Arbeitssystemgestaltung : Arbeitsgestaltung in der Produktion - das könnte die Zukunft bringen

Wie schön ist es, in einem Auto zu sitzen und sich den Sitz, die Rückspiegel und das Lenkrad auf die eigenen Körperproportionen einstellen zu können. Das hat nicht nur ergonomische Vorteile, sondern ermöglicht auch ein sichereres Fahren. Die individuelle Anpassung des Fahrzeuginnenraums beinhaltet heutzutage sogar weit mehr, da sich individuell gespeicherte Einstellungskombinationen mittlerweile personenkonkret abrufen lassen. Somit werden die Nutzer des Fahrzeugs Bestandteil eines adaptiven Systems, welches sich individuell an die jeweiligen Bedürfnisse anpasst. Natürlich ist das noch nicht Standard in jedem Automobil; der Weg geht aber zweifelsohne in diese Richtung.

Schluss mit der Gleichmacherei

Ich frage mich regelmäßig, warum das gleiche Konzept nicht konsequent auf die Arbeitsplatzgestaltung übertragen wird. Gerade Produktionsarbeitsplätze scheinen für individuelle Adaption bestens geeignet. Hier wird häufig acht Stunden pro Tag unter teilweise ergonomisch sehr beanspruchenden Bedingungen gearbeitet. Gleichzeitig richten wir seit Jahrzehnten die Arbeitsplatzgestaltung am ‚Durchschnittsmenschen‘ aus und lassen somit das Potenzial individueller Anpassungen ungenutzt. Natürlich ist es ein Unterschied, ob ich mit meinen 1,93 m Körpergröße einen Arbeitsplatz nutze oder meine Kollegin mit 1,62 m*. Greifraum, Blickfeld und Zugänglichkeiten unterscheiden sich stark. Adaptive Arbeitssysteme ermöglichen zudem eine Integration von leistungsgewandelten MitarbeiterInnen und stellen somit eine wirkungsvolle Antwort auf den demographischen Wandel in der Produktion dar.

(Lesen Sie auch: Wie wird der Arbeitsplatz der Zukunft aussehen?)

"Wir richten die Arbeitsplatzgestaltung noch immer auf den ‚Durchschnittsmenschen‘ aus. So bleibt das Potenzial individueller Anpassungen ungenutzt."
Sebastian Schlund

Her mit den innovativen Lösungskonzepten

Heute besitzen wir alle technischen Voraussetzungen, die es braucht, um adaptive und sogar individualisierbare Arbeitssysteme zu realisieren. Hochauflösende, echtzeitfähige Sensorik und günstige, funktionsintegrierte Aktorik ermöglichen schon heute aktive Exoskelette und feinfühlige Robotiksysteme. Gleichzeitig können durch Datenbrillen und Projektionssysteme Informationen genau dort angezeigt werden, wo sie benötigt werden. Damit die Idee adaptiver Arbeitssysteme allerdings Wirklichkeit wird, braucht es neu gedachte Interaktionskonzepte zwischen Mensch und Maschine. Mit Texteingabe oder Berühren von Schaltflächen auf einem Display werden sich keine intuitiven Nutzungskonzepte entwickeln lassen. Hier sind neue Formen der sogenannten Natural User Interfaces (NUI) gefragt, die intuitive Interaktionsformate wie Sprach- und Gestensteuerung mit intelligenter Kontexterkennung zusammenführen.

Dieses Forschungsfeld entwickelt sich gerade hochdynamisch. Im Wochenrhythmus zeigen Veröffentlichungen im Bereich der Bild-, Posen- und Szenenerkennung, was im Labormaßstab möglich ist. Natürlich ist es noch ein großer Schritt in Richtung industrieller Anwendungen. Ich hoffe jedoch, dass diese Innovationen auch die Arbeitsgestaltung in der Produktion revolutionieren. Das wäre bitter nötig vor dem Hintergrund fehlender Fachkräfte und einer dringend benötigten Attraktivitätssteigerung unserer Arbeitsplätze in diesem Bereich. Doch dazu mehr in der nächsten Kolumne.

*das entspricht dem 50. Perzentil der Körperhöhe weiblicher Nutzer in Mitteleuropa