Ersatzteil-Lieferketten : "Der 3D-Druck ist die ideale Technologie für das digitale Lager"
FACTORY: Jochen, Digital Warehouse scheint ein verbreitetes Modewort zu sein. Aber was bedeutet es eigentlich?
Jochen Loock: Für uns ist das digitale Lager ein Konzept, das darauf basiert, Teile in einem digitalen Format statt in einem physischen Lager aufzubewahren. Wann immer ein Bedarf besteht, können die Teile, anstatt sie physisch zu versenden, digital an eine dezentrale Produktionsstätte geschickt werden, wo die Teile dann produziert werden. Der 3D-Druck ist hierfür die ideale Technologie, da es sich um eine sehr digitale Technologie handelt, mit der auf Anfrage genau die Menge produziert werden kann, die benötigt wird.
Warum bietet DB Schenker jetzt ein digitales Lager an?
Loock: Wir wissen aus unseren bestehenden Lösungen für das Ersatzteilmanagement, dass die Kund:innen große Probleme mit der Lieferfähigkeit haben und die Lieferzeiten für Ersatzteile in die Höhe geschnellt sind. Für viele unserer Kund:innen ist das eine Katastrophe. Denn wenn Maschinen, Züge oder Autos nicht mit Ersatzteilen versorgt werden, stehen sie still, was zu sehr, sehr hohen Kosten führt. Deshalb verlangt der Markt von uns, dass wir alternative, innovative Lösungen anbieten. Wir bieten unser Produkt erst seit einem Jahr an, aber wir haben bereits Projekte mit acht verschiedenen Unternehmen aus den Bereichen Automobil, Bahn und Industrie laufen. Zum Beispiel arbeiten wir derzeit mit der Deutschen Bahn zusammen. Die DB hat bereits sieben Jahre Erfahrung mit dem Druck von 80.000 Ersatzteilen. Jetzt wollen sie den nächsten Schritt machen und gemeinsam mit uns zehn Prozent ihres Bestandes digitalisieren.
Im Hintergrund ist "On-Demand Production" ein unabhängiger Makler, der dem Kunden Teile aus einem Netzwerk von 3D-Druck-Unternehmen anbietet.
FACTORY: Was verbirgt sich hinter unserem neuen digitalen Lagerservice "On-Demand Production"?
Loock: Vordergründig ist es eine Plattform, die Daten speichert und zugänglich macht, anstatt physische Teile zu lagern. Im Hintergrund ist es ein unabhängiger Makler, der dem Kunden Teile aus einem Netzwerk von 3D-Druck-Unternehmen anbietet. So wie Uber keine Autos besitzt, besitzen wir keine Maschinen. Aber wir arbeiten mit spezialisierten globalen Subunternehmern zusammen, die die Ersatzteile herstellen. Wir koordinieren die Lieferant:innen, so dass es für den Kunden einfach ist, die Teile rechtzeitig am richtigen Ort und in der erforderlichen Qualität zu erhalten. Letztendlich helfen wir dem Kunden dabei, ein komplexes, globales 3D-Druck-Ökosystem in seine bestehenden Beschaffungsprozesse zu integrieren.
Was sind die aktuellen Hürden für Kunden bei der Anwendung des digitalen Lagerkonzepts?
Loock: Viele Kund:innen wissen nicht, wo sie anfangen sollen, und sie wissen nicht, welche Teile 3D-gedruckt werden können. Deshalb unterstützen wir sie mit unserem Beratungsservice "part screening" bei der Identifikation von profitablen Teilen. Auch ingenieurtechnische Themen wie die Digitalisierung von 30 Jahre alten Zugteilen oder die Erzielung einer mindestens gleichwertigen Qualität wie beim Originalteil sind Herausforderungen. Hier helfen wir ebenfalls, mit unserer Erfahrung, diese Herausforderungen strukturiert und schnell bewältigen zu können.
Wie sieht Ihrer Meinung nach die Zukunft der digitalen Lagerhaltung aus?
Loock: Derzeit wird Digital Warehousing profitabel für Ersatzteile eingesetzt. Aber so wie Amazon mit der Auslieferung von Büchern begonnen hat, erwarten wir, dass Digital Warehousing nicht in dieser Nische verharren, sondern sich die Reichweite des Konzepts ausweiten wird. Für nicht 3D-druckbare Teile wird es in Zukunft möglich sein, auch andere Technologien für On-Demand-Produktionsservices zu nutzen. Auch könnte das Konzept in Zukunft auf dringende Serienteile ausgeweitet werden.
Webinar: Growing the digital warehouse for spare parts – why does a logistics company do 3D-printing?
Jochen Loock ist Business Development Manager On-Demand Production bei DB Schenker, wo er den 3D-Druck zur Verbesserung der Ersatzteil-Lieferketten vorantreibt. Der ehemalige Fraunhofer-Ingenieur verbindet tiefes 3D-Druck-Know-how mit praktischer Geschäftserfahrung, um die digitale Lagerhaltung zu realisieren.
In seinem Vortrag wird er zeigen, wie 3D-Druck und digitale Logistik tatsächlich Kosten senken, physische Bestände reduzieren und die Verfügbarkeit von Ersatzteilen erhöhen können. Er wird seine Erfahrungen teilen und erklären, wie man mit der Implementierung eines digitalen Lagers beginnt und damit die Lieferketten für Ersatzteile verbessert. Das Webinar findet auf Englisch und an zwei verschiedenen Terminen statt.