Additive Fertigung : Industrie entdeckt additve Fertigung für sich
Die Additive Fertigung ergänzt immer mehr herkömmliche Fertigungstechniken und ist in vielen anspruchsvollen Industrien wie der Kunststoffindustrie, dem Sondermaschinenbau und Automobil – und Flugzeugbau bereits erfolgreich im Einsatz. Für wirtschaftlichen 3D-Druck notwendig und meist im Aufmerksamkeitsschatten einer Boom-Branche ist allerdings ein Element: das nötige Schutzgas bei der additiven Fertigung. Alleine zwischen 2017 und 2018 ist der Markt für additive Fertigung um 18 Prozent auf 9,3 Milliarden US-Dollar gestiegen. Bis 2025 soll die Wachstumskurve dann schon ein Niveau von rund 33 Milliarden US-Dollar erreicht haben.
Grundlagen des 3D-Drucks
Beim dreidimensionalen Druck erfolgt der Aufbau Schicht für Schicht auf Basis digitaler Konstruktionsdaten. Das heißt, der Werkstoff wird nur an den Stellen verbaut, wo er gebraucht wird. Wo herkömmliche Fertigungsverfahren wie Fräsen, Schleifen oder Schmieden an ihre Grenzen stoßen, können additive Technologien ihre Stärken voll ausspielen. Darüber hinaus bildet der 3D-Druck in der fertigenden Industrie unter anderem eine solide Basis für die Transformation in die Industrie 4.0.
Vielfältige Vorteile
Die Vorteile liegen klar auf der Hand: Der 3D-Druck bietet Konstrukteuren fast uneingeschränkte Freiheiten bei der komplexen Geometrie von Bauteilen. Das Verfahren macht vor allem kleinere Losgrößen und Einzelstücke wirtschaftlich darstellbar.
Prototypen und selten nachgefragte Ersatzteile gelten daher - bei verkürzten Produktionszeiten - als die Hauptfelder der additiven Fertigung. Anpassungen an veränderte Anforderungen können schnell und problemfrei vorgenommen werden. Verglichen mit der bisherigen Lieferkette sparen sich Produzenten durch das Ausrucken vor Ort viel Zeit und Kosten. Zudem entfallen Umform- als auch Druckgießwerkzeuge, was die Werkzeugkosten deutlich vergünstigt.
Ergänzung oder Substitution?
Das Allheilmittel für Herausforderungen im Bereich Fertigungsverfahren ist der 3D-Druck sicherlich nicht. Die additive Technologie stößt letztlich dann an ihre Grenzen, wenn sich mit herkömmlichen Verfahren wirtschaftlich hohe Stückzahlen realisieren lassen.
Das gilt vor allem für die Herstellung von Metallteilen im Großvolumensegment in der Automobilindustrie. „Die additive Fertigung ergänzt die herkömmlichen Verfahren der Metallbearbeitung und wird sie teilweise ersetzen“, erklärt Dirk Kampffmeyer, Experte für Schweißen und Additive Fertigungsverfahren bei Messer. „Als Gase-Experten sind wir an der vordersten Front dieser Entwicklung beteiligt.“
Weitere Artikel zum Thema:
Nicht nur Prototypen
Bislang lag der Fokus des 3D-Drucks auf der Entwicklung von Prototypen. Zukünftig werden sich die Märkte aber – und das ist schon ein riesiger Schritt - auf die Fabrikation einzelner Bauteile mit kleinen Volumen konzentrieren.
Zu den stärksten Wachstumstreibern gehören optimierte Druckmethoden und Druckmaterialien, eine intensivere Implementierung der additiven Fertigung in die Geschäftsprozesse sowie die Realisierung neuer Geschäftsmodelle. Bei der additiven Fertigung entwickelt sich die Just-in-time-Lieferung zu einem On-demand-3D-Druck. 3D-Druck-Zulieferer, die hier als Spezialisten auftreten, werden Marktanteile gewinnen und den Löwenanteil der Wertschöpfungskette unter sich aufteilen.
