Anwenderbericht : Einblick in die Welt der Materialprüfungen: faserverstärkte Kunststoffe

Grasse

Schubversuch nach DIN EN ISO 14129 mit Flachprobekörpern (250 mm x 25 mm x 2 mm) in einer servohydraulischen Prüfmaschine von MTS, bei dem eine DMS-Rosette, Typ TML (Althen) FCAB-10-11-1LJB-F mit einer Messgitterlänge von 10 mm verwendet wird. Ermittelt werden die Schubeigenschaften (Schubmodul, Schubfestigkeit und maximale Schubdehnung). Für den Versuch wird keine Prüfvorrichtung benötigt, es genügt ein übliches Spannsystem.

- © Grasse Zur Ingenieurgesellschaft mbH

Bei einer Werkstoffprüfung werden Eigenschaften und Strukturen eines Materials in Form von Kenngrößen durch verschiedene physikalische oder chemische Prüfungen und Messungen ermittelt. Werkstoffprüfungen sind für Unternehmen wichtig, um abschätzen zu können, ob das neu entwickelte Bauteil künftigen Beanspruchungen auch standhalten wird. Sie liefern auch für bestimmte Anwendungen und Branchen geforderte Qualitätsnachweise.

Über Grasse Zur Composite Testing

Grasse Zur Composite Testing betreibt ein akkreditiertes Materialprüflabor und hat sich auf die Prüfung faserverstärkter Kunststoffe insbesondere für die Automobilindustrie, Luft- und Raumfahrt, die Chemieindustrie und die Rotorblattindustrie spezialisiert. Die Werkstoffprüfungen sind das Kerngeschäft des Berliner Unternehmens. Darüber hinaus entwickelt Grasse Zur Prüfvorrichtungen – zum einen für die eigenen Prozesse, zum anderen können Unternehmen, die eigene Labore betreiben, diese Prüfvorrichtungen auch erwerben. Faserverstärkte Kunststoffe eignen sich sehr gut für den Leichtbaubereich, da sie sich durch hohe spezifische Steifigkeiten und Festigkeiten auszeichnen. In der Regel werden sie für flächige Strukturen eingesetzt. Das Gros der Prüfungen wird bei Grasse Zur zerstörend durchgeführt, d. h. das Kundenunternehmen liefert das zu prüfende Material in Form eines ausgehärteten Laminats an Grasse Zur, die daraus einen Probekörper fertigen. Dieser wird in einer Universalprüfmaschine per Zug-, Schub-, Druck- oder Biegeprüfung zerstörend geprüft, um Materialkennwerte zu ermitteln.

DMS erfassen Veränderungen des Probekörpers

Ein zentrales Hilfsmittel, um die Veränderungen des Probekörpers bei Belastungen zu erfassen, sind Dehnungsmessstreifen (DMS) des Mess-Spezialisten Althen. Sie ermitteln die Dehnung direkt an der Oberfläche des Probekörpers und sind für die Materialkennwertermittlung von faserverstärkten Kunststoffen durch verschiedene DIN-Normen vorgeschrieben.

Ein Dehnungsmessstreifen ist ein mäandrierender Metallleiter, der auf einem dünnen Träger (z. B. Polyimid) geätzt ist. Er wird vornehmlich mit spezifischen Klebern auf dem Probekörper aufgebracht. Ein DMS fungiert als elektrischer Leiter, der durch Stauchung oder Dehnung eine elektrische Widerstandsänderung zeigt, die wiederum eine Spannungsänderung indiziert und damit in ein elektrisches Signal überführt wird. Das entsprechende Messgerät kann sowohl die Spannungsänderung in Millivolt pro Volt ausgeben als auch direkt die tatsächliche Dehnung des DMS in µm pro m anzeigen.

„Da Faserverbundwerkstoffe schlechte Wärmeleiter sind, sollte ein DMS aus dem hochohmigeren Bereich gewählt werden (mindestens 350 Ohm), insbesondere bei Langzeitmessungen“, empfiehlt Udo Könsgen, Technische Beratung für DMS & Vertrieb bei Althen GmbH Mess- & Sensortechnik. „Die Wärmeentwicklung könnte zu Fehlern beim Messergebnis führen. Bei Grasse Zur handelt es sich jedoch um sehr kurze Prüfungen, bis der Probekörper reißt und der DMS damit zerstört wird, sodass diese kleinen Messfehler zu vernachlässigen sind und auch DMS mit 120 Ohm ausreichend sind.“

Größere DMS für ein gutes Messergebnis

Für ein bestmögliches Messergebnis wählt Grasse Zur möglichst große DMS aus – groß bedeutet hier eine Messgitterlänge von 10 mm, kleine DMS haben eine Messgitterlänge von ca. 2 mm. Die DMS sollten jeweils so groß wie möglich sein, um eine gute Mittelung über die Zugprobe zu erreichen. Ungünstig ist es bei einem Faserverbundstoff, wenn der DMS nur ein Faserbündel abdeckt, anstatt über mehrere Faserbündel hinweg zu messen. Dies verfälscht das Messergebnis. Limitierend auf die Größe des DMS wirken sich die Abmessungen des jeweiligen Probekörpers aus, der in der Regel 100 bis 250 mm lang ist und 10 bis 25 mm breit.

