Gelingt die Neubeginn? : Varta: Aufstieg, Krise und Neuanfang unter Porsche

Die Neuaufstellung von Varta ist vorerst abgeschlossen. Mit Porsche als strategischem Partner und einem Fokus auf Nischenmärkte soll der Neustart gelingen.
- © Claudio Divizia - stock.adobe.comDas Traditionsunternehmen kämpft bereits seit einiger Zeit mit Problemen. Für die Krise gibt es mehrere Gründe: Neben der stark schwankenden Nachfrage nach kleinen Lithium-Ionen-Knopfzellen – beispielsweise für Kopfhörer – stehen auch Managementfehler im Raum. Kritiker warfen Varta unter anderem vor, sich zu sehr von dem Hauptkunden Apple abhängig gemacht zu haben und Geld zu leichtfertig investiert zu haben.
Lesetipp: Varta-Restrukturierungsplan wurde von Gericht bestätigt
Ab 2022 häuften sich die negativen Schlagzeilen. Gewinnwarnungen, sinkende Umsätze und ein drastischer Absturz des Aktienkurses sorgten für Unruhe. Der vormals gefeierte Hoffnungsträger Europas in puncto Batterietechnologie geriet zunehmend in eine prekäre finanzielle Situation. Im Frühjahr 2024 musste Varta schließlich Insolvenz anmelden. Die Insolvenz in Eigenverwaltung war ein letzter Versuch, das Unternehmen zu stabilisieren und eine Zerschlagung abzuwenden. Für viele Beobachter bedeutete dies das vorläufige Ende eines einst vielversprechenden Industrieprojekts und zugleich ein Lehrstück über überambitionierte Wachstumspläne ohne ausreichende Resilienz.
Neuausrichtung mit Porsche als Miteigentümer
Der Batteriehersteller hat nun neue Eigentümer: Den früheren Mehrheitseigner, den österreichischen Unternehmer Michael Tojner, und den Sportwagenbauer Porsche AG. Beide investierten jeweils 30 Millionen Euro und halten nun je 50 Prozent der Anteile der Varta AG. Zudem hat der Konzern einen Kredit in Höhe von 60 Millionen Euro erhalten. Ein größerer Teil des frischen Geldes ist jedoch bereits für die Sanierungskosten eingeplant. Zugleich verringerte ein Schuldenschnitt die Verbindlichkeiten von Varta von fast einer halben Milliarde auf 230 Millionen Euro.
In Zukunft will sich Varta demnach wieder auf das Kerngeschäft konzentrieren und auf einen profitablen und nachhaltigen Wachstumskurs zurückkehren, um so die Grundlage für eine erfolgreiche Zukunft zu schaffen. Chef Michael Ostermann: "Die großen gemeinsamen Anstrengungen der vergangenen Monate tragen jetzt Früchte: Die Varta AG ist finanziell solide und zukunftsfest aufgestellt mit starken, neuen Gesellschaftern.”
Der Konzern aus dem schwäbischen Ellwangen hat jedoch noch nicht den Turnaround geschafft: Varta muss laut Ostermann jährlich mehr als 25 Millionen Euro sparen. Dazu sollen auch Stellen in der Verwaltung abgebaut werden. Jobs in der Produktion seien jedoch nicht gefährdet. Insgesamt beschäftigt Varta derzeit rund 4.000 Menschen.

Die bewegte Geschichte von Varta
Bis ins späte 19. Jahrhundert reicht die Geschichte des Batterieherstellers Varta zurück. Jahrzehntelang war das Unternehmen ein Synonym für deutsche Ingenieurskunst im Bereich der Energiespeicherung. Insbesondere in den Bereichen Mikro- und Haushaltsbatterien genoss Varta weltweit einen exzellenten Ruf. Die jüngsten Entwicklungen zeigen jedoch, dass selbst traditionsreiche Industrieunternehmen nicht vor tiefgreifenden Erschütterungen gefeit sind, insbesondere, wenn wirtschaftliche Visionen auf eine harte Realität treffen.
Ein bedeutender Einschnitt in der jüngeren Historie von Varta war der Einstieg des österreichischen Kapitalgebers Michael Tojner. Über seine Beteiligungsgesellschaft Montana Tech Components kaufte Tojner 2007 Anteile an Varta und baute das Unternehmen nach und nach zu einer Gruppe aus, die sich auf Energiespeicherlösungen spezialisierte. Unter seiner Führung wurde Varta modernisiert und neu strukturiert. 2017 wurde das Unternehmen an die Börse gebracht. Der Börsengang wurde zunächst als großer Erfolg gewertet. Die Aktie stieg rasant und Tojner präsentierte Varta als Vorzeigeunternehmen für die europäische Batterieindustrie. Große Investitionen in die Entwicklung von Lithium-Ionen-Zellen – insbesondere für kabellose Kopfhörer und mobile Geräte – nährten die Hoffnung, zu einem europäischen Gegenspieler der asiatischen Akku-Giganten werden zu können.
Aber das vermeintliche Erfolgsmodell stellte sich in der Praxis als anfällig heraus. Varta hatte sich stark auf wenige Kunden – darunter globale Tech-Konzerne – konzentriert. Das Unternehmen geriet zunehmend unter Druck, weil diese das Abnahmeverhalten und den Preisdruck beeinflussten. Gleichzeitig führten explodierende Rohstoffpreise, Probleme in den Lieferketten und die schwächelnde Konjunktur im Elektroniksektor zu einem Rückgang der Aufträge. Varta investierte weiterhin massiv in neue Produktionskapazitäten, konnte aber die damit verbundenen Erwartungen nicht erfüllen, was zu gewissen Herausforderungen führte. Die hochgesteckten Ziele, insbesondere im Bereich E-Mobilität, blieben weit hinter den Prognosen zurück. Das operative Geschäft geriet ins Straucheln, die Schuldenlast stieg und das Vertrauen der Investoren schwand rapide.

