Kolumne von Mario Buchinger : Wasserstoff ist sinnvoll, aber kein Wundermittel
Wasserstoff ist wertvoll
Wasserstoff ist sowohl das kleinste als auch das häufigste Element im Universum. Es bildet den Grundbaustein der Sterne. Unsere Sonne benötigt jede Sekunde circa 564 Millionen Tonnen Wasserstoff, um die Kernfusion am Laufen zu halten, die unser Leben auf der Erde erst ermöglicht. Auf der Erde kommt Wasserstoff jedoch fast nur in chemischen Verbindungen, wie Wasser und Kohlenwasserstoffen, vor. Und das macht es schwieriger als viele glauben.
Lesetipp: Lean, Industrie 4.0 und KI können Führung 1.0 nicht ersetzen
Um Wasserstoff zu nutzen ist viel Energieaufwand nötig. So kann molekularer Wasserstoff (H2) aus Wasser und regenerativer Energie mittels Elektrolyse gewonnen werden. Weil das aber ein aufwändiger und energieintensiver Prozess ist, ist dieser „grüne“ Wasserstoff extrem rar, wertvoll und dementsprechend teuer. Es wäre also absolut unsinnig, diesen einfach zu verbrennen.
Nach wie vor hält sich der naive Glaube, dass bei Verbrennungsprozessen statt fossiler Energieträger künftig einfach Wasserstoff verwendet wird. Weder in Gasheizungen noch bei der straßengebundenen Mobilität wird der Stoff eine relevante Rolle spielen, da es dafür längst überlegene, viel effizientere Technologien gibt. Und das ist nicht meine Meinung, sondern Physik. Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik ist wie er ist. Das wir uns an die Verschwendung insbesondere bei Verbrennungsprozessen gewöhnt haben, ist kein Naturgesetz. Die effektivste Art ist elektrische Primärenergie, die selbstverständlich aus regenerativen Quellen kommt, so unmittelbar wie möglich zu nutzen.
Wasserstoff in Hard-To-Abate Sektoren und saisonalen Speichern
Sektoren, die prozessbedingt aktuell keine andere Möglichkeit haben, brauchen Wasserstoff. Dazu gehören z.B. die Stahl- oder Düngemittelindustrie. Diese industriellen Prozesse benötigen primär diesen seltenen Rohstoff, der in den nächsten Jahren in seinem grünen Anteil deutlich gesteigert werden muss. Der Weg ist noch weit, denn derzeit ist erst ein Prozent der weltweiten Produktion „grün“.
Lesetipp: Mensch-Maschine Kollaboration – ein Ausweg vom Fachkräftemangel?
Eine andere Anwendung sind saisonale Energiespeicher, die überschüssige elektrische Energie aus dem Sommer für den Winter konservieren. Hier wäre der Effizienzverlust gegebenenfalls akzeptabel, da es bisher keine besseren Lösungen gibt. Jedoch ist die Batterietechnik derzeit auf dem Vormarsch und es ist zu erwarten, dass mittelfristig auch saisonale Speicher batterieelektrisch werden.
Wasserstoff wird eine wichtige Rolle spielen. Er wird uns aber nicht die notwendigen Veränderungen abnehmen. Daran den Energiebedarf zu senken, Effizienz zu steigern und regenerative Primärenergie möglichst unmittelbar zu erzeugen und zu nutzen, wird kein Weg vorbeiführen.