In nicht allzu ferner Zukunft werden OEM mit eigenen zertifizierten 3D-Druckern je nach Anforderungen Original-Ersatzteile herstellen. Auf diese Weise reduzieren sich die Logistik- und Lagerkosten bei steigenden Margen im Aftersales-Bereich.
Gewichtsverlust und Individualisierung
Für die direkte Komponentenfertigung kam die additive Fertigung wegen des hohen Automatisierungsgrads bei Autoherstellern und Flugzeugbau und den hohen Stückzahlen eher weniger zum Einsatz.
Denn die im Volumenmarkt erforderlichen Stückzahlen ließen sich so meinen Experten, auch nicht mit schnelleren Aufbauraten wie bei der additiven Fertigung mit Draht nicht erreichen.
Der 3D-Druck eignet sich derzeit im Wesentlichen für Autos aus dem Premium-Segment und für eine beschränkte Anzahl an Bauteilen, aber mit steigender Tendenz. Nachteilig ist auch bei dem metallischen Laserschmelzen der hohe Energieaufwand. Von der Pulverherstellung bis zum fertigen Bauteil muss rund zwei Mal so viel Energie aufgewendet werden wie beim konventionellen Gießen.
Der Flugzeugbau gehört in jedem Fall auch zu den wichtigeren Industrien für die 3D-Drucktechnologie. Auch wenn der 3D-Druck sich noch nicht für die wirtschaftliche Herstellung von Bauteilen eignet, so könnte er das Flugzeuggewicht um vier bis sieben Prozent verringern. So kann teurer Treibstoff gespart werden.
Teilmarkt Kunststoffindustrie
Auch in der kunststoffverarbeitenden Industrie setzen immer mehr Unternehmen additive Fertigungsverfahren ein. Vor allem Kunststoffe aus dem Bereich der Polyamide treiben diese Entwicklung kräftig voran. So hat für Michael Todd, Innovationschef des Henkel-Klebstoffgeschäfts, der 3D-Druck bereits eine Reihe wichtiger Entwicklungsschritte genommen. Additiv gefertigte Plastikteile sind mittlerweile robuster und dennoch leichter als noch vor ein paar Jahren.
Der 3D-Druck kommt im Kunststoff-Bereich längst nicht mehr nur für den Bau von Prototypen zum Einsatz und wird daher schon in den ersten industriellen Fertigungen verwendet. Noch weist Henkel mit der Technologie nur geringe Umsätze aus, die allerdings kontinuierlich im Wachsen begriffen sind. Je mehr neue Materialien für Anwendungen in der Industrie auf den Markt kämen, umso mehr würde sich der Markt für Todd vergrößern.
3D-Druck gegen lange Lieferketten
Die deutsche Automobilindustrie hat das Potenzial des Additive Manufacturing natürlich erkannt: Im Oberschleißheimer BMW-Werk ist die Technologiekompetenz für industrielle 3D-Druckverfahren gebündelt vorhanden. Hier werden neue Verfahren unter anderem im Kunststoffbereich entwickelt und zur Serienreife gebracht. Im Vordergrund steht die Produktion von Bauteilen für Prototypen, für die Serienproduktion und für individualisierte Fahrzeugteile. Auf längere Sicht identifiziert der bayerische Hersteller große Chancen, Komponenten gleich dort herzustellen, wo sie auch schließlich benötigt werden.
An der Maschine
Additive Fertigungsverfahren bieten vor allem im Bereich des Sondermaschinenbaus signifikante Vorteile. Der 3D-Druck erlaubt auch hier eine dezentrale Versorgung von Ersatzteilen, kostengünstige Sonderanfertigungen auch bei geringen Stückzahlen und ein hohes Potenzial bei der Gestaltungsfreiheit von Bauteilen.
Darüber hinaus ermöglicht der 3D-Druck bei kleinen Stückzahlen niedrigere Kosten als der Metallguss. Im Bereich Engineering lassen sich Ideen schneller umsetzen als mit herkömmlichen Fertigungsverfahren. Denn die Fertigungslinien offerieren nicht spontan die erforderlichen Kapazitäten und Möglichkeiten für neue Werkteile.
Autor: Jürgen Steiner, Messer
Noch mehr Infos zur additiven Fertigung: