Kolumne : Schatten werfen ihre Schatten voraus

Digitaler Zwilling

In der Kolumne "Schlund schreibt" teilt Sebastian Schlund jeden Monat seine Einschätzung zu industrie- und forschungsrelevanten Themen.

- © WEKA

Ein digitaler Schatten stellt mitnichten ein komplettes Abbild des realen Objekts dar, sondern ein dimensionsreduziertes Modell der Realität. Einen Schatten eben! Und ein solcher sieht unterschiedlich aus, je nachdem, aus welcher Richtung er betrachtet wird. Um einmal beim realen Schatten zu bleiben: für diejenigen, die mit der Sonne schauen, wird der Schatten verdeckt sein und entsprechend gar keine brauchbaren Informationen bieten. Und denen, welche die Grundprinzipien der Physik verstehen, werden selbst monochrome 2D-Informationen weiterhelfen.

Um Österreich als nachhaltigen Industriestandort neu zu erfinden, benötigt es massive Anstrengungen, die digitalen Abbilder industrieller Produkte und Prozesse weiterzuentwickeln. Der Aufwand dafür ist hoch. Es wird sich aber lohnen – nicht nur für die Hersteller, Systemintegratoren und Betreiber, die durchgängige CAx-Modelle über den Produktlebenszyklus nutzen können. Auch Optimierungen lassen sich zunehmend nur mit digitalen Zwillingen umsetzen.

  • BILD zu OTS - Sebastian Schlund ist neuer Pr?sident der ?WGP
    "Ein digitaler Schatten stellt lediglich ein dimensionsreduziertes Modell der Realität dar."

    Sebastian Schlund

So wird beispielsweise im FFG-Forschungsvorhaben »LEOPOLD« eine digitale Methode zur Flexibilisierung von Energiesystemen auf der Basis eines Digitalen Zwillings entwickelt. Diese trägt dazu bei, dass in energieintensiven Industrien bis zu 15% Energie und bis zu 20% CO2-Emissionen reduziert werden. Ein weiterer Schwerpunkt des digitalen Zwillings ist die Berücksichtigung menschlicher Eigenschaften, Präferenzen, Aktivitäten und Entscheidungen. So werden adaptive Assistenzsysteme in der Produktion möglich, wenn echtzeitnah Informationen zum Arbeitsplatz mit Mitarbeiterdaten verknüpft werden. Konkret heißt das: Ein Arbeitsplatz kann sich individuell an die jeweiligen Mitarbeiter anpassen. Ein Exoskelett kann gezielter unterstützen. Und Informationen können dorthin projiziert werden, wo die Werkerin hinschaut. Hier bleiben aktuell noch genügend Fragen offen, beispielsweise hinsichtlich der Nutzungsgrenzen personenbezogener Daten. Denken Sie nur an den Datenschutz. Daher benötigt es meines Erachtens Experimentierumgebungen und innovationsfreundliche Projektsettings, die Möglichkeiten der Digitalisierung wirtschaftlich und menschzentriert zu nutzen. Die Diskussion um digitale Schatten und Zwillinge wird uns noch lange erhalten bleiben.

P.S.: Noch ein kurzer Nachtrag zur Überschrift. Sie haben es sicher gleich entdeckt: Schatten werfen gar keine Schatten 😊.