Die Dehnungsmessstreifen werden dann in Längs- und in Querrichtung auf den Probekörper aufgeklebt, je nach Prüfungsanliegen: Hauptsächlich werden Linear-DMS genutzt, die einen einachsigen Spannungszustand messen. Bei einem zweiachsigen Spannungszustand, wenn Kräfte sowohl in Zugrichtung der Zugprobe als auch rechts und links um 90 Grad versetzt angreifen, kommt ein 0/90-Grad-DMS, auch T-Rosette genannt, zum Einsatz. Wenn die Hauptdehnungsrichtung unbekannt ist, also unklar ist, wo die Kräfte angreifen, wird eine dreiachsige 0/45/90-Grad-Rosette mit drei Gittern genutzt. „Theoretisch lassen sich alle Messungen mit einzelnen Linearstreifen bewerkstelligen, die der Anwender selbst in die richtige Anordnung bringt“, so Udo Könsgen. „Um es dem Nutzer jedoch zu erleichtern, bietet Althen die 0/90- und die 0/45/90-Variante bereits fertig an. Somit muss nur ein einziger Dehnungsmessstreifen mit entsprechender DMS-Gitteranzahl aufgeklebt werden, der bereits die einzelnen DMS-Gitter optimal angeordnet hat.“

Akkurater Klebevorgang

Aufgebracht werden DMS bei Grasse Zur in der Regel mit einem schnell trocknenden Cyanacrylat- oder Sekundenkleber des Typs CN, den Althen ebenfalls anbietet – es sollte stets ein vom Hersteller empfohlener Kleber gewählt werden. Bei einer Kurzzeitmessung ohne Umwelteinflüsse oder höhere Temperaturen (Messungen bis 120 Grad möglich) ist ein Sekundenkleber ausreichend. Bei höheren Prüftemperaturen greift Grasse Zur auf einen Epoxidharzkleber der Firma Althen (Kleber-Typ EB-2) zurück, der etwas aufwendiger in der Anwendung ist, da er zunächst angerührt werden muss und der DMS später unter einem vorgeschriebenen Anpressdruck länger aushärtet.

Wichtig vor dem Klebevorgang ist, das Bauteil zu präparieren, damit der Kleber und damit der DMS gut halten. Beim Faserverbundwerkstoff wird eine gewisse Rauigkeit an der Oberfläche zum optimalen Halt benötigt. Die Fasern des Verbundwerkstoffs dürfen jedoch durch Schleifen oder Anrauen nicht verletzt werden, sonst wird die Prüfung verfälscht. Hier sind viel Erfahrung und Fingerspitzengefühl der MitarbeiterInnen gefragt, damit sie beim Anrauen die Fasern nicht beschädigen. Je harzreicher die Werkstoffe sind, desto unempfindlicher sind sie gegen Schleifverletzungen.

Kennwerte Festigkeit und Steifigkeit

Für zwei Kennwerte muss der DMS während der Prüfung gut und sicher halten: die Ermittlung der Festigkeit und die Ermittlung der Steifigkeit eines Probekörpers. Die Festigkeit beschreibt, bei welcher maximalen Kraft der Werkstoff zerstört wird. Hierzu wird die Kraft mit der Fläche ins Verhältnis gesetzt. Die maximale Kraft auf diese Fläche bezogen, ist die Festigkeit; diese Kenngröße wird am Ende des Prüfvorgangs ermittelt, im Moment des Zerreißens. Die Steifigkeit zeigt, wie viel Kraft aufgewendet werden muss, um einen Probekörper zu verformen. Die Steifigkeit wiederum wird gleich zu Beginn der Prüfung festgestellt, während sich das Werkstoffverhalten noch im linear-elastischen Bereich befindet. An diesem Punkt könnte der Probekörper beim Einstellen des Zugvorgangs in seine ursprüngliche Form zurückkehren.

Eine weitere Kenngröße erläutert Geschäftsführer Dr. Fabian Grasse: „Außerdem lässt sich mit dem DMS auch noch die Bruchdehnung feststellen. Wie weit wurde der Probekörper in dem Moment gedehnt, in dem er versagte, also in dem Moment, in dem die Festigkeit ermittelt wurde, die maximale Kraft? Wenn der DMS nicht gut verklebt war, kann es sein, dass sich zwar die Steifigkeit zu Beginn und auch die Festigkeit am Ende messen lassen, nicht jedoch die Bruchdehnung, da der DMS in diesem Moment nicht mehr richtig geklebt hat.“

Der DMS ist direkt aufzukleben und anzuschließen, ohne Lötvorgang o. Ä. und ist damit nach der Klebung sofort einsatzbereit. Das ist für uns ein enormer Zeitvorteil gegenüber DMS, die gelötet werden müssen.
Fabian Grasse, Geschäftsführer Grasse Zur

Fazit: DMS für genaueste Kennwertermittlung

Die Überprüfung von Werkstoffen hinsichtlich ihrer Materialkennwerte für bestimmte Anwendungszwecke ist komplex und sicherheitsrelevant. Sie gehört daher in die Hände von unabhängigen, akkreditierten ExpertInnen wie Grasse Zur, die kalibrierte Messtechnik einsetzen und regelmäßig auditiert werden. Mit Dehnungsmessstreifen von Althen setzt das Prüflabor auf eine Technik, die beispielsweise gegenüber Laser- oder Video-Extensometern das zwar anspruchsvollere, aber auch wesentlich genauere Verfahren ist, um Dehnungen zu ermitteln.

Dr. Fabian Grasse: „Unser Ziel ist das Messen von exakten Dehnungsgrößen – die Dehnungsmessstreifen der Firma Althen sind seit Gründung unseres Prüflabors die Grundlage dafür.“

Weitere spannende Artikel:

Wie die Greiner AG Nachhaltigkeit vorlebt

Wie Qualitätskontrolle an der Produktionslinie in Echtzeit durchgeführt werden kann