kann entsprechende Anforderungen produktspezifisch ableiten und den Zeitaufwand für das Engineering reduzieren.
Gleichzeitig gilt, was auch Arvind Narayanan und Sayash Kapoor, Autoren des bekannten Newsletters AI Snake Oil, argumentieren: Generative KI wird weder gesamtgesellschaftliche Probleme lösen noch Alleinstellungsmerkmale für produzierende Unternehmen kreieren. Sich rechnende Einsatzmöglichkeiten gibt es trotzdem genug – auch in der österreichischen Industrie.
Empfehlungen für österreichische Firmen
Abschließend noch fünf Empfehlungen, abgeleitet aus dem Gespräch mit Thomas Lamprecht:
- Menschliche Denkprozesse abbilden: generative KI kann die menschliche Vorgehensweise zur Problemlösung replizieren, zum Beispiel bei möglichen Schritten bei einer Fehlersuche.
- Einsatz erproben statt neuester Modelle: auch ältere Modelle können für viele Anwendungsfälle ausreichend sein, fahren zu lernen ist wichtiger als das neueste Auto.
- Software möglichst vielen zugänglich machen: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter profitieren unterschiedlich – generative KI ist ein Massenthema, bei vielen Interaktionen und Einsatzbereichen ergeben sich schneller Vorteile.
- In der Verwendung anpassen: generative KI kann zum Beispiel über System Prompts im Laufe der Zeit an firmenspezifische Anforderungen angepasst werden.
- Klassische KI nicht vernachlässigen: Machine Learning & Co. können die Produktqualität verbessern und differenzierend sein – generative KI ersetzt nicht die klassische KI.