Kolumne von Mario Buchinger : Mensch-Maschine Kollaboration – ein Ausweg vom Fachkräftemangel?

Kürzlich war es im Nachbarland Deutschland in den Medien und das Phänomen dürfte in Österreich ähnlich sein: Die Geburtenrate ist so niedrig wie seit 15 Jahren nicht mehr. Die Gründe dafür sehen Forschende bei der Klimakrise, ungewissen Zukunftsszenarien und steigenden Kosten. Auch wenn die heutigen Geburten erst in etwa 20 Jahren auf die Wirtschaft durchschlagen, so ist das Problem schon heute deutlich und Unternehmen müssen vorbereitet sein.

Früher war nur Effizienz ein Thema

Noch vor einigen Jahren gab es unsägliche Diskussionen, in denen es darum ging, wann sich eine Maschine im Vergleich zum Menschen rechnet. Dabei ging es ausschließlich um Rationalisierung, wozu auch Lean-Projekte ständig missbraucht wurden. Solche menschenfeindlichen Diskussionen hört man heute nur selten, denn die Leute, die man dringend braucht, sind oft schwer zu kriegen.

Menschen entlasten und Prozesse sichern

Ich höre die Frage bei vielen meiner Kunden: Wie können wir besser automatisieren, weil es nicht mehr genug Personal gibt? Die Frage ist völlig berechtigt. Gerade für Arbeitsbereiche, die ergonomisch unattraktiv sind, ist es notwendig passende Antworten zu finden. Und wenn Automatisierung und Robotik dort zum Einsatz kommen, wo es für Menschen keine optimale Arbeitsumgebung ist, hat man doppelt gewonnen: Menschen entlastet und Prozesse gesichert. Aber hier trennt sich die Spreu vom Weizen. Welche Führungskräfte denken über beide Aspekte nach und welche nur über den zweiten? Prozesse zu sichern ist wichtig und nachvollziehbar. Aber die menschlichen Bedürfnisse, wie Ergonomie, Flexibilität, Abwechslung, sind es mindestens genauso.

Es geht um viel mehr

In jedem Unternehmen wird man weiter Menschen brauchen, die Dinge manuell tun. Denken Sie etwa an die Instandhaltung der Maschinen. Aber es geht um viel mehr. Wenn eine Organisation veränderungsfähig sein will, braucht es kreative Menschen, die diese Veränderung gestalten und umsetzen. Das können Maschinen nicht und wenn sie es könnten, gäbe es am Ende keine Kunden mehr, die die angebotenen Produkte und Dienstleistungen kaufen.

Und auch wenn die besagten menschenfeindlichen Diskussionen heute nur selten zu hören sind, so sind die entsprechenden Einstellungen in Teilen des Managements nicht weg. Das rächt sich über die Zeit, denn um qualifizierte, kreative und engagierte Menschen zu bekommen und zu halten, braucht es eine Unternehmenskultur, die nicht nur auf Effizienz und Kosten schaut.

Die Mensch-Maschine Kollaboration ist nur dann ein Ausweg aus dem Fachkräftemangel, wenn die innere Haltung der Führung zur Gesellschaft und zum Menschen allgemein eine wertschätzende ist.

Mario Buchinger
Mario Buchinger ist (Ökonomie-)Physiker, Musiker und Autor. Der Lean- und Kaizen-Spezialist war zehn Jahre als Angestellter und Führungskraft bei Daimler und Bosch tätig, bevor er 2014 das Unternehmen Buchinger|Kuduz gründete, das auf Strategie-, Prozess- und Klima-Transformation spezialisiert ist. Zu den Kunden zählen neben Industrieunternehmen u. a. auch Banken und öffentliche Behörden. - © Schaeffler