Automobil-Wende : So transformieren sich Österreichs KFZ-Zulieferer
Aktive Mitgliedschaft erforderlich
Das WEKA PRIME Digital-Jahresabo gewährt Ihnen exklusive Vorteile. Jetzt WEKA PRIME Mitglied werden!
Sie haben bereits eine PRIME Mitgliedschaft?
Bitte melden Sie sich hier an.
Die Situation ist unübersichtlich. Die letzten drei Jahre waren Unternehmen damit beschäftigt, die aktuellen kurzfristigen Krisen auszureiten: die Pandemie, Lieferengpässe, der Krieg in der Ukraine. Für Komponentenzulieferer ist aber schon seit längerer Zeit die nächste Veränderung auf dem Schirm. Durch die E-Mobilität, den europäischen Fokus auf batteriebetriebenes Fahren und Autonomous Driving am Horizont steigt der Innovationsdruck. Strategische Neuausrichtung ist gefragt, Zulieferer von Verbrennungsmotoren erschließen neue Geschäftsfelder. Windenergie, Wasserstoff und Brennstoffzellen sind ebenfalls am Radar. Nicht alle werden es schaffen – so weit ist man sich einig.
Entgültiges Aus für Verbrennungsmotoren
„In Europa ist eine unglaubliche Dynamik in der Automobilindustrie zu spüren“, sagt Markus Hofer, CFO der Firma Miba, die zu den zehn größten Automobilzulieferern Österreichs zählt. „Es gibt de facto für den Verbrennungsmotor keine Neuentwicklungen mehr“. Von OEMs ausgehend wurde mit straffer Geschwindigkeit der Forschungs- und Entwicklungsfokus abgezogen und in Europa bei PKW vorwiegend auf batterieelektrischen Antrieb umgeleitet. Der europäische Plan ist die Position des E-Mobility Vorreiters, in den USA ist der Verbrennungsmotor beispielsweise noch viel präsenter. Einerseits wurde der europäische Schwerpunkt durch den Regulator vorgegeben, andererseits ist ein Shift im Mindset bereits vollzogen und auch die Kunden verlangen mittlerweile E-Antriebe, so der Miba CFO.
Entdecken Sie jetzt
- Lesen
- Videos
-
Podcasts
- Staubmanagement in der Produktion 16.10.2023
- Automatisierung in der Messtechnik 11.09.2023
- 3D-Druck: Neuigkeiten und Trends 17.01.2023
„In Europa ist eine unglaubliche Dynamik in der Automobilindustrie zu spüren. Es gibt de facto für den Verbrennungsmotor keine Neuentwicklungen mehr“Markus Hofer, CFO Miba
Mehr Autobahnen als Sackgassen
„Als Komponentenlieferant bist du unten in der Food Chain“, so der Miba CFO. Im Wesentlichen wird an Tier eins geliefert, zum Teil an OEMS. Man entwickelt Lösungen, von denen man noch nicht weiß, wie und wie schnell sie sich durchsetzen.
Die technischen Unsicherheiten machen vielen zu schaffen. Welche Technologien tatsächlich angewendet werden, bleibt derzeit unklar, weiß Markus Hofer, man zeigt sich hier offen, am Ende geht es um elektrisches Fahren, aber in der Ausgestaltung sind die Lösungen noch nicht reif. „Und damit wissen wir, wir werden oft in der Entwicklung in eine Sackgasse fahren. Wichtig ist, dass wir genügend Autobahnen haben und nicht nur Sackgassen“, erläutert der Finanzchef die Fail-Fast, Fail-Cheap Strategie des Unternehmens. Bei Miba als Familienunternehmen mit InnovationsDNA und starkem finanziellen Fundament ist man positiv gestimmt, man hat früh neue Geschäftsfelder, neben dem klassischen Zuliefererbereich, erkannt und eröffnet. Wie viele andere Zulieferer diese Transformation aus eigenem Antrieb schaffen werden, bleibt fraglich. Es werden nicht so viele übrig bleiben ist die Vermutung, denn in Zukunft werden grundsätzlich weniger Lieferanten gebraucht, da die Komplexität in der Herstellung abnimmt. In der E-Mobilität werden deutlich weniger Komponenten verwendet.
Abflauung des Marktes
„Für 2023 bereiten wir uns auf ein Abflauen des Marktes vor“, sagt Helmut Weinwurm, Vorstandsvorsitzender der Robert Bosch AG. Eine klare langfristige strategische Ausrichtung ist hier die Auffangstrategie. Ziel von Bosch sind Lösungen und Produkte für das vernetzte Leben, die entweder über künstliche Intelligenz verfügen oder mit ihrer Hilfe entwickelt oder hergestellt werden. Auch die Digitalisierung und Vernetzung im Fahrzeug nehmen zu, beispielsweise um komfortable und hilfreiche Fahrassistenzsysteme zu ermöglichen – vom Notbremssystem über die Einparkhilfe bis zum vollständigen autonomen Fahren. Innovative Technik sieht man als Schlüssel zur Gestaltung des fundamentalen Wandels. „Wir wollen mit Innovationen in den Bereichen Elektrifizierung und softwaredominierter Mobilität stärker wachsen als der Markt“, beschreibt Helmut Weinwurm die strategische Ausrichtung von Bosch.
Bei Miba sieht man Wachstumspotenzial in der Energieeffizient. „Mittlerweile kommen schon 11 Prozent unseres Umsatzes aus Produkten für die saubere Energiegewinnung und Energieübertragung – stark getrieben von unserem Wachstum mit Technologien für die Windenergie, für die Wasserkraft und für effiziente Stromnetze“, sagt F. Peter Mitterbauer, CEO von Miba.
Mit strategischen Zielbildern und einem Auftragsvolumen von mehr als 25 Milliarden Euro bis 2030 im Bereich E-Mobilität plant man bei ZF die Transformation von klassischen Getrieben zu elektrischen Antriebslösungen zu bewältigen. So soll der Wegfall der Technologien für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren ausglichen werden. Für einzelne Standorte wurden sogenannte Zielbilder erarbeitet. Dort wurde vereinbart, wie sich die Werke mittel- und langfristig ausrichten. 2020 schloss man in Deutschland beispielsweise mit der Arbeitnehmervertretung den „Tarifvertrag Transformation“.
„Wir wollen mit Innovationen in den Bereichen Elektrifizierung und softwaredominierte Mobilität stärker wachsen als der Markt“Helmut Weinwurm, Vorstandsvorsitzender Robert Bosch AG
Neue Chancen durch Elektromobilität und Autonomous Driving
Die Komponenten sind im E-Antrieb geringer, für manche ist doch gerade dieser Faktor ein Wachstumstreiber. Durch das Wegfallen der klassischen Motoren wird Raum geschaffen für ein Fahrzeugdesign mit größeren Lichtbändern. Die Lichtfunktionen des Fahrzeugs der Zukunft werden umfangreicher und wichtiger. Auch Fahrzeuge aus den unteren Segmenten werden mit komplexen, high-end Lichtsystemen ausgestattet, weiß man bei ZKW. Zusätzlich kommunizieren autonome Fahrzeuge durch das Licht bzw. das animierte Lichtsignal mit ihrer Umwelt. „Strategisch ist ZKW auf das gesamte Lichtportfolio für Fahrzeug-Außenbeleuchtung ausgerichtet, sodass wir uns vom weltweiten Lichtmarkt für Fahrzeuge in Zukunft ein größeres Stück abschneiden“, sagt ZKW CEO Dr. Wilhelm Steger.
