Hintergründe der Talfahrt : Die Gründe für die Krise der deutschen Autoindustrie
Stockende E-Mobilität
Die Nachfrage nach batteriebetriebenen Autos ist nach dem Wegfall der Elektroauto-Prämie in Deutschland im vergangenen Jahr eingebrochen. Das stellt die Hersteller vor mehrere Probleme: Die Fabriken sind nicht ausgelastet, wegen der verschärften EU-Flottenziele für den CO2-Ausstoß ab 2025 drohen hohe Strafzahlungen. Ein großes Problem sei die Politik selbst, sagt Branchenexperte Frank Schwope, der an der Fachhochschule des Mittelstands in Köln und Hannover Automobilwirtschaft lehrt. "Das ewige Hin und Her bei der Elektromobilität verunsichert die Kunden und führt nur zu Verwerfungen."
Lesetipp: Ratlosigkeit der Entscheider erschwert die Lage
Die konjunkturelle Unsicherheit sorgt auch insgesamt für ein schwaches Geschäft, vor allem in Deutschland. Im August wurden hier fast 28 Prozent weniger Pkw neu zugelassen als im Vorjahresmonat, in der gesamten EU waren es 18 Prozent weniger. Für das Gesamtjahr rechnet der Verband der Automobilindustrie (VDA) nur noch mit 2,8 Millionen Neuzulassungen, rund ein Viertel weniger als im Vorkrisenjahr 2019. Und ein nachhaltiges Wachstum erwarten Experten in Europa nicht. Der hiesige Automarkt gilt als weitgehend gesättigt.
Abhängigkeit von China
Gleichzeitig stagniert das Auslandsgeschäft. Hier wird der deutschen Automobilindustrie ihre starke Abhängigkeit von China zum Verhängnis, wo sie rund ein Drittel ihres Geschäfts macht. Jahrelang sorgte der dortige Automarkt für rasantes Wachstum und gute Gewinne. Umso härter trifft VW & Co. die derzeit stockende Nachfrage nach ihren Modellen. "Den deutschen Herstellern scheint auf dem chinesischen Markt die Luft auszugehen", sagt Schwope. Neue Marken aus China legen dort rasant zu und drängen nun mit ihren E-Autos auch nach Europa. Und die, so Schwope, seien technologisch oft nicht nur ebenbürtig, sondern sogar überlegen.
Hohe Kosten
Auf der anderen Seite haben die deutschen Hersteller mit deutlich höheren Kosten für Energie und Personal zu kämpfen. Die Produktion günstiger Einstiegsmodelle lohne sich in Deutschland daher nicht, so Schwope. "Deshalb werden hier vor allem höherpreisige Fahrzeuge produziert." Im internationalen Vergleich falle Deutschland als Industriestandort immer weiter zurück, kritisierte kürzlich VDA-Präsidentin Hildegard Müller. Hier müsse dringend gegengesteuert werden.
Gewinnspannen
Aber auch die hohen Margenerwartungen des Managements seien Teil des Problems, so Schwope. Entsprechend groß sei der Spardruck. Dabei verdienten die Hersteller nach wie vor gutes Geld und stünden keineswegs vor der Insolvenz, so der Experte. Doch in den Pandemiejahren, als wegen der Teileknappheit vor allem hochpreisige Modelle gebaut wurden, habe sich die Branche an extrem hohe Gewinne gewöhnt. "Da gab es Traummargen, die jetzt einfach fortgeschrieben werden", sagt Schwope. "Das ist aber auf Dauer nicht durchzuhalten."