Elektronik : Lieferengpässe bei Elektronikkomponenten: Strategien zur Krisenbewältigung
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Lieferengpässe als eine Folge der multiplen Krisen in den letzten Jahren agierten auch als Weckruf für viele Unternehmen. Die Zukunft wird durch die Erkenntnisse der Krisen neu geschrieben. Strategien zur Stärkung der Resilienz werden angewendet, Produktionsprozesse flexibler gestaltet und neue Produktionsstätten vollautomatisiert und von mehreren Ländern zugänglich. Unternehmen ändern ihre Produktdesigns. Sie stellen ihre Lieferantennetzwerke geografisch auf breitere Beine und rufen politische Entscheidungsträger zum Handeln auf.
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Anpassung und Änderung: Fronius
Der Mangel führte zum Umdenken. Innovation und Schnelligkeit mündeten bei Fronius in kurzfristige technische Änderungen. Auch vor dem Produktdesign machte das Technologieunternehmen für Schweißtechnik, Solarenergie und Batterieladesysteme keinen Halt und nahm Anpassungen vor. Es setzte auf einen strategischen Dreiklang im Krisenmanagement. R&D arbeitete eng mit Operation zusammen, gleichzeitig band man die Lieferanten engstens in die Prozesse ein. „Dabei hat uns der „Local for Local“ Ansatz stark geholfen, insbesondere unsere stark europäisch geprägte Wertschöpfungsstruktur“, sagt Fronius COO Thomas Herndler. Auf stabile, langjährige Partnerschaften mit den Lieferanten zurückgreifen zu können, entpuppte sich als Kitt in der Zusammenarbeit und half dabei, die Herausforderungen zu bewältigen.
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Erwin Raffeiner, Sprecher Automation
„Bei vollen Auftragsbüchern trotz bestehender Verträge aufgrund der Chip-Krise quasi über Nacht nicht mehr regulär beliefert zu werden, war eine große Herausforderung.“
3-Wege-Strategie: Sprecher Automation
„Bei vollen Auftragsbüchern trotz bestehender Verträge aufgrund der Chip-Krise quasi über Nacht nicht mehr regulär beliefert zu werden, war eine große Herausforderung“, sagt Erwin Raffeiner, Geschäftsführer von Sprecher Automation, österreichischer Produzent von Digitalisierungssystemen für die kritische Strominfrastruktur. Die instabilen Lieferketten bei den Halbleitern, stürzten das Unternehmen in Lieferengpässe. Zur Krisebewältigung formulierte das Unternehmen eine 3-Wege-Strategie. Um die Lieferfähigkeit aufrecht zu erhalten, kaufte es die verfügbaren Chips auf den Brokermärkten zu massiv überteuerten Preisen. Gleichzeitig eskalierte das Management die Thematik in der höchsten Managementetage der Chip-Produzente. Es verdeutlichte damit die Dringlichkeit, für den Einsatz in der kritischen Infrastruktur schnell wieder regulär Lieferungen zu erhalten. Als dritte nachhaltige Maßnahme wurden Elekrtronikbaugruppen re-designed. So kann in Zukunft auf alternative Bauteile zugegriffen werden.
Multi-Sourcing: Infineon
Auf langfristigen Lieferverträgen und einem breiten Lieferanten-Netzwerk mit Unternehmen aus unterschiedlichen Ländern und geografischen Regionen basierte die Erfolgsstrategie von Infineon. Das Procurement Team beobachtet dazu kontinuierlich und detailliert den Markt, um frühzeitig reagieren zu können und die Rohstoffversorgung sicherzustellen.
