Machine-Centric Robotics für Maschinenbauer : Warum kompliziert, wenn es auch einfach geht?
Unsicherheiten und Abhängigkeiten in den weltweiten Lieferketten bewegen viele Unternehmen, ihre Produktion wieder nach Europa zu holen. Gleichzeitig werden Arbeitskräfte aufgrund des demographischen Wandels immer weniger. Die heimischen Maschinenbauer – egal welcher Größe – tun also gut daran, wenn sie ihr Automatisierungslevel so hoch wie möglich schrauben. Und dazu benötigen sie Robotik. Fündig werden sie beispielsweise im Innviertler Örtchen Eggelsberg. „Wir bewegen uns Schritt für Schritt zum kompletten Lieferanten für die integrierte Robotik“, sagt Sebastian Brandstetter, Produktmanager für Machine-Centric Robotics beim Automatisierungsunternehmen B&R. Die Firma bietet seit mehr als zehn Jahren eine offene Robotiksoftware-Plattform für Maschinenbauer an. Diese nutzten in erster Linie Maschinenbauer, die sich ihre eigenen Kinematiken gebaut haben. Vor drei Jahren hat das B&R-Mutterunternehmen ABB die niederländische Firma Codian Robotics übernommen, die vor allem Deltaroboter für hochpräzise Pick-&-Place-Anwendungen im Angebot hat. Das Spezielle an den Codian-Robotern sind ihre offenen Mechaniken, die B&R nun in sein Portfolio integriert hat.
Eine wichtige Säule der Oberösterreicher ist die maschinenzentrierte Robotik, bei der Robotik und Maschinensteuerung zu einer einheitlichen Architektur verschmelzen. „Wir sprechen hier von integrierter Robotik, weil wir die Mechanik und die Elektronik so auslegen, dass sie in den Maschinenschaltschrank integriert werden kann. Dadurch kann der Roboter von der Maschinensteuerung angesteuert werden und benötigt keinen separaten Schaltschrank“, präzisiert Brandstetter. Das Ergebnis sind fertig konfigurierte Roboter mit definierter Performance und einem Low-Code-Ansatz. Dabei können sowohl einzelne Achsen als auch zusätzliche mechatronische Komponenten wie Track- und Transportsysteme sowie Vision-Systeme integriert werden, die letztlich alle auf der gleichen Plattform laufen.
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Sebastian Brandstetter
„Der Roboter wird immer mehr zum Standardprodukt, das in eine Maschine eingebaut ist.“
Einfachheit, Einheitlichkeit und Sicherheit
„Der Roboter wird immer mehr zum Standardprodukt, das in eine Maschine eingebaut ist“, stellt Brandstetter fest. Den Maschinenbauern bringt das zahlreiche Vorteile. Der augenscheinlichste ist, dass die Zahl der Hardware-Komponenten signifikant sinkt. Die Folge: Der ökologische Fußabdruck und der Platzbedarf der Maschine reduzieren sich – genauso wie die Kosten.
Ein weiterer großer Vorteil ist mehr Übersichtlichkeit im User-Interface. „Wenn ich zwei Plattformen habe, eine für Robotik und eine für die Maschinenautomatisierung, habe ich auch zwei verschiedene Bedienoberflächen, was nicht besonders komfortabel ist“, argumentiert Brandstetter. „Das Zusammenführen ist dann immer mit großem Aufwand verbunden“, so der Produktmanager. Dem setzt B&R eine einheitliche Benutzeroberfläche entgegen, über die der Maschinenbauer alles auf derselben Plattform bedienen kann: Bedienelemente, verschiedene Varianten von Mobile Panels und klassische Automation Panels – der Hauptanwendungsbereich der integrierten Robotik.
