Buchinger-Kolumne : Schreckgespenst Deindustrialisierung

SCHRECKGESPENST Buchinger Kommentar
© WEKA

Ein Alkoholiker trinkt und er fühlt sich in dem Moment dabei meist wohl, auch wenn es ihm massiv schadet. Trotzdem reagieren diese Menschen sehr ablehnend, wenn man sie vom Trinken wegbringen möchte und reden sich ein, dass eh alles passt. Ist die Aussage provokativ? Ja, aber wir verhalten uns nicht so vernünftig, wie wir gerne von uns selbst glauben. Viele wollen die Fehler der Vergangenheit erhalten, weil sie im Status Quo von der alten Welt profitieren oder sich Neues einfach nicht vorstellen können oder wollen.

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Fossile Branchen boomen noch immer

An mangelndem Wissen liegt es jedenfalls nicht. Es ist eher der Glaube, dass die Klimatransformation zu viel kosten würde und dass es genug Wundertechnologien gäbe, die einem die Verhaltensänderung abnehmen würden. Beispiele dafür sind die Hoffnung auf E-Fuels, Wasserstoff in Gasheizungen, CCS, die Kernenergie oder die Kernfusion. Einiges davon wird es sicher geben, aber um die Veränderung werden wir nicht herumkommen.

Klimatransformation sichert Zukunft

Das Festhalten an alten Gewohnheiten ist für unsere Wirtschaft extrem gefährlich. Die oben genannten Wunschtechnologien widersprechen einerseits den Regeln der Physik und andererseits den Regeln des Marktes. Während man hierzulande am Alten festhält, entwickeln sich andere Regionen der Welt nämlich weiter. Wer voran geht, hat den Vorsprung, der für die Wettbewerbsfähigkeit nötig ist.

Dass die Transformation Geld kostet, ist richtig. Österreich hat im Jahr 2022 19 Milliarden Euro anderen Staaten für fossile Energieträger überwiesen. Das Geld ist vorhanden. Und die Investitionen in die Veränderung, wie geteilte Mobilitätsressourcen, bessere Energienetze oder Speichertechnologien, sind geringer, als die Fehler der Vergangenheit zu konservieren. Die Schäden durch die Klimakrise steigen massiv an.

Auch Ablasshandel reicht nicht

Der Zertifikatehandel – der Ablasshandel des 21. Jahrhunderts – reduziert keine Emissionen, er sorgt bestenfalls für ein Umdenken, weil die verursachten Emissionen endlich ein Preisschild bekommen. Die Physik hält sich nicht an Marketing-Tricks und Selbstbetrug. Die Preise für Emissionszertifikate liegen derzeit je System bei etwa 5 bis 100 Euro pro Tonne CO2. Das deckt die tatsächliche Schäden nicht einmal annähernd ab, denn laut einer Studie des University College London verursacht jede Tonne ausgestoßene Treibhausgase Schäden von über 3000 Dollar.

Es gibt große Herausforderungen in den nächsten Jahren. Ob wir eine prosperierende Wirtschaft bleiben, hängt primär davon ab, ob uns die alternativlose Klimatransformation und eine tatsächliche Kreislaufwirtschaft gelingen. Wir müssen jetzt beweisen, dass wir so vernünftig sind, wie wir selbst von uns glauben.