Mobilitätswende : BMW-Werksleiter von Moltke: „Sind bereit, die E-Mobilität noch stärker zu erweitern“
FACTORY: Herr von Moltke, Können Sie kurz erklären, wo in der Produktion eigentlich die größten Unterschiede zwischen Verbrenner-Motoren und E-Maschinen liegen?
Nehmen wir einen Sechszylinder Verbrenner im Vergleich zu einer E-Maschine. Beim Verbrenner müssen rund 270 Teile montiert werden, während es bei der E-Maschine nur 200 Komponenten sind. Der Unterschied aber ist, dass wir bei der E-Maschine zusätzliche intensive Prüfungen haben – auch aufgrund der Elektronik, die eine wesentliche Rolle spielt. So sind wir in Summe beim Gesamtaufwand auf einem vergleichbaren Niveau.
Heißt das, dass bei der Produktion von E-Maschinen die Qualitätssicherung an Bedeutung gewinnt?
Ja, wir haben deutlich erhöhte Anforderungen, was funktionale Tests angeht. Hier spreche ich etwa von Leistungs- und Akustiktests, die zeitintensiv sind und wo Anlagenbedienerinnen und Analyse-Spezialisten zusammenarbeiten müssen.
Ausbau bei BMW Steyr
Ab 2025 sollen bei BMW Steyr 600.000 E-Maschinen pro Jahr von den Bändern laufen. Aktuell werden die dafür benötigten Gebäude errichtet. Die werden dann an Spezialist:innen übergeben, die in der Folge 300 Maschinen und Anlagen zur Fertigung installieren werden. Die Produktion von Verbrennungsmotoren (1,1 Mio. Motoren jährlich – rund zwei Drittel davon Benziner und ein Drittel Diesel) in vier Montagelinien bleibt erhalten.
Inwiefern sind Ihre Mitarbeiter:innen auf diese neuen Aufgaben vorbereitet?
Wir transformieren unseren Standort und damit entwickelt sich auch unsere Belegschaft weiter. Der Vorteil ist: Ein Verbrennungsmotor und eine E-Maschine sind Montagekomponenten, wofür wir die gleiche Art von Spezialist:innen benötigen. Ähnliches gilt für die Grundkomponenten, die aus einer mechanischen Fertigung entstehen. Der große Unterschied liegt beim Inverter, der eine elektronische Komponente ist. Hier kommen wir in den Bereich der Feinelektronik. Das erhöht den Anspruch an den Arbeitsplatz, weil hier Sauberraum-Bedingungen gefordert sind. In diesem Bereich wird die Transformation am sichtbarsten sein.
Der Aufbau Ihrer zwei neuen Montagelinien ist sicherlich keine leichte Aufgabe. Was ist daran für Sie am herausforderndsten?
Ein wichtiges Thema ist die enge Zeittaktung. Wir werden bis Ende des Jahres die neuen Gebäude mit einer Gesamtfläche von über 60.000 m² fertigstellen. Beim aktuell volatilen Markt in der Bauindustrie, wo Preise fluktuieren und Lieferungen für diverse Komponenten lange dauern, ist eine koordinierte Terminplanung besonders wichtig. Danach werden wir über 300 Anlagen in einem kurzen Zeitraum integrieren. Da geht es dann darum, die Übergabezeitpunkte für die Hersteller, Einrichtungsplanerinnen und Ingenieure zu koordinieren, die diese Anlagen installieren und in Betrieb nehmen. Und ab Mitte des Jahres 2024 laufen die ersten Vorserien. Ab da stellen wir die ersten Komponenten aus Serienanlagen her, validieren und bestätigen sie. Der endgültige Hochlauf der Serienproduktion soll dann ab Herbst 2025 erfolgen. Das erfordert eine sehr enge Taktung und Synchronisation zwischen den unterschiedlichen Spezialisten.
„Zurzeit arbeiten wir mit voller Geschwindigkeit am Ausbau der E-Mobilität. Sie wird unser zweites starkes Standbein sein.“Klaus von Moltke
Angenommen, das Verbrenner-Aus kommt, wie schnell wäre es möglich, dass Sie die Produktion in Steyr vollständig auf E-Mobilität umstellen?
Wenn die Entwicklung des Verbrenners rückläufig ist, müssen wir entsprechend handeln. Zurzeit arbeiten wir mit voller Geschwindigkeit am Ausbau der E-Mobilität. Sie wird unser zweites starkes Standbein sein. Und wir sind bereit, es bei Bedarf noch stärker zu erweitern. Die Möglichkeiten dafür sind hier am Standort gegeben. Inwiefern wir diese Entwicklung nochmals beschleunigen müssen, hängt von der Marktentwicklung ab. Was wir natürlich auch tun, ist weitere Standbeine zu evaluieren. Da gibt es ja mehrere Technologien. Wir setzen auf Technologienoffenheit und stehen damit auch im Wettbewerb innerhalb und außerhalb der BMW Group.
Können Sie sagen, für wie vielversprechend Sie da Ansätze wie Wasserstoff, E-Fuels etc. halten?
Wasserstoff ist eine ernsthafte Option, die wir bei der BMW Group in Betracht ziehen. Mit unserem vor kurzem gelaunchten BMW iX5 Hydrogen haben wir dazu eine kleine Flotte am Laufen, anhand derer wir mit unseren Partnern weiterforschen. Hier geht es nicht nur darum, nachzuweisen, dass man eine Brennstoffzelle und einen Tank in den Bauraum eines Fahrzeugs unterbringen kann. Wir wollen eine Basis schaffen, auf der wir mit den Stakeholdern über die Möglichkeiten dieser Technologien diskutieren. Was bisher herauskam, ist, dass Wasserstoff eine valide Option ist – allerdings als Zusatz und nicht als Ersatz für andere Technologien. Wir wollen das Thema unbedingt nach Österreich bringen und bewerben uns als Standort Steyr für die Entwicklung und auch für die Produktion.
Darf ich Ihnen noch eine persönliche Frage stellen? Würden Sie verraten, was Ihr erstes Auto war?
Mein erstes Auto war ein Jeep Wrangler. Den habe ich als kompletten Schadensfall übernommen und vom Blech und Motor weg selbst aufgebaut.
Und wann kam der erste BMW?
Meinen ersten BMW bekam ich kurz nachdem ich 1998 im Unternehmen eingestiegen bin, also wahrscheinlich im Jahr 2001. Da war ich 25 Jahre alt.
(Dies ist ein Auszug eines Interviews, das im Factory 3/23 erschienen ist.)