Sebastian Brandstetter hat noch einen weiteren Pluspunkt für die integrierte Maschinensteuerung in petto und schielt in Richtung Engineering. Wenn es zwei Plattformen gibt, müssen die Ingenieure und Ingenieurinnen mit zwei Entwicklungswerkzeugen arbeiten, was die Entwicklung einer Maschine nicht gerade erleichtert. Wenn aber alles integriert ist, benötigt man nur ein einzelnes Werkzeug für die gesamte Maschine – das Automation Studio.
Auch sicherheitstechnisch können sowohl Maschinenbauer als auch ihre Kunden von einem integrierten System profitieren, wenn es nur eine Sicherheitssteuerung für die gesamte Maschine inklusive Roboter gibt. Zum Sicherheitsaspekt erklärt Brandstetter: „Unser System ist in die Farben grau und gelb aufgeteilt. In der grauen Welt passiert die Roboterplanung. In der gelben Welt – die Komponenten sind tatsächlich gelb – ist die Sicherheitstechnik integriert, die auch die Überwachung der gesamten Maschine einschließlich der Robotik umfasst. Hier werden beispielsweise Schutztüren überwacht, die sich nur in bestimmten Fällen öffnen sollen.
Das Ziel ist, den Maschinenbauern noch mehr Arbeitslast abzunehmen, damit sie sich um ihr Geschäft kümmern können.Sebastian Brandstetter
Ausblick: Mehr Integration, mehr Funktionalitäten
In Zukunft wollen Brandstetter und seine Kolleg:innen die Integration immer weiter ausbauen. So soll die B&R-Plattform bald auch Multigripper-Funktionen einschließen, bei denen Greifer mehrere Produkte auf einmal picken können. Auch die Performance der Software soll sich erhöhen, sodass Anwender:innen immer mehr Roboter mit einer Steuerung bedienen können. „Mit den Entwicklungen, die wir in der Pipeline haben, sind acht bis zehn Roboter auf einer Steuerung realistisch. Da reden wir von kompletten Pick-and-Place-Applikationen“, verrät der Produktmanager. Bei einfacheren Anwendungen, wie Belade-Funktionen, wo nur eine lineare Bewegung notwendig ist, hält er auch 12 bis 16 Roboter auf einer Steuerung für möglich.
Mit seinen Prozesslösungen hat B&R vor allem Serienmaschinenbauer im Blick. Durch die Erweiterung um andere mechatronische Systeme kommen jedoch immer mehr Bereiche dazu, wie etwa die Automatisierung der Batteriemontage. Auch beim Thema Zertifizierungen steht noch eine wesentliche Verbesserung an. Bei der integrierten Robotik sind alle Einzelkomponenten zertifiziert. Für ein gesamtes Roboter-System muss sich aktuell noch der Maschinenbauer um die Zertifizierung kümmern. Künftig soll aber B&R die Zertifizierung nach DIN EN ISO 10218 übernehmen. Brandstetter fasst zusammen: „Das Ziel ist, den Maschinenbauern noch mehr Arbeitslast abzunehmen, damit sie sich um ihr Geschäft kümmern können“.
SPS-Vorschau:
Auf der SPS – Smart Production Solutions, die von 14.-16. November 2023 in Nürnberg stattfindet, wird auch B&R mit einem Stand vertreten sein. Der Automatisierungstechnikhersteller zeigt in Halle 7 am Stand 206/114 unter anderem die Kombinationen zwischen Deltakinematik, dem flexiblen Track-System Acopostrak und den magnetisch schwebenden Shuttles Acopos6D in einem Demo. Anhand eines Battery-Assembly-Beispiels wird das Be- und Entladen von solchen Systemen nachgestellt, das mit Codian-Robotern besonders einfach und schnell funktioniert. Zudem erwartet die Besucher:innen eine klassische Pick-and-Place-Applikation mit zwei Deltarobotern, die mit einem Förderband interagieren. In einem weiteren Demo wird auch eine Kombination aus einem Acopostrak-System und Codian-Robotik zu sehen sein, genauso wie deren softwareseitige Zusammenführung in einer Simulation.