Interview : Vier Tage Woche:
„Man nimmt sich die Flexibilität nicht zur Gänze“

Wolfgang Grabner, Portraitfoto
© Koller

FACTORY: Sie sind seit 2018 im Geschäftsführerteam von Maschinenbau Koller. Was brachte Sie auf die Idee, flexiblere Arbeitszeitmodelle einzuführen?

Wolfgang Grabner: Wir haben im Frühjahr diesen Jahres überlegt, wie wir es schaffen, dass die derzeit bestehenden Mitarbeiter noch zufriedener werden und auch nach Möglichkeiten gesucht, am Arbeitsmarkt noch attraktiver werden zu können. Wir sind ja hier in Turnau am Pogusch, da möchte nicht unbedingt jeder gern hin. So kamen wir schnell auf das Thema Arbeitszeiten.

Wie sehen Ihre neuen Arbeitszeitmodelle aus?


Uns ist schnell klar geworden, dass es nicht sinnvoll ist für alle dasselbe anzubieten. Und auch, dass die Änderung ohne Zwang passieren sollte. Daher bieten wir auch weiterhin die herkömmliche Fünf-Tage-Woche an. Neu ist die Vier-Tage-Woche. Und dann gibt es auch noch die Kombination aus beiden.

Wie sieht die kombinierte Variante aus?


Ursprünglich haben wir uns folgende Variante überlegt: Wenn Frühschicht ist, arbeitet man wie immer fünf Tage und in der Nachmittagsschicht hat man die Vier-Tage-Woche. Doch eine Mitarbeiterin namens Resi wollte es genau umgekehrt haben. So ist ein eigenes Kombi-Modell entstanden, das wir Resi-Modell genannt haben. Danach arbeitet man in der Frühschicht vier Tage und in der Nachmittagsschicht fünf Tage. Denn viele Mitarbeiter genießen es, wenn sie am Donnerstag zu Mittag fertig sind und erst am Montag zu Mittag wieder anfangen müssen. Mit diesem Modell hätte ich gar nicht gerechnet, aber es haben doch einige angenommen.

Nach Resi wurde ein eigenes Arbeitszeitmodell benannt.

- © Koller

Sind heutzutage ArbeitgeberInnen generell mehr gefordert, ihren bestehenden und zukünftigen MitarbeiterInnen mehr zu bieten?

Ich gehe davon aus, dass man dem Thema Mitarbeiter eine immer höhere Priorität beimessen muss, wenn man am Markt überleben will. Und auch Homepages und Werbung muss man verstärkt nicht nur auf Kunden und Kundinnen, sondern auch auf Mitarbeiter ausrichten, damit man als Arbeitgeber attraktiver wird. Noch dazu stehen wir hier in der Mur-Mürz-Furche mit der VOEST Alpine und mit Pankl mit namhaften, großen Betrieben im Wettbewerb.

Welche Risiken haben Sie in der Umsetzung Ihrer Arbeitszeitmodelle gesehen?


Uns hat vor allem die Frage beschäftigt: was ist in der Zeit von 4 bis 6 und von 22 bis 24 Uhr? Denn jetzt sind unsere Maschinen von 4 Uhr bis 24 Uhr besetzt. Da spielt es eine Rolle, ob die Mitarbeiter an der Maschine vier oder fünf Tage arbeiten. Das konnten wir aber relativ schnell klären. Dann waren noch die ganzen Zuliefer-Abteilungen, wie Arbeitsvorbereitung, Programmierung oder Werkzeugmagazin, mit zu bedenken. Da zu schauen, dass man an den Randzeiten nicht zu viel Produktivität verliert, war unsere größte Sorge.

Wie weit haben sich Ihre Sorgen bestätigt?


Bis jetzt haben wir keine großen Probleme, da bin ich richtig froh. Mann muss einfach mehr vordenken als früher. Teilweise tun sich sogar positive Dinge auf, weil man Freizeiten hat, wo vielleicht sogar eine Maschine durch einen Mitarbeiter mitbedient werden kann, Stichwort Zweimaschinenbedienung. Bis jetzt haben wir dadurch keinen Produktivitätsabfall – und das ist natürlich wahnsinnig wichtig.

Der überwiegende Teil der Produktion findet an der Maschine statt.

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Was gab es sonst noch für Herausforderungen?

Rechtlich war es nicht wirklich schwierig. Man muss sich nur einmal genauer damit beschäftigen, welche Möglichkeiten ich als Arbeitgeber habe, im Hinblick auf Überstunden und Urlaubstage zum Beispiel. Aber glücklicherweise hat man da in Österreich keine großen Hindernisse.

Wie ist das zum Beispiel, wenn krankheitsbedingt mehrere MitarbeiterInnen ausfallen? Kann man als ArbeitgeberIn jemanden auch an seinem freien Tag in die Firma rufen?