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Thomas Herndler, Fronius
„Die Strukturen mussten flexibel werden, um in kurzzyklischen Ereignissen den Produktionsbetrieb aufrechtzuerhalten und bestmöglich auf die Entwicklungen auf den Beschaffungs- und Absatzmärkten reagieren zu können.“
Flexible Produktionsbedingungen
„Die Strukturen mussten flexibel werden, um in kurzzyklischen Ereignissen den Produktionsbetrieb aufrechtzuerhalten und bestmöglich auf die Entwicklungen der Beschaffungs- und Absatzmärkte reagieren zu können“, erklärt Thomas Herndler, COO Fronius, den Grund für das Umdenken bei Standardprozessen und rigiden Strukturen. Die Strategieänderung ging Hand in Hand mit der Optimierung der Arbeitsbedingungen, der Etablierung neuer Schichtmodelle und der Schaffung zusätzlicher Rollen und Aufgaben. Eine menschengerechte Arbeitsumgebung in den stark schwankenden Rahmenbedingungen in der Corona- und der Halbleiterkrise zu schaffen, identifizierte Fronius als oberste Prämisse. Sie brachte Themen wie Gesundheit, Arbeitsinhalte, Personaleinsatzplanung oder auch Energie dauerhaft in ins Blickfeld, so Herndler. Für die Zukunft setzt der COO für die Wertschöpfungsstrukturen und die End to End Supply Chain auf Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Automatisierung, aber auch Mitarbeiterorientierung.
Vollautomatisierung und AI
Um Krisen zu bewältigen, sollten Lieferketten resilienter werden. Der Weg dazu erfolgt über die geografische Verbreiterung, um Engpässe besser abfedern zu können. In der Halbleiter-Fabrik in Villach, die 2021 die Produktion startete, spielt bereits Zukunftsmusik. Die Produktionsstätte von Infineon ist voll automatisiert und bildet mit der Fertigung in Dresden/Deutschland eine „One-Virtual-Fab“ mit identen und standardisierten Fertigungs- und Digitalisierungskonzepten. Prozesse, Abläufe, Anlagen und Systeme werden miteinander vernetzt, um die Produktion von beiden Standorten aus steuern zu können, als wären sie eine Fabrik. Neben Vorteilen wie Ressourcen- und Energieeffizienz entsteht zusätzliche Flexibilität, um Produkte zwischen den Standorten zu verschieben und damit noch schneller auf den Kundenbedarf reagieren zu können. Als „lernende Fabrik“ verhalf der Einsatz von KI zur Verkürzung der Entwicklungszeit von drei Monaten auf eine Woche. Die KI-Plattform kann länderübergreifend in mehreren Fertigungsstandorten – etwa in Österreich, Deutschland oder Malaysia – genutzt werden. Auch die Partner entlang der Wertschöpfungskette werden vernetzt. Durch Durchgängigkeit und KI effizienter zu werden ist hier ebenso das Ziel wie eine stabile Lieferkette.
Nachdem uns durch die Lieferengpässe nochmals deutlich vor Augen geführt wurde, in welcher gefährlichen technologischen Abhängigkeit sich Europa befindet und wie fernlenkbar unsere Wirtschaft dadurch ist, muss in erster Linie von der europäischen Politik gegengelenkt werden.Erwin Raffeiner
Ruf nach Chip-Regelungen
„Trotz der rasch und effizient umgesetzten Krisenstrategie bescherte uns die Chip-Krise einen dreimonatigen Bandstopp“, sagt Erwin Raffeiner, Geschäftsführer von Sprecher Automation. Der Rückstand wurde durch die nachfolgende starke Wachstumsphase und durch den raschen Ausbau der Produktionsressourcen und der Einsatz der Mitarbeiter:Innen zwar aufgeholt. Doch, die enormen Einkaufspreise auf den Brokermärkten – um teils den 40-fachen Preis – konnten nicht an die Kunden weitergegeben werden und blieben damit ergebnismindernd beim Unternehmen hängen, erläutert der Geschäftsführer des Digitalisierungssystemproduzenten. „Nachdem uns durch die Lieferengpässe nochmals deutlich vor Augen geführt wurde, in welcher gefährlichen technologischen Abhängigkeit sich Europa befindet und wie fernlenkbar unsere Wirtschaft dadurch ist, muss in erster Linie von der europäischen Politik gegengelenkt werden“, ist Raffeiners Forderung an die Politik. Der Chips-Act sollte wettbewerbsfähiger werden und auf Europa fokussieren, ist seine Meinung. Wichtig sind in diesem Zusammenhang, dass die Verfügbarkeit, der in Europa produzierten Chips für die europäische Equipment-Industrie sichergestellt wird.
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