Beschichtungen : Werkzeugbeschichtung: Daran forschen Montanuni und Ceratizit

Nina Schalk

Nina Schalk mit Martin Gerzabek (li., Präsident der CDG) und BM Martin Kocher (re.).

- © Christian Doppler Forschungsgesellschaft/APA-Fotoservice/Mirjam Reither

Nina Schalk von der Montanuniversität Leoben schaut so genau wie möglich in die hauchdünnen Beschichtungen für Metallwerkzeuge: Wie ordnen sich die verschiedenen Elemente an, bilden sie große oder kleine Kristalle, wie reagieren sie auf Hitze oder Sauerstoff? Was bedeutet das für Härte, Bruchzähigkeit und Haltbarkeit? Diese Erkenntnisse der Grundlagenforschung sind für den Unternehmenspartner Ceratizit Austria Gesellschaft m.b.H. sehr wertvoll – sie sind Ausgangspunkt für die Verbesserung bestehender und die Entwicklung neuer Werkzeuge für die Metallbearbeitung. Nun wurde Schalk dafür mit dem CDG-Preis für Forschung und Innovation ausgezeichnet.

Martin Gerzabek, Präsident der Christian Doppler Forschungsgesellschaft, sagte zur Auszeichnung: „Die Forschung von Nina Schalk und ihr Partner Ceratizit ist nicht nur ungemein spannend, sie führt auch zu langlebigeren, ressourceneffizienteren Produkten, etwa für die Automobilindustrie, Turbinen für die Energiegewinnung oder Flugzeugtriebwerke“. Laut Christoph Czettl, R&D Manager Cutting Tools bei Ceratizit ist der Werkzeugbauer international das am stärksten wachsende Unternehmen im Umfeld der Zerspanung. Um das Ziel, zu den Top drei Unternehmen zu zählen, sei fundiertes Wissen notwendig, das zum Beispiel im Rahmen des CD-Labors erarbeitet wird. "Nur damit kann es möglich werden die Vorgänge am Zerspanwerkzeug besser zu verstehen, die Materialien weiter zu optimieren und die Technologie weiter voranzutreiben.“

>> Immer up to date mit der Branche sein? Hier geht’s zum Factory-Newsletter!

Hauchdünne Schichten, moderne Geräte, neue Methoden

Schon die Herstellung der Beschichtungen ist ein spannender Vorgang: „Vormaterial“, das Material, das die Beschichtung bilden soll, wird in einer Abscheidekammer verdampft – und setzt sich dann am zu beschichtenden Werkstück ab. Je nachdem, aus welchen Elementen in welcher Zusammensetzung das Vormaterial besteht, und je nach Druck, Temperatur, zugeleiteten Gasen etc. entstehen dann unterschiedliche Beschichtungen. Diese Beschichtungen sind etwa drei bis zwanzig Mikrometer dick. Zum Vergleich: ein menschliches Haar hat etwa fünfzig Mikrometer Durchmesser. Mit den richtigen Instrumenten aber werden ganze Landschaften aus Elementen, Phasen, Lagen und Kristallen sichtbar. Die Phasen können zum Beispiel kristallin oder amorph sein, sie können in Lagen übereinanderliegen oder die eine die andere einschließen und ein Nanokomposit bilden, usw. Das ist die Welt, die Nina Schalk und ihr Team erforschen und beschreiben – und in Verbindung setzen mit den Eigenschaften des Materials: Härte, Zähigkeit, Temperaturbeständigkeit, Oxidation und vieles mehr.

„Ich bin begeisterte Experimentalforscherin“, betont Preisträgerin Nina Schalk. „Wir arbeiten mit winzigen Proben an riesigen Geräten und erforschen und beschreiben eine Welt, die bisher unsichtbar war. Damit schaffen wir Daten, die später vielleicht für Simulationen verwendet werden können.“

Ob nun Rasterelektronen-Mikroskop, Transmissions-Elektronenmikroskop, Röntgendiffraktometer oder Synchotron-Teilchenbeschleuniger: Bei vielen Methoden des CD-Labors geht es darum, das Material mit Elektronen oder Röntgenstrahlen zu beschießen, und aus den Reaktionen Rückschlüsse auf die kleinsten Strukturen des Materials zu ziehen. Als besonders spannendes Beispiel hebt Preisträgerin Schalk die Atomsonde hervor – immerhin beherbergt die Montanuniversität Leoben die beiden einzigen Atomsonden Österreichs: Herauspräparierte dünne Spitzen von wenigen hundert Nanometern werden Atom für Atom verdampft – die verdampften Atome landen auf einem positions-sensitiven Detektor der es erlaubt darauf zurückzuschließen, welches Atom wo war. Man kann Teile der Beschichtung also tatsächlich auf nahezu atomarer Ebene darstellen. All diese Geräte funktionieren aber natürlich nicht von selbst für diese spezielle Anwendung: Ein großer Teil der Forschung ist Methodenentwicklung.

Weniger Verschleiß, weniger Schmiermittel, bessere Rezyklierbarkeit

Bis vor wenigen Jahren wurden neue Beschichtungen über Trial und Error entwickelt. Die neuen Methoden ermöglichen es nun, zu verstehen, warum manche Materialien und Methoden besser geeignet sind als andere. Auf dieser Basis können nun vom Unternehmen Vorschläge für noch bessere Materialien entwickelt und geprüft werden. Das wirkt sich auf die Zerspanprozesse, wie auch auf die Umwelt aus. Hier drei Beispiele:

  • Dragonskin: Basierend auf den Ergebnissen dieser Untersuchungen hat Ceratizit neue beschichtete Hartmetallsorten für das Drehen von Stahl entwickelt, die im Januar 2022 erfolgreich als „Dragonskin“-Beschichtungen auf den Markt gebracht wurden. Diese haben eine höhere Haltbarkeit und außerdem eine Indikatorschicht, die starken Verschleiß und das nahe Ende der Lebenszeit rechtzeitig erkennt. Der Austausch des Werkzeugs erfolgt also genau zum richtigen Zeitpunkt – nicht zu früh und nicht zu spät, ein weiterer Beitrag zur Ressourcenschonung.
  • Nachhaltigkeit: Bei der Verwendung der beschichteten Werkzeuge wird es oft sehr heiß, es werden also Kühl- und Schmiermittel eingesetzt, die oft umweltschädlich sind – bessere Beschichtungen können den Einsatz dieser Chemikalien deutlich reduzieren.
  • Kreislaufwirtschaft: Durch das größere Wissen wird es zum Beispiel möglich, wieder weniger verschiedene Elemente in die Beschichtungen einzubauen als zuletzt üblich – weil besser verstanden wird, welche Eigenschaften wie erreicht werden können. Damit wird einerseits die Abhängigkeit von kritischen Elementen wie z.B. Tantal reduziert, andererseits sind „sortenreinere“ Materialien auch besser recyclierbar – eine wichtige Voraussetzung für Kreislaufwirtschaft.