Starlinger zieht vor Gericht : So wehrt sich Europas Industrie gegen chinesische Kopierer

Die europäische Industrie verteidigt sich zunehmend gegen Urheberrechtsverletzungen aus China.
- © deagreez - stock.adobe.comDie Industrie in Europa sieht sich immer mehr mit Problemen durch Urheberrechtsverletzungen und unfaire Handelspraktiken aus China konfrontiert. Gerade Unternehmen aus dem Maschinenbau und der Hightech-Branche ergreifen rechtliche Schritte, um ihr geistiges Eigentum zu schützen und ihre Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Ein aktueller Fall aus Österreich veranschaulicht das Ausmaß des Problems und die Notwendigkeit für die europäische Industrie, aktiv Gegenmaßnahmen zu setzen.
Starlinger wehrt sich
Schon im Sommer 2024 ging der österreichische Maschinenbauer gerichtlich gegen zwei chinesische Maschinenhersteller vor, die die patentierten Sackkonfektionstechnologien von Starlinger kopierten. Starlinger hat nun rechtliche Schritte gegen weitere chinesischen Unternehmen wegen der Verletzung mehrerer Patente eingeleitet. Diese betreffen Starlingers Sackkonfektionsanlage ad*starKON zur Herstellung von AD*STAR Kastenboden-Ventilsäcken aus Kunststoffgewebe. Starlinger hat unter anderem den in der Anlage eingesetzten Bodendreiecksformer (Flügelöffner) entwickelt und besitzt Patente auf diesem Flügelöffner in zahlreichen Ländern, unter anderem auch in China.
Lesetipp: Starlinger: Harald Neumüller ist neuer CSO
"Als innovativer Technologieführer im Bereich gewebte Verpackungen aus Kunststoff werden wir nicht tatenlos zusehen, wie andere unsere zukunftweisenden Erfindungen nutzen“, so CSO Harald Neumüller. "Wir setzen wie alle Vorreiter in der Industrie stark auf Forschung und Entwicklung; da heißt es, unsere Innovationen und Rechte zu schützen und zu verteidigen. Wir werden auch weiterhin rechtliche Schritte gegen Kopierer unserer wegweisenden Technologie sowie gegen Verpackungshersteller, die von ihnen kaufen, unternehmen. Die Gerichtsverfahren gegen Huazao und Zhengong sowie ihren Kunden laufen derzeit; ein Gerichtsurteil wird in Kürze erwartet.

Die Top 5 der aufsehenerregendsten Patentstreits
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SCHMID Group
Im Februar 2025 reichte die SCHMID Group Klage gegen die Shenzhen China Science & Technology Co., Ltd. ein. Der Vorwurf lautet auf Markenrechtsverletzung und unbefugte Kopie geschützter Technologien. Trotz mehrfacher außergerichtlicher Versuche sah sich das Unternehmen gezwungen, rechtliche Schritte zu unternehmen, um die Integrität seiner Marke zu wahren.
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HARTING
Gegen einen chinesischen Hersteller, der ihre Steckverbinder nachgebaut hatte, wurde von dem Unternehmen rechtliche Schritte eingeleitet. Nach einer Klage wegen Patentverletzung wurde der Hersteller zur Unterlassung der Produktion sowie zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt.
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Rieter
Der Schweizer Spinnereimaschinenhersteller Rieter hat einen Patentstreit vor dem Obersten Volksgericht in China gewonnen. Das Gericht bestätigte eine Patentverletzung durch eine Mitbewerberin und verbot ihr die weitere Nutzung der Technologie.
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Infineon
Im März 2024 reichte die Infineon Technologies AG über ihre Tochtergesellschaft Infineon Technologies Austria AG in den USA Klage gegen die Innoscience (Zhuhai) Technology Company Ltd. und verbundene Unternehmen ein. Der Vorwurf lautet auf die Verletzung eines US-Patents im Bereich der Galliumnitrid-(GaN)-Technologie, die für leistungsfähige Halbleiterbauelemente von entscheidender Bedeutung ist.
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Fractus
Das in Barcelona ansässige Forschungs- und Entwicklungsunternehmen Fractus reichte beim Schanghaier IP-Gericht Klage gegen den chinesischen Smartphone-Hersteller Oppo ein. Grund war die Verletzung von Patenten im Bereich der geometriebasierten Antennentechnologie. Fractus betonte, dass trotz mehrfacher Versuche, eine einvernehmliche Lizenzvereinbarung zu erzielen, letztlich nur der Klageweg blieb.
WTO-Beschwerden der EU gegen chinesische Praktiken
Die Europäische Union hat mehrmals bei der Welthandelsorganisation (WTO) Verfahren gegen China eingeleitet, um gegen unfaire Praktiken im Umgang mit Patentrechten vorzugehen, die von China an den Tag gelegt werden. Ein zentrales Anliegen ist die Praxis Chinas, sogenannte „Anti-Suit Injunctions” zu erlassen. Mit diesen gerichtlichen Verfügungen wird europäischen Unternehmen untersagt, ihre Patente vor ausländischen Gerichten durchzusetzen. Bei Verstößen drohen hohe Geldstrafen. Dies betrifft vor allem Patente, die für Standards in der Mobilfunktechnologie unerlässlich sind.
Beispiele hierfür sind die Mobilfunktechnologien 5G, die für Unternehmen wie Nokia und Ericsson sehr wichtig sind. Im Januar 2025 reichte die EU eine weitere Beschwerde bei der WTO ein. Diesmal geht es um die Festlegung weltweiter Lizenzgebühren durch chinesische Gerichte ohne Zustimmung der europäischen Patentinhaber. Die europäischen Unternehmen stehen unter Druck, ihre Lizenzgebühren zu senken, und chinesische Hersteller erhalten so einen unlauteren Wettbewerbsvorteil.

