Plattformökonomie : Industrie-Plattformen im Rampenlicht
Befeuert durch die Pandemie, Lockdowns und den seit Jahren anhaltenden eCommerce-Trend haben sich viele B2C-Plattformen einen Namen gemacht. Im Gegensatz dazu fristen die allermeisten B2B-Pattformen, die zunehmend häufig von deutschen GründerInnen ins Leben gerufen werden, eher ein Nischendasein – auch aufgrund eigener Versäumnisse. Zum Jahreswechsel rufen führende Vertreter junger B2B-Plattformen ihre Kollegen zu höherem Selbstbewusstsein und mehr Präsenz in der Öffentlichkeit auf.
Laserhub
„Klappern gehört zum Geschäft“, bringt es Christoph Rößner auf den Punkt. Der Co-Gründer der Laserhub GmbH, die eine Plattform für Auftrags- und Bestellmanagement in der Blechbearbeitungsbranche entwickelt hat, fordert von seiner Branche mehr Bereitschaft die eigenen Geschäftsmodelle immer wieder zu erklären. „Ein Online-Angebot zur schnellen Auslieferung von Snacks und Getränken ist schnell erklärt, und jeder kann sich so ungefähr vorstellen, wo die Vorteile, Herausforderungen und Potentiale liegen. Im B2B-Umfeld ist deutlich mehr Aufklärung und Erklärung gefragt.“
Rößner spricht aus eigener Erfahrung. Die Plattform Laserhub richtet sich sowohl an Unternehmen, die Blechteile benötigen – HandwerkerInnen, MaschinenbauerInnen, AnlagenbauerInnen und KonstrukteurInnen, sowie an Unternehmen, die beispielsweise mit Lasermaschinen die entsprechenden Teile produzieren. Um hier einen reibungslosen Ablauf zu ermöglichen, sind ausgefeilte Algorithmen, nahtlose Logistikprozesse und viel ExpertInnenwissen nötig. Wie groß und anspruchsvoll diese Märkte sind, ist aber nur Insidern bekannt. „Wir adressieren mit unserer Plattform einen Markt, der alleine in Europa jährlich über 50 Milliarden Euro umsetzt“, berichtet Rößner. „Es hat schon eine Weile gedauert, bis wir verstanden haben, dass außerhalb der Branche nahezu niemand eine Ahnung von diesen Dimensionen hat. Seit wir diese aktiv kommunizieren, werden wir auch am Markt für potentielle Mitarbeiter wesentlich deutlicher wahrgenommen. Wir planen in Zukunft eine verstärkte Präsenz auf Messen, Kongresse und anderen Events – digital und vor Ort. Außerdem wollen und werden wir zunehmend Kunden besuchen um die Zusammenarbeit noch weiter zu verbessern. Unser eigenes Event-Format „Days of Metal“ wollen wir noch attraktiver machen und damit auf Tour gehen.“
Partscloud
Ganz ähnlich beschreibt Benjamin Reichenecker die Situation in seinem jungen Unternehmen. Vor etwa einem Jahr ist er mit seinem Team und der B2B-Plattform Partscloud gestartet. Im Kern geht es Reichenecker mit Partscloud darum, mittelständischen Maschinenbauern und ähnlichen Unternehmen eine spannende Alternative zur klassischen Ersatzteillogistik zu bieten. Die Plattform bietet Cloud-basiert alle Funktionen einer Lösung für Ersatzteilmanagementund verbindet diese zugleich mit freien Ressourcen externer LogistikanbieterInnen. Unternehmen können somit auf Wunsch ihr komplettes Ersatzteilgeschäft auslagern und mittels einer einfachen Online-Konsole überblicken. „Wenn ich bei Gesprächen kurz unser Business anreiße, dann sind die Reaktionen oft zurückhaltend. Wie spannend, kritisch und finanziell relevant kann schon das Ersatzteilgeschäft sein? Ihre Gewinne erzielen Maschinen- und AnlagenbauerInnen aber nicht mit Neumaschinen, sondern mit Ersatzteilen. Während nur 10-25% der Umsätze durch Ersatzteile erzielt werden, stehen diese für 85% der Margen. Nicht selten müssen Ersatzteile auch für die Kompensation von Verlusten im Neumaschinengeschäft herhalten“, erzählt Reichenecker.
Reichenecker und sein Team haben nach wenigen Monaten erste InteressentInnen gefunden, die nun prüfen, inwieweit sie das eigene Lager und eigene Ressourcen reduzieren und stattdessen auf die Plattform von Partscloud setzen wollen. Das große Plus von Reichenecker: Er selbst war jahrelang für das Ersatzteilmanagement eines deutschen Mittelständlers aktiv, kennt also die Sorgen und Nöte der Kunden aus eigener Erfahrung. „Ich behaupte, ein B2B-Startup erfolgreich voranzubringen erfordert ein hohes Maß an Branchenkenntnis. Sicherlich kommt man auch im B2C-Umfeld nicht ohne aus, aber ich denke, der B2B-Sektor ist hier noch kritischer, da die hier angebotenen Leistungen am Ende des Tages für den gesamten Betriebserfolg der KundInnen essentiell ist. Man kann sich hier keine Fehler leisten. Oder um es anders zu sagen: Ein Turnschuh darf einen Tag später ankommen, das Bauteil eines Industrieroboters muss zu Schichtbeginn vor Ort sein“.
ScaleNC
Wie sehr es bei B2B-Plattformen auf Expertenwissen ankommt, davon kann Holger Röder ein Lied singen. Der Gründer von ScaleNC hat sich mit seiner Plattform eine Nische ausgesucht, bei der stetiges Lernen und Weiterbilden der MitarbeiterInnen unverzichtbar ist. Zusammen mit seinen KollegInnen macht Röder auf seiner B2B-Plattform NC-Programmierung als Service verfügbar.
„Die Formulierung „as a Service“ ist ja seit vielen Jahren recht geläufig – nur NC-Programmierung as a Service ist wirklich etwas Neues. Und wie das eben oft so ist mit etwas Neuem: Es muss sich herumsprechen“, meint Röder. „Man muss sich vor Augen führen, welche zentrale Rolle NC-Programmierung in nahezu jeder industriellen Produktion spielt. Ist die Programmierung schlecht oder fehlerhaft, werden mangelhafte Teile produziert, die dann eben nicht zu Maschinen, Autos oder anderen Produkten zusammengebaut werden können“ erklärt Röder. „Die hochmodernen Maschinen sind ungemein leistungsstark und effizient. Um all ihre Vorteile zu nutzen ist eine optimale Programmierung gefragt – und das können nur die wenigsten.“
Röder setzt mit seinem Team gleich an zwei Stellen an: Er ermöglicht es metallverarbeitenden Betrieben, sich auf ihr Kerngeschäft zu fokussieren, indem sie die NC-Programmierung auf die Plattform von ScaleNC auslagern. Zugleich adressiert er ein Problem, das viele Unternehmen schmerzhaft kennengelernt haben: den Mangel an Fachkräften. Top geschulte NC-Programmierer sind rar gesät und vor allem für kleine Unternehmen kaum zu finden. Die Plattform von ScaleNC bietet hier einen Ausweg, indem sie einen Pool an ExpertInnen verfügbar macht.