FTS/AMR Interoperabilität : DS Automotion: Wie die Linzer die VDA5050 weiterentwickeln
DS Automotion entwickelt seit fast 40 Jahren fahrerlose Transportsysteme und mobile Robotik. Deren Markt entwickeln sich so dynamisch wie kaum ein anderer Bereich der industriellen Automatisierung - mittlerweile füllen solche Fahrzeuge und Systeme auf Fachmessen ganze Hallen. Zudem haben Anbieter großer, automatisierter Lager- und Fördertechniksysteme diese als flexible Ergänzung in die eigenen Anlagen integriert.
Oft wird zwischen klassischen Fahrerlosen Transportfahrzeugen und autonomen Transportrobotern unterschieden. Manche davon können sich bei Bedarf untereinander abstimmen und bieten durch ihre Autonomie mehr Freiheitsgrade in der Routenwahl. Andererseits bringt die Koordination der Fahrzeuge durch ein zentrales Leitsystem wesentlich mehr Effizienz.
Standardisierung führt zu Herstellerunabhängigkeit
„Kund:innen möchten sich nicht durch proprietäre, völlig abgeschlossene Systeme an einen Lieferanten binden“, weiß Lukas Schwarz, Fachbereichsleiter Entwicklung Fahrzeug-Basissoftware bei DS Automotion. „Sie wollen bei den Fahrzeugen die Wahl haben, um für jeden individuellen Einsatzzweck das optimale Gerät nutzen zu können.“
Deshalb entstand mit der VDA5050 eine standardisierte Schnittstelle, die es ermöglicht, dass Fahrzeuge unterschiedlicher Hersteller unter einem gemeinsamen Leitsystem verkehren und auch miteinander interagieren. Das ermöglicht Anwender:innen, die Leitsteuerung und die Fahrzeuge getrennt auszuschreiben. So können sie etwa für alle Fahrzeuge unabhängig von deren Herstellern einheitliche Leitsysteme nutzen und so den Aufwand für Personalschulung und Softwarewartung begrenzen.
„Die VDA5050 ist neben einer Schnittstellenbeschreibung eine Empfehlung“, präzisiert Schwarz, der als Mitglied im Kernteam des Arbeitskreises des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V. (VDMA) zu VDA 5050 die Standardisierung mit vorantreibt. „Sie stellt eine Plattform dar, auf der alle System- und Fahrzeughersteller ebenso wie die Anwender aufbauen können.“
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Wie sich der Standard etablierte
Der Teil der VDA5050, der das Fahren der Fahrzeuge regelt, ist bereits umfassend abgebildet. Das zeigt sich nicht nur bei den seit 2021 jährlich durchgeführten Mesh-Ups, bei denen Fahrzeuge verschiedener Hersteller innerhalb gemeinsamer Gesamtsysteme verkehren. „Es gibt bereits Anlagen mit Leitsystemen anderer Hersteller, in denen unsere Fahrzeuge reibungsfrei verkehren“, berichtet Lukas Schwarz aus der Praxis. „Umgekehrt werden aktuell Anlagen mit unserem Leitsystem Navios implementiert, in denen auch Fremdfahrzeuge fahren werden.“
Die VDA5050 konnte sich also bereits als Standard etablieren. Das hat auch zu einem weiteren Anwachsen des Angebotes geführt. Der Weg dorthin war nicht immer einfach. Die größten Hürden waren nicht technischer, sondern menschlicher Natur: Etablierte und neu auf den Markt tretende Hersteller hatten oftmals mit Kommunikations- und Interpretationsunterschieden zu kämpfen . Deshalb gibt es auch trotz des Standards weiterhin Unterschiede in der Art und Weise, in der Leitsysteme den Fahrzeugen die Details des Fahrkurses liefern und Fahrzeuge diese erwarten.
