6. Wiener Produktionstechnik Kongress : Hochkarätige Experten diskutierten Zukunft der Produktion
Henriette Spyra: "Der Klimawandel verlangt nach einer Automatisierungswelle"
Henriette Spyra, Sektionschefin im Umweltministerium, ging in ihrem Vortrag auf die globalen Herausforderungen und die damit verbundenen Auswirkungen für die Industrie ein. "Europa ist in der Krise, die uns testet in Sachen Resilienz. Diese Herausforderung ist eng mit dem Klimawandel verknüpft, der nicht nur Europa, sondern die ganze Welt betrifft. Der Klimawandel verändert die ganze Welt und verlangt nach einer Automatisierungswelle. Der Produktionssektor spielt eine entscheidende Rolle in der Mitigation und Lösung dieser Probleme. Besonders in den letzten Jahren wurde deutlich, wie wichtig die Industrie für den Erfolg der Energiewende ist. In den vergangenen Jahren haben wir gelernt, wie wichtig die Rolle der Industrie bei der Energiewende ist. Die Europäische Union treibt diesen Wandel mit verschiedenen Aktionsplänen voran, insbesondere im Rahmen der EU-Industriestrategie. 95 % dieser Entscheidungen passieren in Brüssel. Diese Transformation ist eng verknüpft mit Innovation und der Schaffung von Arbeitsplätzen" so Spyra.
Die Leiterin der Sektion „Innovation und Technologie“ sprach auch konkret über die Situation in Österreich und forderte weitere Maßnahmen zur Unterstützung von Innovation un Forschung. "Österreich verfügt nach wie vor über eine robuste Industrie, doch der Wandel wird sehr ernst genommen. Das Land ist gut positioniert, aber es bedarf erheblicher Anstrengungen, um erfolgreich zu bleiben. Zwei Milliarden Euro wurden in den vergangenen Jahren investiert. Das ist eine elementare Aufgabe unserer Regierung. Doch auch der öffentliche Sektor muss sich weiterentwickeln, um den Herausforderungen gerecht zu werden. Wir wollen Forschung und Innovation unterstützen. Aber auch wir als öffentlicher Sektor müssen uns ändern."
Gerhard Hirczy: "Wohnraum frisst den Raum auf, den die Industrie braucht."
Laut Gerhard Hirczy von der Wirtschaftsagentur Wien, spielt die Digitalisierung eine zentrale Rolle in der modernen Produktion, insbesondere im städtischen Raum. "Digitalisierung ist ein Katalysator für die Produktion im urbanen Raum." Aus wirtschaftspolitischer Sicht bestehe eine Verpflichtung, die Industrie in diesen Zeiten zu unterstützen. "Ökonomische Politik hat eine Bringschuld, die Industrie zu unterstützen." Ein großes Problem dabei sei, der schwindende Raum für Industriegebiete. "Wohnraum frisst den Raum auf, den die Industrie braucht" so Hirczy.
Ein bedeutendes Projekt, das in Wien umgesetzt wurde, ist die erste Pilotfabrik für Industrie 4.0, an der die TU Wien maßgeblich beteiligt ist. Für Hirczy ein Leutturmprojekt der urbanen Produktion: "Besonders bemerkenswert ist, dass diese Fabrik mitten in einer Stadt errichtet wurde, die für ihre kulturellen Ikonen wie Gustav Mahler bekannt ist, und nicht in einem traditionellen Industriegebiet wie Linz."
Diese Initiative habe auch in der Politik viel Aufmerksamkeit erregt. "Nun wird verstärkt an das Potenzial urbaner Industrie geglaubt. Denn eine moderne, innovative Industrie ist entscheidend für die Zukunft einer lebendigen und dynamischen Stadt. "Eine gute Stadt braucht einfach eine innovative Industrie", so Hirczy.
Jens Schneider: "Wir müssen effizienter werden."
Jens Schneider hielt ein Plädoyer für den Einsatz von künstlicher Intelligenz in der Industrie. "KI ist auf dem Vormarsch, und dank der enormen Rechenleistung, die uns heute zur Verfügung steht, können wir viele neue Anwendungen realisieren." Doch diese Leistung habe einen Preis, da sie viel Energie verbraucht. "Wir müssen effizienter werden, und hier kommen die Maschinenbauer ins Spiel. Wir können entweder die Algorithmen verbessern oder die Hardware optimieren. Zusätzlich müssen Rechenzentren effizienter werden, indem wir zum Beispiel die Kühlung und die Sensorik optimieren", so der Rektor der TU Wien.