Der Absturz: Finanzielle Schieflage und Insolvenz
Ab 2022 häuften sich die negativen Schlagzeilen, was zu einer deutlichen Verschlechterung der Stimmung in der Bevölkerung führte. Gewinnwarnungen, sinkende Umsätze und ein drastischer Absturz des Aktienkurses sorgten für Unruhe. Die einst gefeierte Batteriehoffnung Europas geriet zunehmend in eine bedrohliche finanzielle Schieflage, was dazu führte, dass ihr der Erfolg verwehrt blieb. Im Frühjahr 2024 musste Varta schließlich Insolvenz anmelden.
Lesetipp: Rettungsaktion mit Kapitalspritze in Höhe von 60 Mio. Euro
Die Insolvenz in Eigenverwaltung war ein letzter Versuch, das Unternehmen zu stabilisieren und eine Zerschlagung abzuwenden, die ansonsten mit hoher Wahrscheinlichkeit unausweichlich gewesen wäre. Für viele Beobachter bedeutete dies das vorläufige Ende eines einst vielversprechenden Industrieprojekts und zugleich ein Lehrstück über überambitionierte Wachstumspläne ohne ausreichende Resilienz.
Ein neuer Anfang: Porsche steigt ein
Doch die Geschichte von Varta endet nicht in der Insolvenz. Der Stuttgarter Autobauer Porsche, selbst auf der Suche nach strategischem Zugang zu zuverlässigen Energiespeicherlösungen, übernahm Anfang 2025 große Teile von Varta. Ziel ist es, die Batteriekompetenz des Traditionsunternehmens gezielt für die eigene Elektromobilitätsstrategie zu nutzen. Porsche plant, die vorhandenen Standorte und technologischen Ressourcen weiterzuentwickeln, allerdings mit einem klaren Fokus auf Qualität, Integration und Realismus – statt auf übertriebene Wachstumsversprechen.
Die monatelange Neuaufstellung des Batteriehersteller Varta ist vorerst abgeschlossen. "Im Anschluss an die nunmehr wirksamen strukturellen und bilanziellen Maßnahmen des Restrukturierungskonzepts erfolgt wie geplant dessen operative Umsetzung bis Ende 2027", teilt das Unternehmen mit. Die Zahlungsfähigkeit sei durch das Verfahren gestärkt worden.
Wie geht es nun weiter?
Nach der Sanierung und mit Porsche als starkem Partner steht Varta vor einem Neustart unter neuen Vorzeichen. Der Fokus liegt nun auf der Konzentration auf Kernkompetenzen und dem Aufbau einer nachhaltig profitablen Struktur, um den Erfolg des Unternehmens langfristig zu sichern. Dabei sollen die Produktion von Batteriezellen für tragbare Elektronik sowie die Entwicklung von Energiespeicherlösungen für Photovoltaiksysteme weiter ausgebaut werden.
Die Partnerschaft mit Porsche könnte gleichzeitig als Türöffner für Anwendungen im Automotive-Bereich dienen. Dabei geht es nicht um Wettbewerb mit den großen Zellherstellern, sondern um eine Zusammenarbeit als spezialisierter Zulieferer für Nischenprodukte und Hochleistungsanwendungen. Entscheidend wird sein, ob es Varta gelingt, Vertrauen zurückzugewinnen, seine Produktionskosten zu senken und sich dauerhaft vom Krisenmodus zu lösen, um so wieder erfolgreich zu werden. Die nächsten Jahre werden zeigen, ob das Unternehmen mit seiner neuen Strategie und Eigentümerstruktur zu alter Stärke zurückfinden kann – oder ob es ein Beispiel für die Risiken überambitionierter Industriepolitik bleibt.