Die Hintergründe der chinesischen Kopiermaschine
Die häufigen Verstöße gegen Urheberrechte sind auf mehrere strukturelle und systemische Faktoren zurückzuführen. Ein zentraler Aspekt ist das „First-to-File“-Prinzip im chinesischen Patentrecht. Demnach gilt derjenige als rechtmäßiger Eigentümer, der ein Patent zuerst anmeldet – unabhängig davon, wer die Technologie ursprünglich entwickelt hat. Dadurch können chinesische Unternehmen Patente auf Technologien anmelden, die von ausländischen Firmen entwickelt wurden, sofern diese ihre Rechte nicht rechtzeitig in China registriert haben.
Zudem sind die Strafen für Urheberrechtsverletzungen in China oft gering und die Gesetze werden inkonsequent durchgesetzt, was Nachahmer kaum abschreckt. Ein weiteres Problem ist das mangelnde Bewusstsein für geistiges Eigentum in vielen chinesischen Unternehmen, von denen nur ein Bruchteil über eigene Patente oder Marken verfügt. Hinzu kommt, dass chinesische Gerichte sogenannte „Anti-Suit Injunctions” erlassen können, die es ausländischen Patentinhabern untersagen, ihre Rechte außerhalb Chinas durchzusetzen, und bei Verstößen hohe Geldstrafen androhen.
So kann man sich zur Wehr setzen
Europäische Unternehmen haben die Möglichkeit des Schutzes gegen Urheberrechtsverletzungen aus China durch die proaktive Registrierung ihrer geistigen Eigentumsrechte in China. Der Grund dafür ist die territoriale Gültigkeit von Schutzrechten und die fehlende automatische Anerkennung europäischer Anmeldungen in China. Der China IP SME Helpdesk ist eine Organisation, die kostenlose Beratung und Unterstützung bei der Anmeldung und Durchsetzung von Schutzrechten in China bietet.
Zudem ist es wichtig, Beweise für Rechtsverletzungen zu sammeln und bei Bedarf rechtliche Schritte einzuleiten. Die EU-Kommission unterstützt Unternehmen, indem sie WTO-Verfahren gegen unfaire Praktiken Chinas einleitet und Aktionspläne zum Schutz geistigen Eigentums aufstellt. Eine enge Zusammenarbeit mit chinesischen Behörden und Plattformen kann ebenfalls dazu beitragen, Urheberrechtsverletzungen zu bekämpfen.
Um sich gegen Urheberrechtsverletzungen und unfaire Handelspraktiken aus China zu wehren, setzt die europäische Industrie also auf eine Kombination aus rechtlichen Schritten und internationaler Zusammenarbeit. Zentrale Elemente dieser Strategie sind die eingeleiteten Verfahren, erfolgreiche Klagen europäischer Unternehmen und die Stärkung des europäischen Standardsystems. Dennoch bleibt die Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums eine kontinuierliche Herausforderung, die weitere Anstrengungen erfordert.