Ein entscheidender Faktor bei der Wende sei der Umgang mit Daten. "Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen wir sicherstellen, dass wir die Kontrolle über unsere Daten behalten. "Wir müssen kompetitiv sein – wenn wir unsere Daten den Tech-Giganten einfach so geben, haben wir ein Problem. Besonders unsere sogenannten Hidden Champions, also mittelständische Unternehmen, generieren einen großen Mehrwert durch die Nutzung von Daten. Dafür benötigen wir jedoch Datenhoheit und eine entsprechende Infrastruktur.
Eine tragende Rolle sollen laut Schneider dabei die Hochschulen spielen. "Diese Forschung muss an unseren Hochschulen vorangetrieben werden. Maschinenbauer allein sind in Bezug auf Daten nicht ausreichend qualifiziert; wir brauchen die Unterstützung von Informatik-Experten."
Caroline Viarouge: "Die industrielle Landschaft wird sich dramatisch verändern."
"Wir befinden uns derzeit inmitten der Twin Transition der europäischen Industrie, einer doppelten Transformation, die sowohl digitale als auch ökologische Veränderungen umfasst. Dabei ist es wichtig, optimistisch zu bleiben", sagt Caroline Viarouge, CEO von EIT Manufacturing. "Die Produktion ist ein Eckpfeiler der europäischen Wirtschaft, verantwortlich für rund 60 % des europäischen Bruttoinlandsprodukts, 35 Millionen Arbeitsplätze und 7 Billionen Euro. Sie ist verantwortlich für die Prosperität." Auch in Österreich spielt die Industrie eine zentrale Rolle: Sie macht 17,7 % des BIP aus und schafft 700.000 Arbeitsplätze. "Doch an der Schwelle der Transformation ist es sicher, dass sich die industrielle Landschaft dramatisch verändern wird", so Viarouge.
Ein großes Problem in Europa sei auch der Fachkräftemangel, verstärkt durch eine alternde Bevölkerung. "Migranten haben oft nicht die erforderliche Ausbildung, und es mangelt offensichtlich an Frauen in der Industrie." Dabei gehe es nicht nur um Diversität, sondern auch darum, Innovation voranzutreiben. "Ein weiteres Ziel ist die Entwicklung hin zu einer Kreislaufwirtschaft, in der die Recyclingquote in der Industrie deutlich erhöht werden muss. 22 % der CO2-Emissionen kommen in der EU aus der Industrie. Es ist eine Priorität."
Keynote von Sabine Herlitschka: "Manufacturing is back!"
Infineon-Vorstandsvorsitzende Sabine Herlitschka betonte in ihrer Keynote die wiedererstarkte Bedeutung der europäischen Industrie. "Manufacturing is back!", so Herlitschka. Ein zentrales Thema sei die Nutzung vorhandener Energie. "Wir sollten weniger darüber sprechen, mehr Energie zu produzieren, sondern die vorhandene Energie besser zu nutzen. Die Energie-Elektronik ist eine Schlüsseltechnologie, die die Energiewende erst möglich macht. Europa ist in diesem Bereich führend, eine Tatsache, die vielen nicht bewusst ist. Infineon ist führend – 20 % Marktanteil, weit vor allen anderen. Der Green Deal wäre ohne den Einsatz von Leistungselektronik nicht realisierbar."
Die Entwicklung von Infineon sei für die gesamte Branche wegweisend, so Herlitschka. "Nachhaltigkeit ist für uns kein Modetrend, sondern tief im Unternehmenskonzept verankert. Ja, wir haben das Ziel, bis 2030 klimaneutral zu werden, aber wir sind seit 14 Jahren eines der nachhaltigsten Unternehmen weltweit. Im letzten Jahr hat Infineon in Österreich 9 Milliarden Chips produziert, was zur Einsparung von 10 Millionen Tonnen CO₂ beigetragen hat – das entspricht 13 % der jährlichen CO₂-Emissionen Österreichs."
Ein weiterer Meilenstein sei die Investition in Forschung: "Seit 2018 wurden 1,6 Milliarden Euro für den Ausbau in Österreich angekündigt, das größte Investment dieser Art in Europa. Trotz Skepsis hat sich nach der Pandemie gezeigt, dass dies die richtige Entscheidung war. Ja, die Digitalisierung hat einen gewaltigen Einfluss auf alle Ebenen der Produktion, aber sie ist auch eine große Herausforderung. Deshalb ist es unerlässlich, dass alle Beteiligten ihren Beitrag leisten, um diese industrielle Renaissance zu meistern. Wir sehen eine Renaissance der industriellen Produktion. Deshalb müssen wir in Europa auf unsere Stärken bauen und unsere Wettbewerbsfähigkeit stärken."