Dennoch bietet die offene, lose Schnittstelle heute die Möglichkeit, alle Arten von Fahrzeugen in ein Gesamtsystem einzubinden. Das reicht von physisch spurgebundenen über frei navigierenden bis zu autonomen Fahrzeugen. „In vielen Fahrzeugen von DS Automotion sind mehrere Verfahren und Formate implementiert“, betont Lukas Schwarz. „Damit sind diese für den Betrieb unter fremden Leitsystemen geeignet und in vielen Fällen auch zertifiziert.“
VDA5050 - Gut zu wissen:
Die VDA5050 regelt die herstellerunabhängige einheitliche Kommunikation zwischen Leitsystemen und Fahrzeugen. Sie ist daher heute ein etablierter Standard, dessen Einhaltung bei Ausschreibungen explizit gefordert wird.
Der Standardisierungsprozess geht weiter
Ein Kapitel, bei dem die Standardisierungsbestrebungen noch andauern, ist das Format für den Austausch von Fahrkursdaten. Mit dem Layout Interchange Format (LIF) soll jedes FTS-Leitsteuersystem das Fahrkuslayout einer FTS-Anlage einfach importieren können. Zum LIF gibt es einen eigenen Arbeitskreis des VDMA.
„Die Fahrkursplanung obliegt den Fahrzeugherstellern“, sagt dessen Leiter Christoph Pramberger, Fachteamleiter Entwicklung Leittechnik für Neuprojekte bei DS Automotion. „Beim LIF geht es darum, für die Abbildung eines Fahrkurslayouts ein einheitliches, herstellerunabhängiges Format zu schaffen.“ Dazu enthält die LIF-Datei Informationen über alle Fahrspuren innerhalb eines Bereiches, etwa einer Halle oder eines Stockwerks, sowie Restriktionen wie zum Beispiel maximale Breiten oder Geschwindigkeitsbeschränkungen.
Die LIF-Datei wird vom Leitsteuersystem importiert und um zusätzliche Informationen zur Erfüllung der Leitsteuerungssystemaufgaben wie Verkehrsregelung, Routing, etc. erweitert. Auf Basis dieser Informationen erfolgt die Kommunikation mit den Fahrzeugen per VDA5050. LIF ist ein weiterer wichtiger Meilenstein auf dem Weg zur vollen Interoperabilität zwischen Leitsystemen und Fahrzeugen verschiedener Hersteller. Die Veröffentlichung von LIF soll in der zweiten Jahreshälfte 2023 erfolgen.
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Lasthandling und Kartenaustausch
Auch das Lasthandling ist als Teil der VDA5050 vereinheitlicht. Es stellt einen wesentlichen Teil des Standards dar, indem es z. B. die Lastübergabe auch zwischen Fahrzeugen unterschiedlicher Hersteller ermöglicht. Definiert sind innerhalb der VDA5050 allerdings lediglich die Aktionen. Die eigentlichen Abläufe dahinter müssen projektspezifisch festgelegt werden.
Die aktuellen Vereinheitlichungsbestrebungen sind auf die Möglichkeit gerichtet, zwischen den Fahrzeugen Karten auszutauschen, etwa mit Konturenkarten zur Lokalisierung mit Lasernavigation, mit natürlichen Landmarken oder über eigens angebrachte Landmarken zur exakten Lastübergabe.
Planbare Autonomie
Die Roboter müssen immer mehr in sich dynamisch ändernden Umgebungen arbeiten. Dem begegnet DS Automotion mit der Möglichkeit, in der Leitsteuerung Navios alternativ zu linienförmigen Bahnen auch Zonen zu definieren, innerhalb derer autonom navigierende Fahrzeuge den genauen Weg selbstständig finden können.
Dabei ermöglicht die Fahrzeugsoftware Arcos nicht nur das vollautonome Ausweichen bei unerwarteten Hindernissen innerhalb nutzerdefinierter Grenzen, sondern auch das Zusammenspiel mehrerer AMR im freien Raum. So verbindet diese sogenannte planbare Autonomie die Zuverlässigkeit und Effizienz des zentral gesteuerten Systems mit der Flexibilität autonom navigierender Fahrzeuge.
„Die Zeit proprietärer Systeme ist hier wie in allen Bereichen der industriellen Automation vorbei“, betont Lukas Schwarz. „Im nächsten Schritt soll diese Zonenbildung als Teil der VDA5050 standardisiert und somit allen Anbietern und Anwendern von FTS einfach zugänglich gemacht werden.“
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