Verzicht auf Kühl- und Schmierstoffe : Warum EVVA auf Trockenbearbeitung umgestiegen ist
Trockenbearbeitung bedeutet, dass man bei der Bearbeitung vollkommen auf Kühlschmierstoffe verzichtet. Sie bringt im Gegensatz zur Nassbearbeitung den Vorteil, dass es durch das Weglassen von Schmierfetten weniger zu verklebten Spänen kommen kann, die sich ansonsten in der Maschine oder im Werkstück festsetzen. Der Verzicht auf Ölnebel ist bringt auch für MitarbeiterInnen eine Verbesserung mit sich, denn das Öl kann zu Hautirritationen führen.
Bei EVVA, einem Hersteller von mechanischen und elektronischen Zutrittssystemen, ist man vor 15 Jahren eine Umstellung auf Trockenbearbeitung angegangen. "Wir ersparen uns dadurch die Nachbereitung der Werkstücke. Und da die Späne trocken sind, müssen wir sie auch fürs Recycling nicht extra reinigen.", erklärt Patrick Einwaller, Bereichsleiter Fertigung bei EVVA, die weiteren Vorteile.
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Hoher Anteil an trockenen Maschinen
EVVA ist ein seit 1919 familiengeführtes Unternehmen mit Hauptsitz in Wien Meidling, das aktuell weltweit 830 MitarbeiterInnen beschäftigt. Einen starken Fokus legt die Firma auf Forschung und Entwicklung, was an mehr als 300 Patenten ersichtlich wird. Dementsprechend baut man dort auch Eigenmaschinen, die zu 100 Prozent trocken laufen. Ein Großteil der Trockenbearbeitungsmaschinen von EVVA liegen in Einwallers Verantwortungsbereich. "Wir haben ca. 600 Betriebsmittel, davon sind etwa 100 spanabhebend", gibt er einen Einblick in den Shopfloor. Die Rundtaktmaschinen werden laut Einwaller Ende des Jahres 100 Prozent trocken sein, im CNC-Bereich laufen etwa 20 Prozent der Maschinen trocken.
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Materialien und Prozesse
Wie es zur Entscheidung kam, auf Trockenbearbeitung umzustellen? Einerseits liegen die Gründe in den Prozessen selbst, die bei der Schlüsselherstellung zum Einsatz kommen, wie Einwaller erklärt: "Einen gewissen Anteil an Trockenbearbeitung gab es bei uns immer, weil wir viel mit Räumprozessen arbeiten, die an sich schon trocken sind". Im Haus bei EVVA hat man ein eigenes Werkzeugwesen. Einwallers Kollegen dort haben sich extern Ideen geholt - mit dem vorläufigen Ergebnis, dass zwar mehr Trockenbearbeitung möglich sei. Jedoch nur mit größeren Durchmessern, etwas höher Taktzeit und begrenzter Bohrtiefe. "Aber wir wollten mehr", so der Bereichsleiter im Hinblick auf die genannten Vorteile.
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Die Hitze muss weg, Hitze darf nicht im Werkzeug oder Bauteil sein, sondern muss mit den Spänen abtransportiert werden.
Patrick Einwaller, Bereichsleiter Fertigung bei EVVA.
Kühlung als Herausforderung
Nicht jedes Material eignet sich für die Trockenbearbeitung. Kühlschmierstoffe haben den Sinn, dass sie die Reibung im Prozess minimieren und dadurch auch die Temperatur unten halten. Wenn zu viel Wärme entsteht, ist die Gefahr von frühzeitigem Werkzeugverschleiß, bzw. Werkzeugbruch hoch. Zudem kann es sein, dass sich ein Fräser ins Werkstück frisst. "Der Grundtenor ist: Die Hitze muss weg, Hitze darf nicht im Werkzeug oder Bauteil sein, sondern muss mit den Spänen abtransportiert werden", wie Einwaller richtig sagt.
Beim Fräsen von Stahl, insbesondere beim Hartfräsen ist der Verzicht von Kühlschmierstoffen schon weit verbreitet. Bei Aluminium ist eine trockene Zerspanung nur teilweise möglich. Und zwar wenn die abzutragenden Späne kleine Volumen aufweisen und wenn die Bearbeitungszeit kurz, bzw. die Zwischenzeit zum Abkühlen lang ist.
Die Drehzahl, der Vorschub und die Geometrie des Werkzeuges sind entscheidend.
Höherer Stromverbrauch
Bei EVVA verwendet man in der Produktion zu ungefähr 90 Prozent Messing und zu 10 Prozent Neusilber. Bei Messing entscheidet die genaue Sorte, wie gut es sich für die Trockenbearbeitung eignet. Im Fall der Schlüsselherstellung ist die Gefahr, heiß zu laufen grundsätzlich gering, weil die Werkstücke sehr klein sind und der Fräsprozess daher nur kurz dauert. Zusätzlich zur Materialauswahl gilt für die Trockenbearbeitung: Die Drehzahl, der Vorschub und die Geometrie des Werkzeuges sind entscheidend.
Beim Meidlinger Zutrittssystemhersteller geht man den Weg der Trockenbearbeitung noch weiter. Nach und nach sollen auch Standardmaschinen auf Trockenbetrieb umgestellt oder ausgetauscht werden. Dadurch erspart sich die Firma den Kauf von Kühlschmierstoffen und die aufwändige Reinigung der Werkstücke, Maschinen und Späne. "Dem muss man entgegenhalten, dass eine Maschine, die trocken läuft, 50 Prozent mehr Strom braucht", räumt Einwaller ein. Doch, so sein Fazit: "Es gibt eben keinen Vorteil ohne Nachteil".