Automatisierung : Blum-Produktionsleiter: "Sind im Instandhaltungsbereich ausgezeichnet ausgestattet"
Ein Scharnier von Blum besteht aus 58 Teilen. Bevor es auf den Markt kommt, wird es im Test 200 000-mal geöffnet und geschlossen - vollautomatisch natürlich. Ebenso automatisch laufen die meisten Prozesse in den insgesamt acht Werken ab, die der Beschlägehersteller in Österreich, allesamt in Vorarlberg betreibt. Von einer "dark factory", also einer komplett mannlosen Fabrik, kann man dennoch nicht sprechen. Immerhin beschäftigt die Julius Blum GmbH knapp 7000 Mitarbeiter:innen und gilt damit als Vorarlbergs größter Arbeitgeber.
Wer durch die Produktionshallen in Höchst, Bregenz, Dornbirn, Fußach und. Gaißau spaziert, wird also neben Montageanlagen, fahrerlosen Transportsystemen, Fräsmaschinen und automatischen Hochregallagern auch auf Menschen treffen. Diese bedienen im 3-Schichtbetrieb mehrere Anlagen gleichzeitig, füttern die Maschinen mit Halbteilen, spannen neue Stahlbänder ein und sind bei Fehlermeldungen zur Stelle. Auch stichprobenartige Kontrollen, die am Ende jedes Bearbeitungsprozesses durchgeführt werden, sind noch in Menschenhand. Ein Bereich, der laut dem werksübergreifenden Produktionsleiter Richard Eberle noch ausbaufähig ist, was die Automatisierung betrifft, ist das Verpacken. Doch das soll sich ändern. "Bei der Verpackung haben wir kundenspezifisch immer höhere Flexibilität geboten", erklärt Eberle. "Aktuell arbeiten wir mit einem strategischen Partner daran, unsere Verpackungskonzepte als eine Art Baukastensystem umzusetzen, wie wir es auch bei anderen Anlagen haben".
Das ständige Verbessern und Optimieren unserer Anlagen zählt mitunter zu den Kernaufgaben unserer Instandhaltungsteams.Richard Eberle
Montageanlagen wie aus Legosteinen
Meist hinter Schutzglas, kann man tatsächlich beobachten, dass für jeden Bearbeitungsschritt eine eigene Automatisierungslösung gefunden wurde. Und dazwischen erfolgen auch Handling und Zuführung automatisch. Der Produktionsleiter hat seine eigene Geschichte dazu: "Man muss sich unsere Montageanlagen vorstellen wie ein Legospiel. Wir haben Standardklötze und auch ein paar Spezialklötze – und die stecken wir zusammen. Wenn wir später etwas ergänzen möchten, können wir diese Klötze lösen, ein Stück dazwischen einbauen – und die Anlage funktioniert weiter".
Dieses Baukastensystem hat mitunter den Vorteil, dass Mitarbeiter:innen ohne großes Umlernen zwischen verschiedenen Anlagen wechseln können. Was auch deswegen notwendig ist, weil Anlagen, etwa in der Möbelscharnierfertigung in Werk 2 teilweise nach wenigen Wochen wieder umgestellt werden. Auch hinsichtlich der Instandhaltung und der Ersatzteillagerung ist diese Standardisierung von Vorteil. "Wir sind im Instandhaltungsbereich für jemanden, der aus einer anderen Branche kommt, sicher ausgezeichnet ausgestattet", ist Eberle überzeugt. Näher ins Detail gehend, beschreibt er eine Instandhaltungsstrategie, die nicht nur kurativ, also störungsbehebend, und präventiv ist, sondern auch perfektiv tätig ist. "Das ständige Verbessern und Optimieren unserer Anlagen zählt mitunter zu den Kernaufgaben unserer Instandhaltungsteams", so der Produktionsleiter. Und auch mit Predictive-Maintenance-Ansätzen beschäftigt man sich bei Blum. Dafür habe man in den Anlagen Sensorik verbaut, um zu erkennen, wo es in den nächsten Tagen Probleme geben könnte.
Blum und Stiwa sind miteinander gewachsen. Gemeinsam haben wir die Automatisierungstechnik vorangetrieben.Richard Eberle
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Perfektive Instandhaltung für lange Haltbarkeit
Der Vorteil in der Instandhaltung ergibt sich aus daraus, dass Blum einen hauseigenen Werkzeug- und Sondermaschinenbau betreibt. Ausschließlich für interne Zwecke, versteht sich. "Wir haben bis zum letzten Bauteil alle Daten", betont Eberle. Deshalb finden sich in der Produktion auch wenige Standardmaschinen, abgesehen von der Fräserei, wo beim Vorbeigehen zwei bekannte Marken ins Auge stechen. Der Großteil der Anlagen sind Eigenentwicklungen, die gemeinsam mit einer Firma aus Oberösterreich realisiert wurden, mit der Blum schon seit Jahrzehnten eine besondere Partnerschaft unterhält. "Blum und Stiwa sind miteinander gewachsen. Gemeinsam haben wir die Automatisierungstechnik vorangetrieben", zeichnet Eberle die Geschichte der beiden Unternehmen nach. Stiwa sei sozusagen für die Entwicklung der Lego-Steine verantwortlich, macht also Standard-Bauteile und baut einen großen Teil der bei Blum betriebenen Anlagen. Daneben bauen die hauseigenen Maschinenbauer auch selbst Anlagen auf. Die zusammengesetzten Anlagen bestehen dann zum Teil aus der Fertigung Blum und zum anderen Teil aus der Fertigung Stiwa. "Wir entscheiden jedes Mal: Welche Anteile macht Stiwa in Oberösterreich? Welche Anteile machen wir hier? Und wie verheiraten wir die Teile miteinander?", schildert Eberle.
Bei aller Innovation, stehen in Blums Werken auch Maschinen, die bereits alle drei Geschäftsführer-Generationen durchlebt haben? Laut Eberle wurden erst vor zwei Monaten Pressen entfernt, die seit Mitte der 1980er-Jahre in Betrieb waren. Diese wurden allerdings mit dem Produktauslauf unserer STANDARD-Rollführungen obsolet. Eine oder zwei Maschinen gebe es noch, die seit 35 Jahren laufen, wenn auch nicht mehr im Dreischicht-Betrieb. "Die werden zum Beispiel für Musterfertigung im Produktinnovationsprozess oder für Ergänzungsprodukte genutzt, die wir nicht so automatisiert fertigen", so Eberle. Grundsätzlich achte man beim Kauf neuer Anlagen auf zwei Dinge ganz besonders: Hochleistung und Zuverlässigkeit. "Das heißt auch, sie sind darauf ausgelegt, dass sie lange halten", bekräftigt Eberle. Die Anlagen werden so lange betrieben, wie sie für ein Produkt nutzbar sind. Das heißt auch, dass sie die Blum-Mitarbeiter:innen während ihrer Lebenszeit umbauen. "Bei großen Pressen belassen wir im Grunde nur noch das mechanische Gerüst, und den Rest erneuern wir komplett", erklärt der Produktionsleiter und erwähnt noch eine weitere Stärke von Blums eigenen Maschinenbau: "Wir können alle unsere Maschinen auf moderne Steuerungen umbauen".
(Dieser Artikel basiert auf einem längeren Interview. Lesen Sie hier das vollständige Gespräch mit Richard Eberle nach!)