Kommentar : Das Open Source Entwicklungsmodell auch in der Industrie. Eine Chance
Individuell konstruierte Anlagen oder Produktsysteme lassen sich nur mit hohem Aufwand kopieren. Damit wird das kurzfristige Nachahmen durch Marktbegleiter effektiv unterbunden. Die Anbieter komplexer Lösungen stellen sich so als Experten hervor.
Diese Individualität birgt jedoch zugleich große Herausforderungen: Lösungen für verschiedene Kundenprojekte müssen auch hausintern stets neu entwickelt werden. Das bindet Kapazitäten und birgt Risiken. Denn für kleine und mittlere Unternehmen im Anlagenbau ist es typisch, dass sie vom Projektgeschäft abhängig sind. Inklusive aller Marktschwankungen und konfrontiert mit dem zunehmenden Preisdruck durch neue Marktbegleiter aus dem In- und Ausland.
KOSTENDRUCK VS. TECHNISCHE PERFEKTION
Diesen Entwicklungen muss der Mittelstand im Anlagenbau begegnen, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben. Das beinhaltet auch den Verantwortungsbereich der Konstrukteur:innen. Zwei beispielhafte Handlungsfelder: Zum einen treibt „Overengineering“ Kosten. Speziell Produkte sollten nicht nach technischer Perfektion streben, sondern einen möglichst konkreten Kundennutzen treffen. Im Bereich der Produktentwicklung empfiehlt sich daher eine gesteigerte Kundennähe, -Abstimmung und ein agiles Vorgehensmodell.
Zum anderen kommt eine besonders in Deutschland ausgeprägte Überzeugung, dass lediglich eigens entwickelte Lösungen den Anforderungen des Kunden entsprechen werden. Diese Auffassung wird in der Fachliteratur bereits 1999 als das ‚Not Invented Here‘-Syndrom bezeichnet und sollte dringend abgelegt werden. Konkret bedeutet das, aufgebautes Wissen und entwickelte Lösungen personen-, abteilungs- und selbst firmenübergreifend wiederzuverwenden und damit effektiv einzusetzen.
OPEN SOURCE ALS VORBILD
In der Softwareentwicklung sind die Mehrwerte der dezentral und kollaborativ entwickelten Lösungen nicht mehr wegzudenken. Unter dem Begriff Open Source versteht sich die Art und Weise des gemeinsamen Arbeitens, die darauf beruht, Code zu teilen und damit zugänglich zu machen. Dieser kann nach Belieben verändert und verteilt werden und wir über Peer-Reviews und Communities kontinuierlich (weiter-)entwickelt.
Die strategische Relevanz, also die Chancen dieses Entwicklungsmodells, sollten von Fachfirmen der Industrie frühzeitig bewertet und mittelfristig integriert werden. Abstrahiert bedeutet das, in einem ersten Schritt genau festzulegen, wo die Alleinstellungsmerkmale des eigenen Geschäftsmodells liegen. Diese gilt es zu sichern. Sonstige Elemente des Angebots werden zukünftig selektiv hinzugezogen. Wertvolle hausinterne Experten werden vor redundanten Entwicklungsleistungen bewahrt und frühzeitig für Neuprojekte verfügbar.
Neben der Integration von externem Know-How bietet das Teilen der intern erstellten Ergebnisse weitere Chancen. Die Community, also eine Vielzahl von Entwicklern, bringt zusätzliche, neue Ideen ein, die die Stärken des eigenen Teams gezielt ergänzen. Erkennt ein Unternehmen diesen Mehrwert, werden Produktentwicklungen um ein Vielfaches schneller.
Der Erfolg dieser neuen Ansätze liegt darin, dass Firmen diese konsequent implementieren: Von den Rahmenbedingungen für die (Entwicklungs-)Teams, über das Mindset der Mitarbeiter bis zur engen Integration von Tools, Plattformen, Geschäftspartner und Kunden.
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