Grundsätzlich ja, man kann vom Gesetz her die Arbeitszeiten umstellen. Ich kann auch, wenn es gerade extrem viel zu tun gibt, kurzfristig wieder eine 5-Tage-Woche einführen – immer im Einvernehmen, versteht sich. Man nimmt sich die Flexibilität nicht zur Gänze. Und was das wichtigste ist: wir haben mit unseren Kollegen und Kolleginnen ein sehr gutes Miteinander und dann geht sowieso alles.

Rund 70 Prozent Ihrer MitarbeiterInnen probieren zurzeit die neuen Arbeitszeitmodelle aus. Sind das eher die Jüngeren oder zeigen die „alten Hasen“ auch Interesse an den Neuerungen?


Tendenziell sind es die Jüngeren. Aber Ausnahmen gibt’s immer.

Wie erklären Sie sich das? Ist bei den Jüngeren das Bewusstsein für die Work-Life-Balance größer?


Ich glaube, es ist schwer, da alle über einen Kamm zu scheren. Dennoch denke ich, dass die drei freien Tage pro Woche für die Jungen ein größerer Ansporn sind. Und dass sie weniger Sorge haben, ob sie viermal zehn Stunden körperlich schaffen.

Also gibt es bei den Älteren eher die Sorge, dass die langen Arbeitstage zu anstrengend werden?


Ja, teilweise ist das der Fall.

War es für Sie überraschend, dass 70 Prozent die neuen Möglichkeiten in Anspruch nehmen?


Das eigentlich nicht. Überraschend war aber, dass sich fast die Hälfte von den 70 Prozent für die Vier-Tage-Woche entschieden hat. Wir haben eher damit gerechnet, dass die Kombination aus vier und fünf Tagen häufiger gewählt wird.

Es gibt auch jetzt freie Stellen bei Ihnen. Im Vertrieb, einen Lehrling suchen Sie in der Metalltechnik und auch einen ausgelernten Zerspanungstechniker. Wo ist es jetzt am schwierigsten jemanden zu finden?


Den Vertriebler suchen wir jetzt schon seit vielen Monaten. Da sind wir jetzt an einem dran, an einem Techniker. Aber am wesentlichsten wären die Zerspanungstechniker, denn da suchen wir fünf oder mehr. Und auch bei den Lehrlingen suchen wir mehr. Wenn man sich bei uns in der Gegend umschaut: es suchen alle.

Auf Ihrer Website sind einige Frauen abgebildet. Sind die alle im Büro tätig oder auch in der Produktion?


Wir haben in der Produktion Frauen, wenn auch nicht in riesengroßer Anzahl. Und zum Beispiel die Resi, von der das Kombi-Modell stammt, ist eine Facharbeiterin, die bereits bei uns gelernt hat. Sie steht an der Maschine und leistet dort tolle Arbeit. Und unter unseren fünf neuen Lehrlingen ist auch eine weiblich.

Merken Sie, dass die flexiblen Arbeitszeiten insbesondere auch Frauen ansprechen?


Bei einer Dame, die neu bei uns ist, war diese Möglichkeit sicher mit ein Grund, dass sie sich beworben hat.

Ihre MitarbeiterInnen entscheiden nach einer dreimonatigen Testphase, wie sie das im nächsten Jahr handhaben möchten. Wie geht es weiter?


Bis Ende November wollen wir die Entscheidung treffen, wer welches Modell nächstes Jahr macht. Wir gehen mit einem Fragebogen raus und dann startet die Vorbereitungsphase. Meinem Gefühl nach werden wir die neuen Modelle fortsetzen. Von der Mehrheit bekomme ich positive Rückmeldung. Mit erstem Jänner führen wir auch im Schwesterbetrieb in Lannach die gleichen Arbeitszeitmodelle ein.

Die geographische Lage des Maschinenbauers stellt bei der Suche nach Arbeitskräften eine Herausforderung dar.

- © Koller

Glauben Sie, dass das nur ein Schritt von mehreren in die Arbeitszeitflexibilisierung war? Und denken Sie, dass es in fernerer Zukunft auch Arbeitszeitverkürzungen geben kann?

Eine Arbeitszeitverkürzung und bei gleichzeitiger Wettbewerbsfähigkeit, ist meiner Meinung nach in unserer Branche kaum umsetzbar, weil ja die Maschinenstunden die entscheidende Größe sind. Das kann man in der Produktivität nicht rausholen. Was ich aber nicht ausschließen möchte, ist, dass es in Zukunft noch weitere Modelle geben wird.

Haben Sie schon NachahmerInnen gefunden? Oder hat von außen eher die Skepsis überwogen?

Wir wurden schon sehr häufig darauf angesprochen. Ich glaube also schon, dass einige darüber nachdenken. Wenn es Skepsis gibt, dann immer in die gleiche Richtung: „Wie geht’s euch mit der Produktivität und mit den organisatorischen Maßnahmen?“. Das sind genau die Sorgen, die wir auch gehabt haben.

Vom jetzigen Standpunkt her: Würden Sie Ihre Modelle weiterempfehlen?

So wie es bis jetzt ausschaut, würde ich die Umstellung wieder machen. Und daher würde ich sie auch weiterempfehlen.