Erneuerung von außen nach innen
Innovationskraft und Kundenzentrierung ist überlebensnotwendig. Bei Miba vertraut man in die Innovationskraft des Unternehmens und entwirft neue Konzepte, die wenig mit den Stammkomponenten zu tun haben. Für die neue Ausrichtung steht der Kundenbedarf im Fokus der Innovationsstoßrichtung. Thermomanagement der Batterien ist das Schlagwort bei E-Mobility. Für die Reichweite der Fahrzeuge, Lebensdauer der Batterien und für Schnellladevorgänge ist die Temperatur ein entscheidender Faktor. Neuestes Produkt in bei Miba ist daher der Batteriecooler Miba FLEXcooler mit flexibler Oberfläche, die die Adaption spezifischer technischer Anforderungen auf einzelne Kundenbedürfnisse erlaubt. Im Antriebsstrang des E-Motors setzt man zum Beispiel auf die Pin-Winding Technologie, um den höchsten Wirkungsgrad und die beste Leistungsdichte zu erzeugen.
ZF entwickelt Zukunftslösungen und Produkte im Bereich der Fahrzeug Hard- und Software. Denn eine ganzheitliche Steuerung wird von einem zentralen Computer, der auf Lenkung, Bremse, Antrieb und Fahrwerk zugreift, orchestriert. Die Hersteller zentralisieren daher die Rechenleistung der Fahrzeuge. Dadurch werden viele kleine Steuergeräte von einem leistungsstarken Zentralrechner abgelöst. Der modulare Computer ZF ProAI will neue Standards bei der Digitalisierung und Vernetzung des Automobils setzen, man wird in den nächsten Jahren mehrere Millionen Einheiten an PKW- und Nutzfahrzeugkunden liefern.
(Ebenfalls interessant: Neue europäische Battery Manufacturing Alliance soll Batterieherstellung fördern)
Veränderung im Portfolio ein Muss
Vor mehr als fünf Jahren traf man bei Miba bereits die Entscheidung der Umgestaltung des Produktportfolios. Von der Verteilung 50:50 Automotive zu anderen Industrien produziert man derzeit nur mehr 40 % rein für PKW. Denn 100 % der Produkte im automotive Bereich betrafen direkte Abhängigkeiten, wie Teile für Verbrennungsmotoren, und indirekte Abhängigkeiten, wie zum Beispiel Gleitlager für Großmotoren, Getriebe und Bremsen. Die Transformationsstrategie läutete man daher bei Miba schon vor einigen Jahren ein. Eigentümer geführtes Generationendenken, reife Core Divisions, die gute Ergebnisse abliefern und ein stabiler Cashflow verhelfen zum Parallelaufbau neuer Produkte und zur Finanzierung von Innovation.
Lösungen für alle Antriebsarten
Querbeet ist Bosch aufgestellt. Man entwickelt beispielsweise in Wien Software- und Hardware-Lösungen für alle Antriebsarten im PKW – Elektro-, Hybrid- und Brennstoffzellen-Antriebe – und im Bereich vernetzte Mobilität. Wiener Bosch-Ingenieure entwickeln Lösungen für das automatisierte Fahren oder das schlüssellose Fahrzeugzugangssystem „Perfectly Keyless“, wo das Smartphone als digitaler Autoschlüssel fungiert. 2021 startete am Linzer Bosch-Standort ein Team von Hochfrequenz-Experten mit der Entwicklung von sogenannten „SoC“ (Systems on Chip) für Automobil-Radar-Systeme, die beispielsweise Aktoren in autonom fahrenden Fahrzeugen in Echtzeit ansteuern. Die Innovationsbreite ist mannigfaltig. Man arbeitet an Lösungen entlang der weltweiten Wertschöpfungskette von grünem Wasserstoff – Wasserstoff-Einblasventile, -Tankventile und Elektrolyse-Stacks und entwickelt Systeme zur Abgasnachbehandlung bei Nutzfahrzeugen (Denoxtronic) und Einspritzsystemen für Großmotoren.
(Lesen Sie auch: Das Auto von morgen: ein Computer auf Rädern?)